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Nachrichten , 08.08.2011 :

Tages-Chronologie von Montag, 8. August 2011

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www.hiergeblieben.de - Zusammenfassung - Montag, 8. August 2011


Am 6. August 2011 wurden im Nieheim-Himmighausen drei Steintafeln zur Erinnerung an sowjetische Kriegsgefangene eingeweiht, die als Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn ums Leben gekommen waren.

Heute veröffentlichte die Neue Westfälische ein Interview mit Kirsten John-Stucke, seit Juli 2011 die neue Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg.

Am 7. August 2011 gedachte die Felix-Fechenbach-Stiftung mit einer Gedenkfeier an der Gedenkstätte im Kleinenberger Wald dem von den Nationalsozialisten ermordeten Journalisten Felix Fechenbach.

Am 6. August 2011 protestierten über 1.200 Menschen mit einer Demonstration und zahlreichen Privat-Partys gegen den neonazistischen "Trauermarsch" in Bad Nenndorf.

Am 6. August 2011 verhinderten über 800 Menschen in Bielefeld eine vom Neonazi Marcus Winter angemeldete Demonstration unter dem Motto "Straftätern die Räume nehmen - AJZ dichtmachen".

Am 7. August 2011 kritisierte die Bubndestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die auch in Bielefeld angewandte Praxis, Asylsuchende per Videoübertragung über ihr Verfolgungsschicksal zu befragen.

Heute kritiserte der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn die unzureichende Versorgung von Flüchtlingen mit psychischen Krankheiten in Ostwestfalen-Lippe.

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Nieheim-Himmighausen: Gedenken an sowjetische Zwangsarbeiter

Am 6. August 2011, wurden im Nieheimer Stadtteil Himmighausen (Kreis Höxter) drei Steintafeln zur Erinnerung an sowjetische Kriegsgefangene eingeweiht, die als Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn ums Leben gekommen waren. Darüber berichten heute, am 8. August 2011, das Westfalen-Blatt und die Neue Westfälische.

Die Leichen der in Himmighausen verstorbenen Gefangenen waren zunächst am Ortsrand bestattet und später auf das Gelände der heutigen Dokumentationsstätte "Stalag 326 (VI K)" bei Stukenbrock-Senne umgebettet worden.

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Büren-Wewelsburg: Interview mit Kirsten John-Stucke

Heute, am 8. August 2011, veröffentlichte die Neue Westfälische ein Interview mit Kirsten John-Stucke, seit Juli 2011 die neue Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg.

Redakteurin Simone Flörke sprach mit ihr über Ziele und Pläne, die Bedeutung der Wewelsburg und ihre Arbeit.

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Warburg / Kreis Lippe: Gedenken an Felix Fechenbach

Am 7. August 2011 gedachte die Felix-Fechenbach-Stiftung mit einer Gedenkfeier an der Gedenkstätte im Kleinenberger Wald dem von den Nationalsozialisten ermordeten Journalisten. Darüber berichtet heute, am 8. August 2011, die Neue Westfälische.

Demnach wurde die Gedenkrede von Ingrid Schäfer, Historikerin und Biografin von Irma Fechenbach, vor 70 Teilnehmenden gehalten.

Felix Fechenbach wurde 1894 als Sohn eines Bäckers geboren und besuchte die jüdische Elementar- und Realschule. Danach absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung in Würzburg, die er 1910 abschloss. 1911 verlor er seine Arbeitsstelle in Frankfurt am Main, nachdem er an einem Streik teilgenommen hatte.

Zwischen 1912 und 1914 arbeitete er im Münchner Arbeitersekretariat und gründete 1914 die "Jugend-Sektion" der SPD. Im Herbst 1914 wurde er zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen. Nach seiner Verwundung Anfang 1915 in den Vogesen war Fechenbach zuerst im Schreibdienst und anschließend im Münchner Traindepot eingesetzt. Dort kam er in Kontakt mit Kurt Eisner und wurde zum Pazifisten.

Nach Kriegsende nahm er seine politische Aktivität wieder auf und beteiligte sich auch an Streiks. Als Kurt Eisner nach der Novemberrevolution 1918 zum bayerischen Ministerpräsident ernannt wurde, holte er Fechenbach als seinen Sekretär in die Staatskanzlei. Bis zu Eisners Ermordung im Februar 1919 war Fechenbach Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats sowie des provisorischen Nationalrates in Bayern. Fechenbach schrieb für Zeitungen im In- und Ausland.

Im Jahre 1922 wurde Fechenbach wegen angeblichen Landesverrats vom Münchner Volksgericht zu 11 Jahren Zuchthaus und zehn Jahren "Ehrverlust" verurteilt. Auch Artikel zur Kriegsschuld Deutschlands waren Gegenstand des Prozesses. Er musste aber auf Grund des öffentlichen Drucks gegen das Urteil nur bis zu seiner Begnadigung 1924 im Zuchthaus bleiben. Nach seiner Freilassung betrieb er dann ein Wiederaufnahmeverfahren, das mit der Aufhebung des Urteils durch das Reichsgericht endete. Während seiner Haftzeit wurde Fechenbach Mitglied der Poale Zion.

Die Jahre bis 1929 arbeitete er in Berlin beim Dietz-Verlag und recherchierte dort Reportagen für die sozialdemokratische Tageszeitung Vorwärts (1925 - 1929). Er unterstützte auch die "Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde", unter anderem als Autor und Puppenspieler von politischen Kasperltheaterstücken ("Roter Kasper").

Von 1929 bis 1933 arbeitete Fechenbach in Detmold als Redakteur beim SPD-Organ "Volksblatt" und war im Widerstand gegen die Nationalsozialisten aktiv. Da er über Informanten in der lippischen NSDAP verfügte, konnte er immer wieder Interna über die Absichten und Skandale der Partei veröffentlichen. Diese unter dem Pseudonym "Nazi-Jüsken" verfassten Glossen führten zu starken Anfeindungen. Nach der lippischen Landtagswahl am 15. Januar 1933 wurde ihm von den Nazis Redeverbot erteilt, am 11. März 1933 wurde er festgenommen und in so genannte "Schutzhaft" überführt.

Am 7. August wurde Felix Fechenbach auf dem Transport in das Konzentrationslager Dachau im Kleinenberger Wald zwischen Detmold und Warburg "auf der Flucht erschossen". In Wahrheit wurde er auf Anweisung Heydrichs misshandelt und ermordet. Der Tat verdächtigt wurden vier SA- und SS-Männer aus Detmold: Friedrich Grüttemeyer, 1969 verurteilt als Mittäter, Paul Wiese, 1948 verurteilt wegen "vorsätzlichen Totschlags", Karl Segler, dem keine Beteiligung nachgewiesen werden konnte und Josef Focke, der nie gefasst wurde.

Das Grab von Felix Fechenbach befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Rimbeck.

Fechenbach war in zweiter Ehe mit Irma Epstein (1895 - 1973) verheiratet. Sie und die drei gemeinsamen Kinder überlebten die Zeit des Nationalsozialismus durch Flucht.

Auf die Gedenkstätte für Felix Fechenbach im Kleinenberger Wald wurden vier Anschläge innerhalb von drei Jahren verübt, zuletzt im Dezember 2003.

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Bad Nenndorf: "Trauermarsch" - Müde NS-Nostalgiker

Am 6. August 2011 protestierten über 1.200 Menschen mit einer Demonstration und zahlreichen Privat-Partys gegen den neonazistischen "Trauermarsch" in Bad Nenndorf. Darüber berichten heute, am 8. August 2011, das Neue Deutschland, die Schaumburger Zeitung, das Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, die Grüne Jugend Niedersachsen und der Blick nach Rechts.

Zum sechsten Mal in Folge seit dem Jahr 2006 zogen Neonazis durch Bad Nenndorf, um an angebliche "Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" der Alliierten zu erinnern. Innerhalb der Szene erwies sich die Demonstration allerdings erneut als Rückschlag.

Demnach nahmen anstelle der bis zu erwarteten 1.200, nur 640 Neonazis und NS-Nostalgiker an der demonstrativen NS-Verherrlichung teil, die von 2.000 Polizistinnen und Polizisten geschützt wurde.

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Bielefeld: Straftätern die Räume genommen - Neonazi-Demonstration blockiert

Am 6. August 2011 verhinderten über 800 Menschen in Bielefeld eine vom Neonazi Marcus Winter angemeldete Demonstration unter dem Motto "Straftätern die Räume nehmen - AJZ dichtmachen". Darüber berichten heute, am 8. August 2011, die Neue Westfälische, das Westfalen-Blatt, das Mindener Tageblatt, Radio Westfalica und der WDR.

Demnach blockierten 800 Menschen die polizeilich genehmigte Route, so dass die rund 150 Neonazis nur bis zur Radstation des Bahnhofs kamen.

