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Mindener Tageblatt , 11.08.2011 :

Braune Botschaften aus der Nachbarschaft / Rechtsradikale Internetpropaganda nimmt Umweg über Gastcomputer in den USA / Für Strafverfolger oft unerreichbar

Minden / Bad Oeynhausen (mt/sk). Der Gastcomputer steht in den USA, die Urheber wohnen um die Ecke: Rechtsradikale aus Minden und Umgebung melden sich verstärkt im Internet. Nach Ermittlungen des AKE-Bildungswerkes in Vlotho reicht die braune Netz-Szene schon bis in die Bad Oeynhausener Geschäftswelt. Deutsche Ermittlungsbehörden zeigten sich bislang machtlos.

Mittlerweile drei Seiten rechtsradikaler Bewusstseinsbildner stammen aus der Region. Für den heimatlichen Wiedererkennungswert sind das Hermanns- und Kaiser-Wilhelm-Denkmal eingearbeitet. Es wird eine Zuständigkeit für die Region Weserbergland und Ostwestfalen suggeriert. Alte Germanenstämme geben den Namen für die Internetadresse. Und über neue Darstellungsformen melden sich Holocaustleugner, Volksverhetzer und Verschwörungstheoretiker zu Wort. Zuletzt hatten die Netz-Nazis noch für die Teilnahme am so genannten Trauermarsch in Bad Nenndorf geworben, der am vergangenen Wochenende die Polizeikräfte bis nach Bielefeld in Beschlag nahm.

"Die extreme Rechte nutzt das Internet unter anderem als Informations- und Kontaktforum sowie für Propagandazwecke und zur Selbstdarstellung", sagt Dr. Karsten Wilke, Referent des AKE-Bildungswerkes in Vlotho - einer Beratungsstelle im Rahmen der Landeskoordinierung gegen Rechtsextremismus in NRW. Laut Wilke hätten Rechtsradikale vor allem das Ziel, unter Jugendlichen Interesse zu wecken.

Schon lange sind nicht nur - zum Teil gerichtsbekannte - Rechtsradikale aus Minden als Mitarbeiter der Internetseiten ausgemacht. Auch Helfer von durchaus renommierten Bad Oeynhausener Geschäftsadressen stehen in Verdacht, bei der Netzpropaganda mitzumischen. Der Betrieb von Internetseiten bedürfe einer Logistik, erklärt Wilke. Seiten müssten entworfen, programmiert und gepflegt werden. Erforderlich sei eine dauerhafte Bereitstellung von Speicherkapazitäten auf einem Server. "Neonazis nutzen hierfür in der Regel Möglichkeiten im Ausland, um sich der Strafverfolgung zu entziehen."

Nach Recherchen des AKE-Bildungsinstitutes sind heimische Rechtsradikale mit ihren Seiten auf Computern in den USA zu Gast. Von dort aus gelangen die braunen Botschaften dann in umgekehrter Richtung zurück in die Region. Ein Abgleich der individuellen Kennnummern der daran beteiligten Rechner habe ergeben, dass mehrere Seiten gleicher Herkunft seien, sagt Wilke. "Das Design liefert hier laut Impressum eine Bad Oeynhausener Firma." Diese wiederum stelle sich als Teil eines weiteren Unternehmens der Kurstadt dar. Auf Anfragen habe sich die Geschäftsführung bislang nicht geäußert.

Auch MT war Ziel diverser Delikte

Im Fall einer anderen Seite der Netz-Nazis hatte sich das Mindener Tageblatt im März an die Bielefelder Staatsanwaltschaft gewandt. Zuvor war das MT Ziel diverser Delikte von Rechtsradikalen im Internet geworden. Neben dem Verstoß gegen das Urheberrechtsschutzgesetz ging es um Anstiftung zu Körperverletzung und Sachbeschädigung sowie Bedrohung und Beleidigung. Aber schon wenige Wochen später war das Verfahren wieder eingestellt worden.

Ein Täter habe nicht ermittelt werden können, teilte die Staatsanwaltschaft im April mit. Auskünfte zu den verantwortlichen Betreibern der Seite seien erfahrungsgemäß weder von der amerikanischen Firma noch über ein Rechtshilfeersuchen an die amerikanischen Behörden zu erwarten, erklärte die Strafverfolgungsbehörde. Weitere Nachforschungen versprächen zurzeit keinen Erfolg.

Bildunterschrift: Zur Fuß, wie bei Kundgebungen in Bad Nenndorf (Foto), und im Internet sind Rechtsradikale in der Region verstärkt präsent.



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