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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West , 08.08.2011 :

Nazi-Aufmarsch verhindert / Polizei und Demonstranten lassen Marcus Winter und seinen Gefolgsleuten keine Chance

Bielefeld (sp). Weit kamen sie nicht, und am Ende standen sie im Regen: Etwa 150 Rechtsextremisten sind am Samstag von Polizisten und Gegendemonstranten an ihrem geplanten Zug durch die Bielefelder Innenstadt gehindert worden. Bei ihrer Abreise kam es zu Auseinandersetzungen und einer Provokation. Ein Protokoll.

16.14 Uhr: Auf der Mahnwache vor dem Bielefelder Hauptbahnhof verliest ein Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft die Namen der vom Nazi-Regime aus Bielefeld deportierten Juden. Etwa 500 Demonstranten sind erschienen. Noch steht nicht fest, wie viele Neonazis aus Bad Nenndorf nach Bielefeld kommen werden. Die Polizei ist mit mehreren hundert Beamten im Einsatz.

16.51 Uhr: Zahlreiche Politiker beteiligen sich an der Mahnwache. Der Landtagsabgeordnete Günter Garbrecht (SPD) sagt: "Ein starkes Signal unserer Stadtgesellschaft, dass so viele Leute erschienen sind."

17.34 Uhr: Die Mahnwache war bis 17 Uhr genehmigt worden, noch aber stehen hunderte Demonstranten vor dem Bahnhof. Die Polizei beginnt, den Platz vor dem Eingang mit Bullis abzusperren, und fordert die Demonstranten auf, die Versammlung aufzulösen. Die zeigen sich unbeeindruckt und antworten mit einem gellenden Pfeifkonzert auf die Durchsagen.

17.49 Uhr: Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass rund 150 Rechtsextremisten mit dem Zug auf dem Weg nach Bielefeld sind. Die Mehrheit der Demonstranten harrt weiter vor dem Bahnhof aus, während Oberbürgermeister Pit Clausen bei einer Kundgebung an der Pauluskirche vor 200 Teilnehmern das breite Bündnis gegen den braunen Aufmarsch lobt.

18.22 Uhr: Unmittelbar vor dem Bahnhofseingang dürfen sich jetzt nur noch Zugreisende aufhalten. Die Demonstranten stehen in einem Halbkreis vor dem Bahnhof. Vereinzelt skandieren sie Parolen, einige Polizisten haben sich Helme und Körperpanzer angezogen. Jeder weiß nun, dass die Neonazis gegen 19 Uhr mit dem Regionalexpress in Bielefeld eintreffen werden.

18.59 Uhr: Ankunft der Rechtsextremisten auf Gleis 1. Beamte der Bundespolizei nehmen die Gruppe in Empfang und umzingeln sie, die Stimmung ist aggressiv. Auf dem Bahnsteig gegenüber haben sich Gegendemonstranten in Stellung gebracht, beide Gruppen beschimpfen sich.

19.10 Uhr: Bundespolizisten eskortieren die etwa 150 Rechtsextremisten über Gleis 1 nördlich vom Bahnhofsgelände. Es regnet, die Gruppe kommt vor der Radstation zum Stehen. Ab hier sollen die Landespolizisten übernehmen, doch dazu kommt es nicht. Die Nahariyastraße unweit des Bahnhofs wird zwischen Post und Parkhaus von Gegendemonstranten blockiert.

19.35 Uhr: Die Neonazis stehen in Sichtweite der Gegendemonstranten und dürfen nicht weiterziehen. Eine Auflösung der - nicht genehmigten - Blockade ist der Polizei zu riskant. Daher wird dem Organisator des rechten Aufmarsches, Marcus Winter, angeboten, eine Kundgebung vor Ort abzuhalten. Dieser lehnt ab, erklärt die Versammlung für beendet und kündigt für Heiligabend eine neue Demonstration in Bielefeld an.

20.01 Uhr: Die Rechtsextremisten werden zurück zum Bahnhof gebracht. Plötzlich lösen sich einige Neonazis in der Bahnhofshalle aus der Gruppe, die Polizei verliert für einen kurzen Moment ihre Ordnung. Es kommt zu Tumulten, Wasserflaschen fliegen, die Polizei setzt Reizgas und Schlagstöcke ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

20.30 Uhr: Die Rechtsextremisten sind auf dem Weg nach Hause. Die Polizei rückt ab und meldet noch den Brand einer Mülltonne. Dann ist der braune Spuk vorüber.

Bildunterschrift: Großeinsatz vor dem Bielefelder Bahnhof: 500 Gegendemonstranten und hunderte Polizisten hinderten die Neonazis am Aufmarsch.

Party-Meile in Bad Nenndorf

Bevor die Neonazis am Samstagabend nach Bielefeld kamen, hatten sie bereits im niedersächsischen Bad Nenndorf demonstriert - mit einem "Trauerzug" vor einem Gebäude, in dem nach Kriegsende deutsche Gefangene verhört und interniert worden waren. 640 Rechtsextremisten folgten dem Aufruf, doch von Trauer war in dem kleinen Kurstädtchen wenig zu spüren.

1.000 Menschen demonstrierten unter dem Motto "Bunt statt Braun" friedlich gegen die Rechtsextremisten. Dem "Trauermarsch" setzten die Bürger ein fröhliches Programm entgegen, Paare tanzten Walzer im Freien, Straßen wurden zu Party-Meilen. SPD-Bürgermeister Bernd Reese sagte, seine Stadt gebe damit "ein Signal gegen die Verdummung von Rechts." (sp)

Bildunterschrift: Bunte Mahnwache: Vor dem Bahnhof versammelten sich mehr als 500 Menschen, um friedlich gegen den Aufmarsch der Rechtsextremisten zu demonstrieren. Die Polizei riegelte den Bereich vor dem Bahnhof mit Bullis ab.

Bildunterschrift: Vor der Radstation gestoppt: Der Organisator des Neonazi-Aufmarsches, Marcus Winter (Mitte), und seine Gefolgsleute.

Bildunterschrift: Abfahrt: Erst nach einiger Zeit gelingt es der Polizei, die Neonazis zurück zum Bahnsteig zu drängen.

Bildunterschrift: Konsequenter Einsatz: Bundespolizisten drängen die Neonazis zurück und kreisen sie vor dem Reisezentrum in der Bahnhofshalle ein. Sie setzen Reizgas und Schlagstöcke ein, die Rechtsextremisten werfen mit Flaschen.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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