Die Polizei hatte es als zu gefährlich angesehen, die Blockade aufzulösen oder die Neonazis daran vorbeizuführen. Stattdessen bot sie Marcus Winter an, die Kundgebung am Hauptbahnhof abzuhalten. Darauf ging dieser nicht ein und sagte die Kundgebung ab. Stattdessen kündigte er an, eine neue Kundgebung in Bielefeld für den 24. Dezember anmelden.

Auf dem Weg zurück zu den Gleisen griffen Neonazis Polizistinnen und Polizisten an, die sich mit Schlagstöcken und Reizgas zur Wehr setzten.

Straftätern die Räume nehmen

Marcus Winter, Führungskader des nach dem alten Gau der NSDAP benannten neonazistischen Netzwerkes "Westfalen-Nord", ist neben Volksverhetzung unter anderem auch wegen der folgenden Straftatbestände rechtskräftig verurteilt worden: Verletzung der Vertraulichkeit, Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Beleidigung, Betrug, Urkundenfälschung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, räuberischer Erpressung, (gemeinschaftliche) gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Freiheitsberaubung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

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Berlin / Bielefeld: Asylsuchende - Anhörungsverfahren per Videokamera

Am 7. August 2011 kritisierte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, in einer Pressemitteilung die auch in Bielefeld angewandte Praxis, Asylsuchende nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern per Videoübertragung über ihr Verfolgungsschicksal zu befragen. Darüber berichtet heute, am 8. August 2011, die Neue Westfälische.

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Ostwestfalen-Lippe: Unzureichende Versorgung von Flüchtlingen

Heute, am 8. August 2011, kritiserte der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn die unzureichende Versorgung von Flüchtlingen mit psychischen Krankheiten in Ostwestfalen-Lippe. Darüber berichtet aktuell Radio Hochstift.

Da es kein spezielles Beratungszentrum für Flüchtlinge mit psychischen Krankheiten in OWL gibt, wird der Auf- und Ausbau von örtlichen Netzwerken von Beraterinnen und Beratern, Behörden sowie psychotherapeutischem Fachpersonal vorgeschlagen.

Auch die Möglichkeit, aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine Privatwohnung zu ziehen, trage wesentlich dazu bei, dass sich die "äußere" Sicherheit vor allem von depressiven Flüchtlingen verbessere.

Nähere Informationen auf: www.caritas-paderborn.de

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Artikel-Einträge in der Datenbank:


Neue Westfälische 15 - Höxter (Kreis), 08.08.2011:
Gedenken für die Vergessenen / Himmighausen weiht am Ehrenmal eine Tafel für 13 gestorbene sowjetische Kriegsgefangene ein

Höxtersche Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:
"Die Hand zur Versöhnung reichen" / Im Rahmen der Schützenfestnachfeier weiht Himmighausen drei Gedenktafeln für russische Kriegsgefangene ein

Neue Westfälische 14 - Paderborn (Kreis), 08.08.2011:
"Draht zu den Besuchern behalten" / Interview: Kirsten John-Stucke, neue Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg

Neue Westfälische 16 - Warburg, 08.08.2011:
Gedenken an Felix Fechenbach / Sozialdemokraten erinnern an den 1933 von Nazis ermordeten Juden und Journalisten

Neue Westfälische, 08.08.2011:
Gedenken an Felix Fechenbach

Blick nach Rechts, 08.08.2011:
Party gegen braunen Trauermarsch

Grüne Jugend Niedersachsen, 08.08.2011:
Bad Nenndorf: Faschisten können ungehindert marschieren - übertriebene Härte gegen Antifaschisten

Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 08.08.2011:
Presseerklärung / "Heute ist nicht alle Tage - wir kommen wieder, keine Frage!"

Schaumburger Zeitung, 08.08.2011:
Mit Tröten und Musik gegen Nazi-Hetzreden

Neues Deutschland, 08.08.2011:
Konfetti für den "Trauermarsch"

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 08.08.2011:
Bielefelder verhindern rechte Demonstration

Radio Westfalica, 08.08.2011:
Neonazis fahren an Minden vorbei

Mindener Tageblatt, 08.08.2011:
Demo stoppt Neonazis / Kein rechter Aufmarsch in Bielefeld / In Minden alles ruhig

Neue Westfälische 13 - Lübbecke (Altkreis), 08.08.2011:
Rechts-Demo: Polizei überwacht Mindener Bahnhof

Neue Westfälische 12 - Löhne und Gohfeld, 08.08.2011:
150 Neonazis müssen in Löhne umsteigen / Gruppe strandet auf Weg nach Bielefeld

Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:
Kommentar

Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:
Mahnwache und Kundgebung / Oberbürgermeister: "Deutliches Zeichen für Frieden"

Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:
Demonstranten blockieren Neonazis / Massiver Polizeieinsatz verhindert Aufeinandertreffen beider Gruppen - Zwischenfall in der Bahnhofshalle

Westfalen-Blatt, 08.08.2011:
500 Demonstranten blockieren Neonazis / Massiver Polizeieinsatz verhindert Aufeinandertreffen beider Gruppen

Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 08.08.2011:
Nazi-Aufmarsch verhindert / Polizei und Demonstranten lassen Marcus Winter und seinen Gefolgsleuten keine Chance

Neue Westfälische, 08.08.2011:
Nazi-Aufmarsch verhindert / Polizei und Demonstranten lassen Marcus Winter und seinen Gefolgsleuten keine Chance

Neue Westfälische, 08.08.2011:
Bielefelder stoppen Nazi-Aufmarsch

Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 08.08.2011:
Kritik an Video-Anhörungen von Asylbewerbern

Radio Hochstift, 08.08.2011:
Caritas kritisiert Flüchtlingsbetreuung

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Neue Westfälische 15 - Höxter (Kreis), 08.08.2011:

Gedenken für die Vergessenen / Himmighausen weiht am Ehrenmal eine Tafel für 13 gestorbene sowjetische Kriegsgefangene ein

Himmighausen (nw). Mit einem feierlichen und bewegenden Festakt sind am Wochenende unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am Ehrenmal in Himmighausen drei Steintafeln eingeweiht worden, die an das Schicksal von 13 sowjetischen Kriegsgefangenen erinnern. Die Opfer waren in Himmighausen als Zwangsarbeiter der Reichsbahn ums Leben gekommen.

Mehr als 66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges falle es nicht immer leicht, einen Bezug zur Aktualität herzustellen, sagte Nieheims Bürgermeister Rainer Vidal. Zu oft habe man in der Vergangenheit lediglich um die Gefallenen und Vermissten der eigenen Nationalität getrauert und dabei vergessen, auch die Kriegstoten anderer Länder mit einzubeziehen. Er sei fest davon überzeugt, dass "die Schuld nachwirkt", betonte Vidal und bat den 1. Botschaftssekretär der russischen Föderation, Wladimir Kukin, um Verzeihung für das Unglück, das die deutschen Soldaten über das russische Volk gebracht haben.

Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bleibe lebendig, sagte Kukin. Angesichts von 27 Millionen Opfern allein auf russischer Seite grenze es "fast an ein Wunder", dass die Mehrheit seines Volkes die Deutschen als Freunde betrachte. "Heute können wir uns über den Gräbern die Hand reichen. Unsere Freundschaft zu pflegen, ist eine Pflicht gegenüber den Gefallenen", sagte Kukin, der zusammen mit seiner Gattin Galina nach Himmighausen gekommen war. Die Aufstellung der Gedenktafeln sei "eine Geste zur Wiederherstellung der Würde der Toten" und habe in seiner Botschaft "ein breites Echo gefunden".

"Tröstlich und versöhnlich"

Auch Stefan Schmidt, Bezirksgeschäftsführer des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, dankte dem Himmighäuser Heimatschutzverein und den Bürgern dieses Ortes für die Initiative. Sie sei "etwas ganz Besonderes", ein "tröstlicher, versöhnlicher und zukunftsweisender Akt gegen übersteigerten Nationalismus und Rassismus, ein Wegweiser in eine friedliche Zukunft". Er habe die Hoffnung, dass noch viele andere Gemeinden diesem Beispiel folgen, sagte Schmidt und erinnerte daran, dass von den 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen etwa drei Millionen in deutschen Lagern ums Leben gekommen sind. Auch in Himmighausen hatte es viele Jahrzehnte gedauert, bis man diesen Opfern ein würdiges Andenken gab. Als die Bürger des Ortes 1960 ihren Kriegstoten ein Denkmal errichteten, regte der Bürger Wilfried Hanßen zunächst vergeblich an, auch an die sowjetischen Kriegsgefangenen zu erinnern, die als Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn in Himmighausen ums Leben gekommen waren. Ihre zwei Gräber, die sich außerhalb des Ortes befanden, waren 1960 exhumiert und die Toten auf das Gelände des sowjetischen Soldatenfriedhofs in Stukenbrock umgebettet worden. Mit Hilfe der Dokumentationsstätte konnten von den 13 Toten fünf namentlich ermittelt werden. Die Namen wurden nun mit weißer Schrift in eine schwarze Tafel eingraviert. Auch die alten Grabsteine mit kyrillischer Schrift wurden vor einiger Zeit noch gefunden. Der junge Himmighäuser Florian Niggemann hatte sich in der Feldflur auf die Suche danach gemacht. Die beiden alten Grabsteine umrahmen nun die neue Gedenktafel am Himmighäuser Ehrenmal. "Je mehr wir in dieses Thema eingestiegen sind, desto mehr kam der innere Druck, etwas tun zu müssen", sagte der 1. Vorsitzende des Heimatschutzvereins, Alfons Lange. "Uns wurde klar, dass wir der sowjetischen Mitmenschen in gleicher Weise zu gedenken haben, wie unserer eigenen Toten und Vermissten." Mit der Einweihung des integrierten Ehrenmales wolle man nun "ein kleines Zeichen der Versöhnung auch in Himmighausen setzen", sagte er.

