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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt , 08.08.2011 :

Demonstranten blockieren Neonazis / Massiver Polizeieinsatz verhindert Aufeinandertreffen beider Gruppen - Zwischenfall in der Bahnhofshalle

Von Matthias Band und Thomas F. Starke (Fotos)

Bielefeld (WB). Etwa 500 Menschen haben am Samstag friedlich gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Bielefeld demonstriert. Mit einer Blockade der Nahariyastraße versperrten sie den knapp 200 aus Bad Nenndorf angereisten Rechtsextremen den Weg und verhinderten so eine Kundgebung gegen das linke Arbeiter-Jugend-Zentrum (AJZ).

Polizei und Bundespolizei setzten mehrere Hundertschaften ein, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu unterbinden. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste permanent über dem Bahnhof. Die Neonazis reisten gegen 20 Uhr unverrichteter Dinge wieder ab, kündigten aber an, am 24. Dezember wiederkommen zu wollen.

Waren zuvor Mahnwache und Gegen-Demonstration sowie die Ankunft der Rechtsextremen friedlich verlaufen, ereignete sich jedoch auf dem Rückweg der Neonazis zum Bahnsteig ein Zwischenfall. Augenzeugenberichten zufolge kam es zu Zusammenstößen zwischen Rechtsextremen und Polizisten. Die Polizei bestätigte gestern den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Offenbar wollten einige Neonazis provozieren und nicht weitergehen, als sie die Bahnhofshalle betreten hatten. Die Einsatzkräfte hatten die Lage aber nach wenigen Minuten wieder im Griff.

Bereits um 15.30 Uhr hatte sich der Bahnhofsvorplatz mit zahlreichen Menschen gefüllt, die ein Zeichen gegen den Aufmarsch der Rechtsradikalen setzen wollten. Eine halbe Stunde später begann eine Mahnwache zum Gedenken an die während des Zweiten Weltkriegs vom Hauptbahnhof deportierten jüdischen Menschen. Zu der Mahnwache hatten Parteien, Kirchen und Gewerkschaften aufgerufen.

Neben Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) nahmen auch mehrere Landtags- und Bundestagsabgeordnete an der Mahnwache sowie an einer Kundgebung (siehe Text unten) vor der Pauluskirche teil. "Heute stehen wir zusammen für eine klare Botschaft: Wir wollen keine Nazis in Bielefeld. Nazis sind hier nicht willkommen. Nazis raus aus unserer Stadt", sagte Clausen. In Bielefeld, wo Menschen aus 150 Nationen lebten, sei "kein Platz für Hassprediger".

Gegen 17 Uhr stand fest, dass mehr als 200 Rechtsextreme im Regional-Express nach Bielefeld unterwegs waren. Sie hatten zuvor in Bad Nenndorf an einem "Trauermarsch für die Opfer der alliierten "Befreier"" teilgenommen, den die Rechtsradikalen dort einmal im Jahr durchführen. In dem Ort nahe Hannover hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Internierungslager eingerichtet, in dem NS-Kriegsverbrecher inhaftiert waren. Nach Polizeiangaben demonstrierten in Bad Nenndorf 900 Menschen gegen den Aufmarsch von 700 Rechtsextremen.

In Bielefeld begann die Polizei gegen 17.30 Uhr damit, den Bahnhofsvorplatz abzusperren. Eine halbe Stunde später setzte sich ein Teil der Demonstranten Richtung Pauluskirche zur Kundgebung in Bewegung. Der Großteil harrte aber am Hauptbahnhof aus, um die Ankunft der Rechtsextremen nicht zu verpassen.

Gegen 19 Uhr erreichten die Neonazis Bielefeld. Weil sich die Gegen-Demonstranten noch auf dem Bahnhofsvorplatz befanden, entschloss sich die Polizei, die Rechtsextremen über einen Nebenausgang an der Radstation vom Bahnhof zu geleiten. Als die Gegen-Demonstranten davon Wind bekamen, liefen sie an der Stadthalle vorbei und blockierten die Nahariyastraße. Die Einsatzleitung entschied daraufhin, die Neonazis nicht weitergehen zu lassen.

Beide Lager standen sich in 150 Metern Entfernung gegenüber, in der Mitte die Polizei. Sie bot den Neonazis an, ihre Kundgebung an der Radstation abzuhalten, weil sie die Rechtsradikalen offenbar nicht an den Gegen-Demonstranten vorbeiführen wollte. Das lehnten die Neonazis aber ab und entschlossen sich, wieder abzureisen.

Die Gegen-Demonstranten werteten ihren Protest als Erfolg. Die Bielefelderin Anja Pappert: "Es ist gut, dass die Anti-Demo es geschafft hat, die Nazis aus der Stadt rauszuhalten. Bielefeld hat ein Zeichen gesetzt, dass wir sie hier nicht haben wollen."

Bildunterschrift: Gegen 20 Uhr steigen die meisten der 200 Rechtsextremen am Bielefelder Hauptbahnhof in den bereits gut gefüllten Regional-Express Richtung Düsseldorf ein. Ein Großaufgebot der Polizei versperrt den Rückweg auf den Bahnsteig.

Bildunterschrift: Marcus Winter aus Minden spricht mit einem Polizisten. Winter hatte den Neonazi-Aufmarsch in Bielefeld organisiert.

Bildunterschrift: Gut 400 Demonstranten blockieren die Nahariyastraße. Polizisten halten sie in Schach, damit sie nicht mit den Neonazis in Kontakt kommen.

Bildunterschrift: Weil der Bahnhofsvorplatz blockiert ist, ziehen die knapp 200 Neonazis über die Gleise zu einem Nebenausgang an der Radstation.

Bildunterschrift: Weil die Mahnwache am Bahnhof nur bis 17 Uhr erlaubt war, droht die Polizei per Megaphon damit, den Platz räumen zu lassen.


bielefeld@westfalen-blatt.de

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