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Schaumburger Zeitung , 08.08.2011 :

Mit Tröten und Musik gegen Nazi-Hetzreden

Bad Nenndorf. Mit kreativen Aktionen und einer zentralen Demonstration (siehe unten) haben am Sonnabend rund 900 Menschen gegen den so genannten "Trauermarsch" protestiert, den Neonazis bereits zum sechsten Mal in der Kurstadt veranstaltet haben.

Die Bad Nenndorfer haben es den "trauernden" Neonazis dabei alles andere als leicht gemacht. Nach Ökumenischem Gottesdienst, Demo und Kundgebungen lautete auf der Bahnhofstraße die Parole: Party! Geburtstagsfeier im Parkhotel, Berufsjubiläum im China-Restaurant und eine Party zum Hochzeitstag im Vorgarten: Zahlreiche Bürger feierten private Feste in unmittelbarer Nähe der uniform in weißen Hemden und dunklen Hosen marschierenden Rechtextremen, um fröhlich und vor allem lautstark kundzutun, dass Nazis in der Kurstadt nicht erwünscht sind.

Vor dem Parkhotel, in dem VfL-Vorstandsfrau Sigrid Bade Geburtstag feierte, tanzten Jung und Alt auf der Straße. Wer immer die Musik aussuchte, hatte sich dabei etwas gedacht. Die politischen Kommentare reichten von "So lonely" über den Anti-Nazi-Klassiker "Schrei nach Liebe" der Ärzte bis zu "Football’s coming home", einer sehr britischen Pop-Hymne. Auch auf der Hindenburgstraße tanzten rund 30 Anwohner beim Straßenfest zu gut gelaunter Party-Musik, um den Nazis die Trauerstimmung zu verderben.

Als Letztgenannte dann am Wincklerbad eintrafen, übernahmen Tröten und Trillerpfeifen die musikalische Regie am Straßenrand - mit Erfolg: Die schrille Geräuschkulisse und laute Rufe der Bad Nenndorfer machten es den Rechtsextremen schwer, ihrer Kundgebung zu folgen.

Geschützt wurden die Privat-Partys indes von einem Großaufgebot an Polizisten, die zuvor sicherstellten, dass tatsächliche alle Fest-Gäste durch die Polizeiabsperrungen zu ihren Party-Orten kamen. "Es hat alles wunderbar geklappt, keiner hatte Probleme, durch die Kontrollen zu kommen", freute sich Silke Engelking, die ihren Hochzeitstag mit Ehemann Uwe im Vorgarten feierte. Für die gute Kooperation bedankten sich die Feiernden nach dem Ende des Nazi-Aufmarschs mit einer La-Ola-Welle bei den Einsatzkräften.

Den größten Jubel erntete schließlich ein junger Mann, der die Nazis auf ihrem Rückmarsch zum Bahnhof auf besondere Art verabschiedete. Er hatte sich ein Hinterteil aus Plastik umgeschnallt, den er den Rechtsextremisten fröhlich wackelnd präsentierte - immer im Takt der Discomusik. Die freche Inszenierung brachte selbst einige der Polizisten zum Schmunzeln.

"Das fröhliche Bad Nenndorf gibt ein Signal gegen die Verdummung von Rechts", sagte Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese. Auch Jürgen Uebel, Sprecher des Nenndorfer Bündnisses gegen Rechtsextremismus, ist hochzufrieden mit dem bunten und vielfältigen Protest. Die Atmosphäre bei den Partys sei "sehr schön" gewesen, die Aktionen wertete Uebel als vollen Erfolg. Nichtsdestoweniger seien viele Gäste, vor allem jene, die den so genannten "Trauermarsch" zum ersten Mal mit angesehen haben, bestürzt gewesen - vor allem darüber, dass so viele junge Leute bei den Rechtsextremen mitmarschiert sind.

Bildunterschrift: Fröhlichkeit gegen Heuchelei und Hass: Das Party-Volk vor dem Park-Hotel vermiest den Rechtsextremen die "Trauerstimmung".


sz-redaktion@schaumburger-zeitung.de

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