Diakon Wilhelm Otten weihte die Gedenksteine ein. Anschließend legten 13 Schützen verschiedener Generationen, darunter auch Wilfried Hanßen, am Mahnmal eine rote Rose nieder. Friedenstauben wurden in die Luft gelassen. Das Blasorchester Himmighausen und die Blaskapelle Reelsen spielten das Stück "Ich bete an die Macht der Liebe". Es regnete in Strömen. Der Regen sei wohl ein Sinnbild für die Tränen, die während des Zweiten Weltkriegs vergossen wurden, hatte Bürgermeister Rainer Vidal gesagt.

Bildunterschrift: "Die Schuld wirkt nach": Der Vorsitzende des Heimatschutzvereins Alfons Lange, Wladimir Kukin, Botschaftssekretär der Russischen Föderation, Diakon Wilhelm Otten und Bürgermeister Rainer Vidal (v. l.) an der Gedenkstätte.

Bildunterschrift: "Sinnbild der vergossenen Tränen": Es regnet in Strömen, als die Schützen zum Ehrenmal ziehen.

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Höxtersche Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:

"Die Hand zur Versöhnung reichen" / Im Rahmen der Schützenfestnachfeier weiht Himmighausen drei Gedenktafeln für russische Kriegsgefangene ein

Von Heinz Wilfert

Himmighausen (WB). "Über Gräber die Hand zur Versöhnung reichen!" Diesen Wunsch hat Wladimir Kukin, der erste Sekretär der russischen Föderation, während einer bewegenden Einweihungsfeier von drei Gedenksteinen für verstorbene russische Krieggefangene in Himmighausen ausgesprochen.

Der Heimatschutzverein hat in dem vor 51 Jahren errichteten Gefallenenehrenmal drei Gedenksteine integriert, die nun an 13 sowjetische Kriegsgefangene erinnern, und das an einem historischen Tag: dem Abwurf der ersten Atombombe auf die japanische Stadt Hirsohima. "Mit drei kleinen Gedenksteinen setzen wir ein großes Zeichen der Versöhnung", sagte Alfons Lange, Vorsitzender des Heimatschutzvereins, bei der würdevollen Feierstunde. "Wir wissen diesen Beitrag zu schätzen", erklärte der Botschaftsvertreter aus Berlin, weil der nicht nur reine Pflichterfüllung sei. "Die Aufstellung dieser Gedenksteine bedeutet auch die Wiederherstellung der menschlichen Würde", sagte der Diplomat, der deutlich machte, dass die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg den höchsten Blutzoll aller Nationen habe bezahlen müssen.

Der Kampf habe sich aber schon damals nicht gegen das deutsche Volk, sondern ausschließlich gegen das Nazi-Regime gerichtet. Die Einladung nach Himmighausen habe in der Botschaft ein breites Echo gefunden. Kukin würdigte das deutsch-russische Verhältnis. "Vor 60 Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass beide Länder heute strategische Partner sind und Deutschland zu einem befreundeten Land wurde."

Schon vor Jahrzehnten hatte der junge Wilfried Hanßen bei der Errichtung des Gefallenenehrenmals in Himmighausen angeregt, auch der sowjetischen Kriegsgefangenen zu gedenken, die bei ihrem Einsatz als Zwangsarbeiter der Reichsbahn ums Leben gekommen sind.

Die Verstorbenen waren ursprünglich am Ortsrand begraben. Sie wurden 1961 umgebettet, um in der Dokumentationsstätte bei Stukenbrock ihre letzte Ruhestätte zu finden. Einem Zufall war es zu verdanken, dass vor einiger Zeit zwei steinerne Platten mit kyrillischen Buchstaben entdeckt wurden, die wohl noch von russischen Gefangenen gefertigt wurden. Durch Recherchen von Oliver Nickel von der Dokumentationsstelle 326 Stukenbrock ließen sich fünf Namen bestimmen, drei aus Aserbeidschan, einer aus Kalmückien und einer aus Dagestan. Diese Namen sind auf der mittleren Gedenktafel verewigt.

Bürgermeister Rainer Vidal fand es sehr anerkennenswert, dass im Ehrenmal auch der russischen Toten gedacht werde. Den strömenden Regen während der Einweihungsfeier nutzte er für Symbolik: "Der steht für die Tränen, die während einer furchtbaren Zeit auf beiden Seiten vergossen wurden." Für das erlittene Unrecht bat Vidal den russischen Vertreter um Verzeihung und endete mit dem Wunsch "Nie wieder Krieg!". Die Segnung der Gedenkstätte vollzog Diakon Wilhelm Josef Otten. Für jeden der 13 Verstorbenen legten 13 Schützen eine rote Rose nieder, während Friedenstauben aufgelassen wurden.

Bildunterschrift: Heimatschutzvereinsvorsitzender Alfons Lange (von links), Botschaftssekretär Wladimir Kukin, Diakon Wilhelm-Josef Otten und Bürgermeister Rainer Vidal am Ehrenmal.

Bildunterschrift: Bewegende Feierstunde im Regen: Die Schützenfestnachfeier bildete den Rahmen für die Einweihung der Gedenksteine für russische Kriegsgefangene in Himmighausen. Für die Musik sorgten die Blaskapelle Reelsen und das Blasorchester Himmighausen.

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Neue Westfälische 14 - Paderborn (Kreis), 08.08.2011:

"Draht zu den Besuchern behalten" / Interview: Kirsten John-Stucke, neue Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg

Kreis Paderborn. Kirsten John-Stucke (44) aus Unna kam vor mehr als 20 Jahren das erste Mal auf die Wewelsburg. Und ist ihr verbunden geblieben. Seit 1999 war sie stellvertretende Leiterin, seit Juli ist sie nun die neue Leiterin des Kreismuseums. Doch sie kümmerte sich schon während der schweren Krankheit des im Juni gestorbenen Leiters Wulff E. Brebeck, der im September in den Ruhestand gehen sollte, kommissarisch um organisatorische und planerische Dinge für das Hochstift-Museum und die zeitgeschichtliche Dokumentation "Ideologie und Terror der SS". Mit ihr sprach Simone Flörke über Ziele und Pläne, die Bedeutung der Wewelsburg und ihre Arbeit.

Frau John-Stucke, ergänzen Sie bitte den Satz: Wewelsburg ist für mich ...

Kirsten John-Stucke: Erfüllung, Freude an der Arbeit, Ziele zu stecken und diese zu erreichen sowie mit guten Kollegen zu arbeiten.

Sie sind durch den Tod Wulff Brebecks einige Monate früher Museumsleiterin geworden. Bringt das Ihre berufliche oder private Planung durcheinander?

John-Stucke: Nein, da ich schon in den vergangenen Monaten viele Aufgaben von Wulff Brebeck übernommen hatte. Vom Arbeitsaufwand ist das nicht wesentlich mehr. Aber es ist eine emotional traurige Sache: So wollte ich nicht Museumsleiterin werden. Ich hatte mir erträumt, dass mir Wulff Brebeck Ende September die Leitung offiziell überreicht und ich mir anschließend immer noch mal einen Rat holen kann. Er ist für mich ein Mentor gewesen, der mich beraten und mich in meiner Denkweise mitgeprägt hat.

Sie haben bereits in den vergangenen Jahren durch Brebecks Krankheit quasi das Museum geleitet, die Dauerausstellung vorbereitet - was wird sich nun für Sie ändern?

John-Stucke: Jetzt trage ich die ganze Verantwortung. Wir sind 17 Festangestellte, dazu Pädagogen und befristet angestellte Kollegen. Und ich habe keine längere Übergangsphase. Nach Brebecks Erkrankung waren wir absolut gepolt auf die Neueröffnung im April 2010. Da blieb aus zeitlichen Gründen einiges liegen. Wenn er zwischendrin mal wieder da war, weil es ihm besser ging, konnte ich nachfragen: Wie würdest Du das machen? Er hat die Zeit genutzt, um mir Bestände zu erläutern. Das fehlt jetzt.

