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Lippe aktuell , 16.08.2008 :

100 Jahre Lippischer Heimatbund: Nazizeit und Nachkriegsjahre / Enttäuschte Hoffnungen und Neuanfang mit alter Garde

Kreis Lippe (ab). Der Lippische Heimatbund (LHB) feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Im Rahmen einer sechsteiligen Serie stellen wir in "Lippe aktuell" die "Bürgerbewegung für Lippe" näher vor.

Über die Zeit von 1933 bis 1945 gibt die stellvertretende Vorsitzende des Lippischen Heimatbundes, Professorin Dr. Heide Barmeyer-Hartlieb, in ihrem Beitrag in der Festschrift zum 100. Jubiläum des Vereins Auskunft. Zunächst einmal ging es mit dem Heimatbund wie vielen anderen zur damaligen Zeit auch: man verband große Hoffnungen mit dem neuen Regime unter Hitler. Gegründet aus einer allgemeinen Bewegung der Heimatschützer heraus, war der LHB in seiner Ausrichtung streng konservativ, mit dem Ziel, das Bekannte zu bewahren und zu beschützend, erklärt Barmeyer-Hartlieb. Sie sieht die Gründung des Vereins als eine Reaktion auf die Modernisierung im Zuge der Industrialisierung. So etwas habe es schon vorher gegeben und auch heute könne man das Phänomen wieder beobachten – man denke an "Attac" und andere, die die Folgen der Globalisierung anprangern und die Gesellschaft zu schützen versuchen. "Schnelle Modernisierungsschübe lösen meist solche Gegenreaktionen aus", meint Barmeyer-Hartlieb.

Die allgemeine Ausrichtung des Heimatbundes machte es den Nazis leicht, den Bund für ihre Sache zu vereinnahmen. Das belegt auch ein Zitat aus einer Rede Hitlers, das dem Jahresbericht des LHB-Vorstandes 1933 vorangestellt wurde: "Wir wollen wahren die ewigen Fundamente unseres Lebens: unser Volkstum und die ihm gegebenen Werte und Kräfte – Wir wollen die großen Traditionen unseres Volkes, seine Geschichte und seine Kultur und demütiger Ehrfurcht pflegen, als unversiegbare Quelle einer wirklichen inneren Stärke und einer möglichen Erneuerung in trüben Zeiten." Nichts davon sei für Heimatfreunde anstößig gewesen, bemerkt dazu Barmeyer-Hartlieb. Die Einführung des Führerprinzips und die Gleichschaltung der regionalen Organisationen wurden ebenfalls hoffnungsfroh hingenommen, konnte doch eine straffe Organisation Tempo und Dynamik in die von vielen als stagnierend empfundene Bewegung bringen.

Führende Köpfe des LHB, wie unter anderem auch ihr Initiator und Vorsitzender Bernhard Ebert, sahen sich indes großen Problemen gegenüber, da sie sich nicht durch das neue Regime vereinnahmen lassen wollten. Aufgrund massiver beruflicher Schwierigkeiten trat Ebert bereits im Mai 1933 von seinem Amt zurück, mit ihm räumte nach und nach die gesamte ältere Generation des Heimatbundes das Feld.

Die Arbeit des Heimatbundes kam spätestens mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nahezu zum Erliegen. Wichtige Mitarbeiter wurden zum Kriegsdienst eingezogen, die Arbeitsmöglichkeiten wurden eng beschnitten. Im Vordergrund stand die Stärkung der inneren Front, der so genannten Heimatfront. Es wurden Vortragsreihen in Sachen Heimatliebe für Soldaten organisiert, heimatkundliche Führungen für Lazarette angeboten und Briefe an die Soldaten im Feld geschrieben. Zudem bekamen die Frontkämpfer die Jahresberichte des LHB geschickt, um ihnen das Bewusstsein zu vermitteln, dass sie im Kampf um den Schutz der Heimat stünden. "Wollten die Heimatvereine im totalitären Staat überleben, so konnten sie sich der Indienstnahme ihrer Arbeit durch das Regime nicht entziehen", schreibt Barmeyer-Hartlieb in der Festschrift. Das habe zur Diskreditierung des Vereins und seiner Arbeit und damit auch des Heimatbegriffs selbst geführt, so Barmeyer-Hartlieb im Gespräch mit Lippe aktuell.

Nach dem Krieg nahmen Ebert und andere ehemalige Hauptpersonen aus dem national-konservativen Lager die Arbeit im Lippischen Heimatbund wieder auf, um daran festzuhalten, was an Heimat nach wie vor gut war. "Das war aber eben nicht die Generation, die Theoriediskussionen führte und kritisch mit dem Heimatbegriff umging", betont Barmeyer-Hartlieb. Ein wirklicher Bruch kam denn auch erst um 1968, als die nachfolgende Generation ihre Kritik an den Eltern vorbrachte. Zu den dringlichen Aufgaben nach dem Krieg zählte es, den in die Region strömenden zahllosen Vertriebenen, Flüchtlingen, Kriegsheimkehrern und Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft Hilfestellung zu leisten und zu integrieren. Um die Basis und damit die Handlungsfähigkeit zu erweitern, schlossen sich 1948 der Lippische Heimatbund, der Naturwissenschaftliche und Historische Verein, der Lippischen Verkehrs- und Gebirgsverband Teutoburger Wald, die Lippische Museumsgesellschaft, der Verein Alt-Lemgo und der Lippische Lehrerverband zur Arbeitsgemeinschaft "Verband Lippische Heimat" zusammen. Gemeinsames Publikationsorgan war ein Mitteilungsblatt.

Mehr über die Geschichte des Lippischen Heimatbundes, seine Fachstellen und Ortsvereine findet man in der Festschrift "Lippe 1908 bis 2008: Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der Heimatpflege", die für 19 Euro im Buchhandel erhältlich ist. Im Internet ist der LHB unter "www.lippischer-heimatbund.de" vertreten.

Bildunterschrift: Bernhard Ebel prägte den Lippischen Heimatbund über 50 Jahre. Das Bild zeigt den jungen Ebert im Jahre 1918,

Bildunterschrift: Das "Mitteilungsblatt" war das Publikationsorgan des 1948 gegründeten "Verbandes Lippische Heimat", einem Zusammenschluss mehrerer Heimatbünde.

Bildunterschrift: Dem Jahresbericht 1033 wurde ein Zitat Hitlers vorangestellt, dessen Inhalt für damalige Heimatschützer nichts Anstößiger enthält.


la.redaktion@lippe-aktuell.de

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