Was macht Ihnen an der Arbeit besonderen Spaß?

John-Stucke: Gut finde ich, das ich viele eigene Projekte entwickeln und umsetzen kann, dass die Arbeit so vielseitig ist - das macht die Art dieses Kreismuseums mit den zwei Sparten. Es deckt so viele Bereiche vom Kindergeburtstagprogramm bis zum Vortrag über SS-Verbrechen ab. Zudem kann ich richtig viel praktisch gestalten. Die Vermittlung von Geschichte an die Besucher. Ich mache zwar nicht mehr regelmäßig Schülerführungen, doch immer noch hin und wieder. Man muss den Draht zu den Besuchern behalten und darf sich nicht nur um Theorien kümmern - nicht im Elfenbeinturm sitzen.

Nehmen Sie gedanklich davon auch schon mal was mit nach Hause?

John-Stucke: Ich kann noch sehr gut abschalten. Mein Mann ist ein guter Gesprächspartner. Aber Begleitbände oder andere Bücher nehme ich schon mal mit. Da habe ich mehr Ruhe zum Lesen.

Was muss die Leiterin eines solchen Museums, das Regionalgeschichte und eine dunkle Zeit in Deutschland gleichermaßen beleuchtet, mitbringen?

John-Stucke: Flexibilität ist wichtig. Und Offenheit für alle Themen und Belange, um sie an die Besucher zu vermitteln. Und das bitteschön im Team. Darauf setzt dieses Museum. Wir arbeiten alle am gleichen Projekt. Sonst würde es nicht funktionieren.

Wo ist dabei das Historische Museum des Hochstifts im Kreismuseum einzuordnen?

John-Stucke: Früher war die zeitgeschichtliche Dokumentation der Annex an der Regionalgeschichte. Mit der internationalen Bekanntheit von "Ideologie und Terror der SS" ist das aber kein Grund, die Regionalgeschichte nicht so mehr wichtig zu nehmen. Sie ist Identität stiftend, zeigt den Menschen etwas von ihrer Geschichte. Ein gleichberechtigtes Rückgrat, nicht das Stiefkind. Wir wollen das Historische Museum in den nächsten Jahren aufpeppen und mehr den Wahrnehmungsgewohnheiten der Besucher anpassen. Einzelne Themen sollen auch neu präsentiert werden.

Was schätzen Sie an Wewelsburg, der Burg, dem Museum und dem Dorf?

John-Stucke: Dass sich die Menschen im Dorf mit der Geschichte auseinandersetzen. Sie haben sich damit schwer getan, aber sie haben sich der Vergangenheit gestellt und viel aus der Diskussion darum gelernt. Sie gehen dadurch jetzt viel offener damit um. Das hat im vergangenen Jahr auch der Vortrag von Wulff Brebeck zu den Phasen des Gedenkens gezeigt. Der Prozess der Auseinandersetzung ist noch nicht vollendet, Diskussionen gibt es immer noch. Doch wichtig ist, dass sich die Menschen mit der Vergangenheit in Wewelsburg beschäftigen. Die Wewelsburger helfen uns auch bei großen Veranstaltungen, zum Beispiel Museumsfesten im Burggarten. Das ist schon ein gutes Verhältnis.

Welchen Stellenwert hat Wewelsburg für Sie national und international?

John-Stucke: Dass wir durch die Dokumentation international bekannt werden, das war überraschend. Wir wussten ja nicht, wo wir mit dem Thema landen. Dass es so akzeptiert wird, freut uns natürlich. Es ist eine Bestätigung für das, was wir in den vergangenen zehn Jahren getan haben und fördert auch unsere internationalen Kontakte. National hat sich die Wewelsburg in der Gedenkstättenszene gut positioniert. Ihr Alleinstellungsmerkmal: Sie ist einerseits SS-Täterort und zugleich mit dem ehemaligen KZ Niederhagen Gedenkstätte und Opferort.

Und was ist jetzt Ihr nächstes Projekt?

John-Stucke: Wir schreiben am Katalog zur Dauerausstellung, der im Oktober fertig sein wird. Ein umfangreiches Werk von mehr als 400 Seiten. Mein Traum war es, die Ausstellung komplett abzubilden. Aber das lässt sich nicht realisieren. Der Katalog muss für die Besucher bezahlbar bleiben, wird zwischen 20 und 25 Euro kosten. Zudem gibt’s verschiedene wissenschaftliche Projekte wie den Terminkalender Himmlers, den wir herausgeben wollen. Markus Moors und Moritz Pfeiffer werden dafür die Akten mit Himmlers Eintragungen vergleichen und schauen, was der Reichsführer SS an welchen Terminen gemacht hat. Im Gedenkstättenbereich wollen wir eine Datenbank für Häftlingskleidung aufbauen. Und im nächsten Jahr steht das Themenjahr der Museumsinitiative OWL unter der Überschrift Holz - daran beteiligen wir uns im Historischen Museum mit Ausstellung, Workshops und Vorträgen.

Wo sehen Sie die Wewelsburg in 20 Jahren?

John-Stucke: (Lächelt) Dann werden wir den Lückenschluss mit der dritten Abteilung haben: Unser Weit-Ziel im Museums-Entwicklungsplan. Das Hochstift-Museum endet Anfang des 19. Jahrhunderts, die zeitgeschichtliche Ausstellung befasst sich mit der NS-Zeit. Dazwischen liegen das 19. und beginnende 20. Jahrhundert, die spannende Zeit der Industrialisierung. Das abzubilden, das möchten wir in weiterer Zukunft realisieren.

Bildunterschrift: International bekannt: Durch die im April 2010 eröffnete Dokumentation wurde die Wewelsburg auch über die deutschen Grenzen hinaus ein Begriff. Kirsten John-Stucke freut’s.

Fünf Bücher unterm Arm

Der Zufall und der Museumsführer NRW brachten sie auf die Wewelsburg: "Ich kannte sie vorher nicht", gibt Kirsten John-Stucke zu. Sie stammt aus Unna-Massen, machte Abitur am Gymnasium Unna und studierte an der Universität in Münster. Deutsche Philologie, im Nebenfach Geschichte und Publizistik. Geschichte interessierte sie mehr als die Germanistik, also wollte sie in einem Museum ein Praktikum machen, stellte sich in Wewelsburg vor. "Wulff Brebeck hat mich mit offenen Armen empfangen. Wir haben den ganzen Nachmittag gesprochen. Und ich bin mit fünf Büchern unterm Arm wieder nach Hause gefahren." Das sei schon damals ein Hinweis auf die Menge an Arbeit gewesen, die auf sie zukommen sollte, erinnert sie sich mit einem Augenzwinkern. 1990 bis 1993 arbeitete sie als pädagogische Mitarbeiterin für die Vorgänger-Dokumentation "Wewelsburg 1933 bis 1945 - Kult- und Terrorstätte der SS", schloss 1993 ihr Studium ab. In der Magisterarbeit befasste sie sich mit dem Thema Häftlinge im KZ in Wewelsburg. Zwei Jahre war die heute 44-Jährige als wissenschaftliche Volontärin im Morgenstern-Museum in Bremerhaven. Schiffsbau und Schnürböden waren dort neue Themenbereiche für sie. Doch auch dazu führte Kirsten John-Stucke Zeitzeugen-Gespräche mit Werftarbeitern. Schon in Wewelsburg waren für sie die Gespräche mit den KZ-Überlebenden - erstmals gab es 1992 ein Treffen - von besonderer Bedeutung gewesen. 1995 kehrte sie als wissenschaftliche Fachkraft zurück nach Wewelsburg, wurde 1999 stellvertretende Leiterin. 1995 veröffentlichte sie ihre Magisterarbeit mit Biografien der Häftlinge - ein Grundlagenwerk. Kirsten John-Stucke lebt heute mit ihrem Mann und den acht und zehn Jahre alten Söhnen in Wewer.

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Neue Westfälische 16 - Warburg, 08.08.2011:

Gedenken an Felix Fechenbach / Sozialdemokraten erinnern an den 1933 von Nazis ermordeten Juden und Journalisten

Von Thomas Fuest

Warburg/Scherfede. Die Mitglieder der Felix-Fechenbach-Stiftung sowie weitere Sozialdemokraten der Region erinnerten gestern Nachmittag mit einer Gedenkveranstaltung an die Ermordung von Felix Fechenbach durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933.

Der Detmolder Jude, Journalist und Sozialdemokrat wurde im Wald zwischen Scherfede und Kleinenberg auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau von Männern der Sturm-Abteilung (SA) bei einem angeblichen Fluchtversuch erschossen.

"Auf den Tag genau vor 78 Jahren wurde Felix Fechenbach an dieser Stelle durch 20 Schüsse in den Rücken von Nazis ermordet", erinnerte der Geschäftsführer der Felix-Fechenbach-Stiftung und SPD-Landtagsabgeordneter Dennis Maelzer an der Gedenkstätte. Fechenbach sei ein aufrechter Demokrat gewesen und habe stets mit spitzer Feder gegen die aufkeimende braune Gefahr geschrieben, wodurch er den Hass der Nationalsozialisten auf sich zog, so Maelzer. In ihrer Gedenkrede erinnerte die Detmolder Historikerin Ingrid Schäfer auch an das Schicksal von Fechenbachs Frau Irma. Kurz vor der sich andeutenden Verhaftung ihres Mannes floh sie gemeinsam mit ihren drei Kindern nach Augsburg. Felix selbst blieb trotz Warnungen in Detmold. "Vor der Reichstagswahl wollte er nicht weg, war er doch der Auffassung, die Wahlergebnisse würden schon dafür sorgen, dass die Demokratie nicht so ohne weiteres verspielt werde", so Schäfer.

Auf Grund eines Haftbefehls der Nazis gegen Irma reiste die Familie von Augsburg aus weiter in die Schweiz. "Ihre Mutter rief sie dort am Morgen des 8. Augusts 1933 an und teilte ihr mit, dass Felix tot sei, "auf der Flucht erschossen"", beschrieb Schäfer. Nach dieser Nachricht habe sich Irma Fechenbach "in sich selbst verkrochen", zitierte die Historikerin.

Im Jahr 1945 gelang den Fechenbachs die Emigration in die USA, wo Tochter Hanni und Sohn Kurt noch heute leben. Lotti, die älteste Tochter, kehrte jedoch nach kurzer Zeit in die Schweiz zurück. Mit ihr verbindet Ingrid Schäfer noch heute eine enge Freundschaft. Den Teilnehmern der Gedenkveranstaltung sprach Schäfer in ihrem Namen die herzlichsten Grüße aus. Irma Fechenbach folgte ihrer Tochter Lotti im Jahr 1965 zurück in die Schweiz, wo sie 1973 im Alter von 78 Jahren starb. Im selben Jahr nahm sie zuvor noch im August an der Einweihung des Gedenksteins für ihren ermordeten Ehemann im Wald bei Scherfede teil.

Bildunterschrift: Erinnerung an einen aufrechten Demokraten: Im Kleinenberger Wald bei Scherfede gedachten rund 70 Menschen des Jahrestags der Ermordung von Felix Fechenbach durch die Nazis. Dazu legten (v. l.) Herbert Cramme und Karl-Heinz Hellmuth von der Warburger SPD sowie die Historikerin Ingrid Schäfer und der SPD-Landtagsabgeordnete Dennis Maelzer Blumen am Gedenkstein nieder.

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Neue Westfälische, 08.08.2011:

Gedenken an Felix Fechenbach

Warburg (pur). Die Felix-Fechenbach-Stiftung und die Sozialdemokraten gedachten gestern Nachmittag des am 7. August 1933 im Wald bei Scherfede von den Nazis ermordeten Felix Fechenbach. Die Detmolder Historikerin Ingrid Schäfer würdigte in ihrer Rede am Gedenkstein den Juden, Journalisten und Sozialdemokraten Fechenbach als "aufrechten Demokraten", der für seine Überzeugung ermordet wurde.

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Blick nach Rechts, 08.08.2011:

Party gegen braunen Trauermarsch

Von Andrea Röpke

Bad Nenndorf setzte rund 600 Neonazis friedlichen, bunten Protest entgegen. Blockade von Nazi-Gegnern verhinderte danach einen Folgeaufzug in Bielefeld.

Mittlerweile fühlen sich die Neonazis in der niedersächsischen Kurstadt Bad Nenndorf immer unwohler. Zum sechsten Mal versammelten sich etwa 600 Anhänger vor dem ehemaligen britischen Verhörzentrum der Alliierten, dem Wincklerbad, um für ihre ewiggestrige Ideologie zu demonstrieren. In diesem Jahr hatten sie zusätzlich zum üblichen Aufmarsch noch eine weitere Veranstaltung im nordrhein-westfälischen Bielefeld vor dem Arbeiter-Jugend-Zentrum geplant. Im Anschluss an Bad Nenndorf fuhren knapp 200 Neonazis in die Universitätsstadt, allerdings erfolglos. Eine Blockade antifaschistischer Gruppen verhinderte den braunen Spuk.

Auch in Bad Nenndorf waren sie nicht erwünscht. Während sich Hunderte bunt gekleideter Menschen am Rande der Demonstrationsroute amüsierten, tanzten und aus Protest sangen, verfinsterten sich die Gesichter des Organisationsteams um den mehrfach verurteilten Neonazi Marcus Winter aus Minden.

Mythos vom alliierten Foltergefängnis für NS-Anhänger

Nach langen Jahren des Wegschauens zeigte die kleine Stadt im Weserbergland überzeugend Gesicht. Es machte allen sichtbar Spaß, den Trauerzug der Nazis mit einer eigenen Party-Meile in seine Grenzen zu verweisen. Überall gab es kleine Grillfeste, Privatfeiern oder gar Firmenjubiläen zwischen Bahnhof und Wincklerbad. Fröhliche laute Musik, vom Schlager bis zu Reggaeklängen, dröhnte durch die Straßen. Auch die zentrale Neonazi-Kundgebung mit Redebeiträgen von Dieter Riefling, Andy Knape, Mareike Bielefeld und Sven Skoda ging im Trubel der Feiern fast unter. Die Bad Nenndorfer trauten sich in diesem Jahr, viele zeigten auf einem Riesenplakat Gesicht. In den Jahren zuvor sollen gerade die niedersächsischen Behörden mit dem Versuch der Verkriminalisierung Nazi-gegnerischer Bemühungen Unsicherheit und Ängste verbreitet haben. 2011 machten auch auffällig viele Ältere beim Protest mit.

Für die Neonazis aus der Region um Marcus Winter entspricht Bad Nenndorf immer mehr einem "Schlachtfeld", wie sie es ausdrücken. Eine diesjährige Parole lautete: "Die Wahrheit macht uns frei." Dabei können die Organisatoren den Mythos vom alliierten Foltergefängnis, in dem vor allem ehemalige NS-Anhänger gequält worden seien, kaum noch aufrecht erhalten, wie neueste wissenschaftliche Forschungen belegen. Gemeinsam mit dem Historiker Lutz Anhalt beschäftigte sich Steffen Holz aus Bad Nenndorf jahrelang mit dem "Verhörlager CSDIC No. 74". Beide kamen unter anderem zu der Erkenntnis, dass weniger die einsitzende Nazi-Elite von der Folter betroffen war, als umso mehr vermeintliche Sowjet-Spione. Im Hinblick auf das braune Gedenken stellte Holz gegenüber den "Schaumburger Nachrichten" eine provokante These auf: "Nazis trauern in Bad Nenndorf für ermordete Kommunisten." So soll es sich bei den zwei an den Folgen von Misshandlungen gestorbenen Toten sowie den beiden auf den Riesenplakaten der Neonazis präsentierten ausgemergelten Gefangenen tatsächlich um Personen handeln, die der britische Geheimdienst damals für Kommunisten hielt.

Nur wenige NPD-Kader dabei

Der Protest in Bad Nenndorf zentriert sich auf die Befürchtung, zum extrem rechten "Wallfahrtsort" zu werden. Weniger die wachsenden gewaltbereiten Neonazi-Strukturen zwischen Ostwestfalen und Hannover scheinen Sorgen zu bereiten. Auch Bürgermeister Bernd Reese (SPD) verkündete: "Wir wollen diese importierte Neonazi-Szene nicht."

Tatsächlich reiste ein Großteil der Rechten in diesem Jahr aus dem Rheinland, dem Raum Aachen, Köln, Dortmund und dem Münsterland an. "Besatzer raus" stand auf dem Transparent von Berliner Teilnehmern. Andere trugen Fahnen und Banner aus Chemnitz, Celle, Merseburg, Neuruppin oder Hamburg. "Ersthelfer" benannte Sanitäter unter anderem aus Hessen begleiteten den Aufzug. Zwei junge Frauen trugen einen Kranz. Es folgten auch die "Düütschen Deerns" aus der Lüneburger Heide. Von der NPD waren nur wenige Kader dabei. Die Hauptorganisation teilt sich die Kameradschafts-Clique um Winter und Bernd Stehmann aus Bielefeld, beteiligt schienen auch Thomas Wulff, Axel Reitz sowie der Magdeburger Andreas Biere.

Schweiger sitzt "am großen Tisch der Helden"

"Bad Nenndorf ist das Symbol für die gesamte Entrechtung des deutschen Volkes nach dem 8. Mai 1945", bellte Dieter Riefling laut ins Mikrophon. Der schmächtige Hildesheimer Neonazi versuchte damit den Protest zu übertönen. Tatsächlich mahnte die Polizei immer wieder, der Neonazi-Aufmarsch sei eine "rechtmäßig angemeldete Versammlung" und die Umherstehenden sollten "den Geräuschpegel" senken, ansonsten werde man einschreiten. Riefling schrie weiter: "Wir sind das Herz Europas", begrüßte aber auch die "Kameraden aus dem europäischen Ausland". Andy Knape, NPD-Aktivist aus Sachsen-Anhalt folgte und betonte, "eine wahrhaftige Rede" halten zu wollen.

Der Rückmarsch zum Bahnhof verlief sehr schnell. Dort - abseits jeglichen Protestes bauten sich die Neonazis zur Abschlusskundgebung auf. Neben Sebastian Dahl aus Berlin-Schöneweide, der die Abwesenheit vieler Kameraden wegen des Wahlkampfes in Berlin entschuldigte, sprach unter anderem auch Andreas Biere. Pathetisch erinnerte der Magdeburger Kameradschaftsanführer an sein jüngst verstorbenes österreichisches Vorbild Herbert Schweiger. Der sei schon als 17-Jähriger in die Waffen-SS eingetreten und säße nun "am großen Tisch der Helden".

"30. Januar 1933 ist Tag der Befreiung"

Mit dem jungen US-Amerikaner Parker Wilson durfte auch ein Außer-Europäer sich kurz äußern und das Verhalten der Alliierten Besatzungsmächte nach 1945 verurteilen. Eine junge Frau las die Übersetzung vor. Es wurde geklatscht. Der Dresdner Redner Maik Müller war sich danach sicher, dass "eines Tages der Tag kommt, an dem es endlich wir sein werden, die die Demokraten und ihr menschenverachtendes System im Lokus der Geschichte herunterspülen".

Kurz vor Ende der Veranstaltung schien ein noch junger Neonazi, genannt "Matte aus Dortmund", seine Vorredner an Radikalität noch übertrumpfen zu wollen und brüllte ins Mikrophon: "Es war der 8. Mai 1945 als ein ganzes Volk, unser Volk starb. Es war der dunkelste Tag Deutschlands." "Mattes" Outfit mit rotem Blouson und längeren Haaren entsprach keinem Klischee. Die Rede jedoch war unmissverständlich und einige Polizisten und Pressevertreter schluckten doch, als der junge Mann dann ergänzte: "Der Tag der Befreiung ist der 30. Januar 1933."

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Grüne Jugend Niedersachsen, 08.08.2011:

Bad Nenndorf: Faschisten können ungehindert marschieren - übertriebene Härte gegen Antifaschisten

Anlässlich des Nazi-Aufmarsches in Bad Nenndorf am 06.08.2011 erklärt die Grüne Jugend Niedersachsen:

Mehr als 600 Neonazis konnten am vergangenen Samstag ungehindert ihren geschichtsrevisionistischen Trauermarsch durch Bad Nenndorf abhalten. Es ist eine unhaltbare Schikane, auf welche Art und Weise die Gegenproteste an diesem Tag verhindert wurden. Mit zweifelhaften Methoden wurden über 100 AntifaschistInnen auf einem Feld am Rande Bad Nenndorfs gekesselt und mehrere Stunden ohne validen Grund festgehalten. Als fadenscheiniger Vorwand diente angebliches Fehlverhalten eines der Anwesenden. Der Polizist, der dies registriert haben soll, wurde jedoch abgeordert und einer anderen Einheit zugeteilt. Damit fehlte dem Festhalten der DemonstrantInnen jegliche rechtliche Grundlage.

Wegen des Umdefinierens seitens der Polizei von einem Kessel zu einer "Kontrollstelle", fiel die Verpflichtung weg, Versorgung bereitzustellen, sodass die AntifaschistInnen bei 30 Grad bis zu 5 Stunden ohne ausreichend Wasser,
Sonnenschutz und WCs ausharren mussten. Selbst die angebotene Versorgung durch andere AntifaschistInnen aus Bad Nenndorf wurde verwehrt. Dem gegenüber stand ein völlig übertriebener Personaleinsatz, das überflüssige Abfilmen der ProtestlerInnen und die unhaltbare Situation, dass es lange weder eineN AnsprechpartnerIn der Polizei, noch keine Erklärungen gab, da der Einsatzleiter viel zu spät eintraf.

Eine menschenverachtende Meinung wurde den legitimen Gegenprotesten vorgezogen, und es wurde mit übertriebener Härte gegen AntifaschistInnen vorgegangen. Dies erscheint angesichts der friedlich verlaufenden Gegenproteste auf der einen Seite und der wieder einmal deutlich gewordenen Gewaltbereitschaft der Nazis auf der anderen Seite wie blanker Hohn: Teilnehmende des Nazi-Aufmarsches griffen im Anschluss an die Veranstaltung ein Autonomes Zentrum an, und auch beim anschließenden Marsch in Bielefeld gab es Übergriffe auf die Polizei.

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Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 08.08.2011:

Presseerklärung / "Heute ist nicht alle Tage - wir kommen wieder, keine Frage!"

Am vergangenen Samstag marschierten circa 650 Neonazis durch Bad Nenndorf. Anlass dazu war der alljährliche "Trauermarsch", bei dem die Neonazis ihren Opfermythen um das Wincklerbad herum huldigen.
Die vom DGB angemeldete Gegendemonstration mit circa 1.200 Teilnehmern war bunt, lautstark und friedlich.

Durch zahlreiche Privatfeiern an der Route der Neonazis konnten diese massiv in der Durchführung ihres Aufmarsches gestört werden. Außerdem hatten die Bad Nenndorfer Bürgerinnen und Bürger am Vorabend die Bahnhofstraße dekoriert und bemalt, wodurch sich die marschierenden Geschichtsverdreher ebenfalls gestört und provoziert gefühlt haben.

Auf Grund eines Kessels der Polizei konnten circa 200 GegendemonstrantInnen nicht an den verschiedenen Aktionen teilnehmen. Viele von den Personen, die im Kessel bis zu fünf Stunden festgehalten wurden, wurden durch das harte Vorgehen der Polizei verletzt. Einige erlitten Kreislaufzusammenbrüche, da sie während der gesamten Zeit in der prallen Sonne ohne Getränke gefangen waren.

Eine ausführliche Presseerklärung unseres Bündnisses folgt in den kommenden Tagen.

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Schaumburger Zeitung, 08.08.2011:

Mit Tröten und Musik gegen Nazi-Hetzreden

Bad Nenndorf. Mit kreativen Aktionen und einer zentralen Demonstration (siehe unten) haben am Sonnabend rund 900 Menschen gegen den so genannten "Trauermarsch" protestiert, den Neonazis bereits zum sechsten Mal in der Kurstadt veranstaltet haben.

Die Bad Nenndorfer haben es den "trauernden" Neonazis dabei alles andere als leicht gemacht. Nach Ökumenischem Gottesdienst, Demo und Kundgebungen lautete auf der Bahnhofstraße die Parole: Party! Geburtstagsfeier im Parkhotel, Berufsjubiläum im China-Restaurant und eine Party zum Hochzeitstag im Vorgarten: Zahlreiche Bürger feierten private Feste in unmittelbarer Nähe der uniform in weißen Hemden und dunklen Hosen marschierenden Rechtextremen, um fröhlich und vor allem lautstark kundzutun, dass Nazis in der Kurstadt nicht erwünscht sind.

Vor dem Parkhotel, in dem VfL-Vorstandsfrau Sigrid Bade Geburtstag feierte, tanzten Jung und Alt auf der Straße. Wer immer die Musik aussuchte, hatte sich dabei etwas gedacht. Die politischen Kommentare reichten von "So lonely" über den Anti-Nazi-Klassiker "Schrei nach Liebe" der Ärzte bis zu "Football’s coming home", einer sehr britischen Pop-Hymne. Auch auf der Hindenburgstraße tanzten rund 30 Anwohner beim Straßenfest zu gut gelaunter Party-Musik, um den Nazis die Trauerstimmung zu verderben.

Als Letztgenannte dann am Wincklerbad eintrafen, übernahmen Tröten und Trillerpfeifen die musikalische Regie am Straßenrand - mit Erfolg: Die schrille Geräuschkulisse und laute Rufe der Bad Nenndorfer machten es den Rechtsextremen schwer, ihrer Kundgebung zu folgen.

Geschützt wurden die Privat-Partys indes von einem Großaufgebot an Polizisten, die zuvor sicherstellten, dass tatsächliche alle Fest-Gäste durch die Polizeiabsperrungen zu ihren Party-Orten kamen. "Es hat alles wunderbar geklappt, keiner hatte Probleme, durch die Kontrollen zu kommen", freute sich Silke Engelking, die ihren Hochzeitstag mit Ehemann Uwe im Vorgarten feierte. Für die gute Kooperation bedankten sich die Feiernden nach dem Ende des Nazi-Aufmarschs mit einer La-Ola-Welle bei den Einsatzkräften.

Den größten Jubel erntete schließlich ein junger Mann, der die Nazis auf ihrem Rückmarsch zum Bahnhof auf besondere Art verabschiedete. Er hatte sich ein Hinterteil aus Plastik umgeschnallt, den er den Rechtsextremisten fröhlich wackelnd präsentierte - immer im Takt der Discomusik. Die freche Inszenierung brachte selbst einige der Polizisten zum Schmunzeln.

"Das fröhliche Bad Nenndorf gibt ein Signal gegen die Verdummung von Rechts", sagte Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese. Auch Jürgen Uebel, Sprecher des Nenndorfer Bündnisses gegen Rechtsextremismus, ist hochzufrieden mit dem bunten und vielfältigen Protest. Die Atmosphäre bei den Partys sei "sehr schön" gewesen, die Aktionen wertete Uebel als vollen Erfolg. Nichtsdestoweniger seien viele Gäste, vor allem jene, die den so genannten "Trauermarsch" zum ersten Mal mit angesehen haben, bestürzt gewesen - vor allem darüber, dass so viele junge Leute bei den Rechtsextremen mitmarschiert sind.

Bildunterschrift: Fröhlichkeit gegen Heuchelei und Hass: Das Party-Volk vor dem Park-Hotel vermiest den Rechtsextremen die "Trauerstimmung".

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Neues Deutschland, 08.08.2011:

Konfetti für den "Trauermarsch"

Demonstrative Partystimmung soll den Neonazis die Lust auf ihren jährlichen Besuch in Bad Nenndorf verderben.

Von Reimar Paul

Mit Party hatten die Neonazis bei ihrem "Trauermarsch" am Samstag durch Bad Nenndorf wohl am wenigsten gerechnet. Doch genau so verdarben die Gegner des Aufmarsches ihnen die Stimmung.

Entlang der Demonstrationsstrecke der Rechtsextremisten vom Bahnhof zum Wincklerbad im niedersächsischen Bad Nenndorf schallte aus Lautsprechern Pop und Tanzmusik, aus Fenstern regnete es Konfetti. Knapp ein Dutzend private Feiern waren für den Nachmittag angekündigt worden - von Bad Nenndorfer Bürgern, Vereinen und Gemeinden. Die Polizei trug Sorge, dass die meisten Gäste die Feste auch erreichten.

Bereits das sechste Jahr in Folge war die Kurstadt Schauplatz eines rechten Aufmarsches. Anlass: Im Wincklerbad hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Verhörzentrum, unter anderem für Nationalsozialisten und Wehrmachtssoldaten eingerichtet. Es kam dort auch zu Übergriffen auf Gefangene, für die sich die Regierung in London später entschuldigte. Die Nazis wollen Bad Nenndorf deshalb zu einer Art Wallfahrtsort machen.

Nachdem 2010 rund 1.000 Rechtsextremisten durch die Kurstadt gezogen waren, kamen dieses Mal etwa 700 mit weißen Hemden und schwarzen Hosen bekleidete Rechtsextremisten zum "Trauermarsch". Die Proteste liefen bereits am Freitag an. Mehr als 600 Bad Nenndorfer beteiligten sich an einer Menschenkette auf dem einen Kilometer langen Marschweg der Nazis zwischen Bahnhof und Wincklerbad. An Bäumen, Laternenpfählen und Zäunen hingen bunte Luftballons und Plakate: "Nazis raus". Als die Kette geschlossen war, klatschten die Teilnehmer Minuten lang Beifall. Die Bürger wollten dafür sorgen, "dass sich die Nazis hier so unwohl wie möglich fühlen", sagte Steffen Holz vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt", bei der anschließenden Kundgebung. Im zehn Kilometer entfernten Haste demonstrierten am Freitag Schüler, Eltern und Lehrer am Umsteigebahnhof der Neonazis.

An der Demonstration des Bündnisses in Bad Nenndorf am Samstagmorgen beteiligten sich rund 1.200 Menschen. Während die Polizei keine Zwischenfälle meldete, beklagten auswärtige Nazi-Gegner, ihre Fahrzeuge hätten stundenlang in einer Polizeisperre festgesteckt. Zu den zum Nazi-"Trauermarsch" am Samstagnachmittag angemeldeten Feierlichkeiten zählte auch das Schabbat-Fest der Nenndorfer Jüdischen Gemeinde. Die Veranstaltung in der Bahnhofstraße wurde von starken Polizeikräften geschützt. Als die Rechtsextremisten am Gemeindezentrum vorbeimarschierten, schallte ihnen ein hebräisches Lied entgegen: "Hevenu schalom alechem" - "Wir bringen euch Frieden."

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Marina Jalowaja, zählt zu den sechs Unterzeichnern eines Briefes an Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann. Darin wird gefordert, dass der CDU-Politiker " … nach Bad Nenndorf kommt und uns vor Ort erklärt, warum wir den Aufmarsch der Neonazis bis 2030 erdulden müssen". Bereits bis zu diesem Jahr liegen der Stadtverwaltung Anmeldungen zu Nazi-Aufmärschen vor. Eine Antwort auf das schon Mitte Juni versandte Schreiben hatten die Absender bis zur vergangenen Woche nicht bekommen. Der Brief sei auf seinem Weg durch die Büros des Ministeriums hängengeblieben, hieß es in Hannover. 2010 hatte Schünemann noch schnell reagiert, als er dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" vorwarf, sich nicht ausreichend von "Linksextremisten" distanziert zu haben.

Etwa 800 Menschen versammelten sich am Samstagabend zu einer Protest-Kundgebung in Bielefeld, wohin offenbar viele Neonazis aus Bad Nenndorf weitergereist waren. Die Polizei brach ihren Aufmarsch nicht weit vom Hauptbahnhof zur Freude der Blockierer ab.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 08.08.2011:

Bielefelder verhindern rechte Demonstration

Rund 800 Menschen haben am Samstag in Bielefeld eine Demonstration von Rechtsextremen verhindert. Die nach Angaben der Polizei rund 200 Neonazis waren mit dem Zug von einer Demo in Bad Nenndorf angereist. Ihr für Bielefeld angemeldeter Aufmarsch konnte nicht stattfinden, weil die Gegendemonstranten den Bahnhof und das Umfeld blockierten. Die Polizei trennte beide Gruppen. Gegen 20.00 Uhr mussten die Rechtsextremen abreisen.

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Radio Westfalica, 08.08.2011:

Neonazis fahren an Minden vorbei

Die Neonazi-Aufmärsche in Bad Nenndorf und Bielefeld haben auch die Mindener Polizei beschäftigt. Sie war mit einem Großaufgebot am Samstag am Bahnhof vertreten, um mögliche Zusammenstöße zwischen Rechten und Gegendemonstranten beim Umsteigen zu verhindern.

Schon vormittags hatten sich am Mindener Bahnhof mehr als 200 Rechtsextremisten versammelt. Sie mussten dort auf dem Zug nach Bad Nenndorf umsteigen. Das verlief laut Polizei aber alles friedlich. Zwischenfälle oder Gegendemonstrationen gab es nicht. Auch Bahnhof in Löhne blieb alles ruhig. Anders sah es abends dagegen in Bielefeld aus. Dort kam es zu Auseinandersetzungen. Die Neonazis bewarfen die Polizisten mit Flaschen, die Beamten setzten unter anderem Reizgas ein. Zuvor hatten Gegendemonstranten den geplanten Aufmarsch der Rechten in Bielefeld schon am Bahnhof gestoppt.

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Mindener Tageblatt, 08.08.2011:

Demo stoppt Neonazis / Kein rechter Aufmarsch in Bielefeld / In Minden alles ruhig

Minden/Bad Nenndorf/Bielefeld (mt/nw). Ein Großaufgebot der Polizei sicherte am Samstag den Mindener Bahnhof ...

Weiter auf: www.mt-online.de/lokales/minden/4817445_Demo_stoppt_Neonazis.html

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Neue Westfälische 13 - Lübbecke (Altkreis), 08.08.2011:

Rechts-Demo: Polizei überwacht Mindener Bahnhof

Minden (nw). Ein starkes Aufgebot an heimischen Polizeibeamten, unterstützt von Hundertschaften, hatte am Samstag den Mindener Bahnhof und die umgebenden Straßen im Visier. Als Umsteige- und Durchfahrtsbahnhof spielte Minden für Angehörige der rechten Szene, die auf dem Weg ins niedersächsische Bad Nenndorf sowie Bielefeld waren, eine zentrale Rolle. Gegen 11 Uhr fuhren rund 260 Teilnehmer der "Demonstration Rechts" mit der Bahn über Minden nach Bad Nenndorf. In Minden erregten die Rechts-Demonstranten kein Aufsehen, mögliche Störaktionen habe es nicht gegeben, so die Polizei.

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Neue Westfälische 12 - Löhne und Gohfeld, 08.08.2011:

150 Neonazis müssen in Löhne umsteigen / Gruppe strandet auf Weg nach Bielefeld

Minden/Löhne (indi/por/red). Zweimal innerhalb von rund drei Stunden sind am Samstag rund 150 Neonazis auf dem Löhner Bahnhof kurzzeitig gestrandet. Der Grund: Die Bauarbeiten der Bahn.

Wegen der Baustelle fahren die Regional-Express-Züge zur Zeit nicht durchgängig zwischen Bielefeld und Hannover. Und so heißt es "Löhne umsteigen". Die Neonazis waren auf dem Weg zu einer Kundgebung nach Bielefeld. Sie sollte bis gegen 22 Uhr dauern.

Die Neonazis kamen gegen 18 Uhr auf dem Löhner Bahnhof in einem Zug aus Richtung Hannover an und fuhren um 18.42 Uhr weiter nach Bielefeld. Sie waren von einer Kundgebung aus dem niedersächsischen Bad Nenndorf nach Ostwestfalen gekommen. Ursprünglich wollten die Rechtsextremen den Tag in Bielefeld beenden. Weil die Kundgebung dort aber nicht zustande kam, reiste die rechte Gruppe kurz nach der Ankunft in Bielefeld wieder ab und landete erneut gegen 21 Uhr in Löhne.

"Der Aufenthalt verlief störungsfrei", sagte Dienstgruppenleiter Klaus Flütmann von der Bundespolizei aus Münster. Etwa 110 Bundespolizisten waren auch in Löhne im Einsatz. Die Bundespolizei setzt auf starke Präsenz, um Ausschreitungen zu verhindern. "Die Neonazis sind nicht gerne gesehen", sagt Flütmann. Und da könne es auch schon auf dem Weg zu geplanten Kundgebungen zu Problemen kommen.

Nach Aussagen von Zeugen haben die Neonazis vor dem Bahnhof aber rechte Parolen gegrölt. "Die habe ich auch gehört", sagte Kerstin Müller, die mit den Rechten im selben Zug saß. "Im Zug ist mir nichts aufgefallen."

Als die Gruppe wieder aus Bielefeld angekommen auf den Anschlusszug wartete, wurde sie von der Bundespolizei teilweise bis zum Busbahnhof gedrängt. Die Neonazis waren auch mit weißen Stöcken bewaffnet, die an Besenstiele erinnern. "Die wirkten bedrohlich, wurden aber nicht eingesetzt", so ein Zeuge. Auf dem Bielefelder Bahnhof war es nicht so friedlich geblieben. Dort hatte es Tumulte zwischen den Rechtsextremen und der Polizei gegeben. Nach Angaben von Augenzeugen setzten die Beamten auch Schlagstöcke und Reizgas ein.

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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:

Kommentar

Die Polizei wertet ihren Einsatz als Erfolg - zu Recht. Ihr Konzept der Deeskalation ist aufgegangen.

Neonazis und Gegen-Demonstranten hatten nie eine Chance, aufeinander loszugehen. Nur verbal bekämpften sie sich. Die Einsatzkräfte handelten besonnen. Und als die Situation im Bahnhof für einen Moment aus dem Ruder zu laufen drohte, griff die Polizei entschlossen ein. Abgesehen von dem kurzeitigen Schlagstockeinsatz kamen keine Menschen zu Schaden. Lediglich eine brennende Mülltonne, zwei Strafanzeigen wegen Beleidigung und Sachbeschädigung an einem Auto verzeichnet der Polizeibericht.

Das massive Aufgebot an Einsatzkräften, dem Vernehmen nach bis zu 1.000 Polizisten, verhinderte Schlimmeres. Und die 500 Gegen-Demonstranten haben ein klares Zeichen gesetzt, dass in Bielefeld für Rechtsextreme kein Platz ist.

Matthias Band

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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:

Mahnwache und Kundgebung / Oberbürgermeister: "Deutliches Zeichen für Frieden"

Bielefeld (mba). Die Mahnwache und die Kundgebung hat Oberbürgermeister Pit Clausen als "deutliches Zeichen für Frieden und Mitmenschlichkeit und gegen jede rassistische und menschenfeindliche Ideologie" bezeichnet.

Auf dem Bahnhofsvorplatz hatten sich etwa 500 Menschen versammelt, um an die 590 jüdischen Bürger zu erinnern, die am 31. Juli 1942 vom Hauptbahnhof aus von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden waren.

An der Pauluskirche demonstrierten weitere 100 Bürger unter dem Motto "Für eine tolerante und weltoffene Stadt". Matthias Blomeier, Sozialpfarrer des evangelischen Kirchenkreises Bielefeld, sagte, dass die Propagandaversuche der Nazis nicht unkommentiert stehen bleiben dürften. Er forderte die Bielefelder dazu auf, sich einzumischen. Blomeier: "Rassisten und Neonazis haben hier nichts zu suchen." Schweigen und Wegschauen würden als Zustimmung gewertet.

Bildunterschrift: Mit Transparenten und Fahnen demonstrieren knapp 500 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz. Auch eine Mahnwache zum Gedenken an die deportierten jüdischen Menschen ist Teil des friedlichen Protests.

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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 08.08.2011:

Demonstranten blockieren Neonazis / Massiver Polizeieinsatz verhindert Aufeinandertreffen beider Gruppen - Zwischenfall in der Bahnhofshalle

Von Matthias Band und Thomas F. Starke (Fotos)

Bielefeld (WB). Etwa 500 Menschen haben am Samstag friedlich gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Bielefeld demonstriert. Mit einer Blockade der Nahariyastraße versperrten sie den knapp 200 aus Bad Nenndorf angereisten Rechtsextremen den Weg und verhinderten so eine Kundgebung gegen das linke Arbeiter-Jugend-Zentrum (AJZ).

Polizei und Bundespolizei setzten mehrere Hundertschaften ein, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu unterbinden. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste permanent über dem Bahnhof. Die Neonazis reisten gegen 20 Uhr unverrichteter Dinge wieder ab, kündigten aber an, am 24. Dezember wiederkommen zu wollen.

Waren zuvor Mahnwache und Gegen-Demonstration sowie die Ankunft der Rechtsextremen friedlich verlaufen, ereignete sich jedoch auf dem Rückweg der Neonazis zum Bahnsteig ein Zwischenfall. Augenzeugenberichten zufolge kam es zu Zusammenstößen zwischen Rechtsextremen und Polizisten. Die Polizei bestätigte gestern den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Offenbar wollten einige Neonazis provozieren und nicht weitergehen, als sie die Bahnhofshalle betreten hatten. Die Einsatzkräfte hatten die Lage aber nach wenigen Minuten wieder im Griff.

Bereits um 15.30 Uhr hatte sich der Bahnhofsvorplatz mit zahlreichen Menschen gefüllt, die ein Zeichen gegen den Aufmarsch der Rechtsradikalen setzen wollten. Eine halbe Stunde später begann eine Mahnwache zum Gedenken an die während des Zweiten Weltkriegs vom Hauptbahnhof deportierten jüdischen Menschen. Zu der Mahnwache hatten Parteien, Kirchen und Gewerkschaften aufgerufen.

Neben Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) nahmen auch mehrere Landtags- und Bundestagsabgeordnete an der Mahnwache sowie an einer Kundgebung (siehe Text unten) vor der Pauluskirche teil. "Heute stehen wir zusammen für eine klare Botschaft: Wir wollen keine Nazis in Bielefeld. Nazis sind hier nicht willkommen. Nazis raus aus unserer Stadt", sagte Clausen. In Bielefeld, wo Menschen aus 150 Nationen lebten, sei "kein Platz für Hassprediger".

Gegen 17 Uhr stand fest, dass mehr als 200 Rechtsextreme im Regional-Express nach Bielefeld unterwegs waren. Sie hatten zuvor in Bad Nenndorf an einem "Trauermarsch für die Opfer der alliierten "Befreier"" teilgenommen, den die Rechtsradikalen dort einmal im Jahr durchführen. In dem Ort nahe Hannover hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Internierungslager eingerichtet, in dem NS-Kriegsverbrecher inhaftiert waren. Nach Polizeiangaben demonstrierten in Bad Nenndorf 900 Menschen gegen den Aufmarsch von 700 Rechtsextremen.

In Bielefeld begann die Polizei gegen 17.30 Uhr damit, den Bahnhofsvorplatz abzusperren. Eine halbe Stunde später setzte sich ein Teil der Demonstranten Richtung Pauluskirche zur Kundgebung in Bewegung. Der Großteil harrte aber am Hauptbahnhof aus, um die Ankunft der Rechtsextremen nicht zu verpassen.

Gegen 19 Uhr erreichten die Neonazis Bielefeld. Weil sich die Gegen-Demonstranten noch auf dem Bahnhofsvorplatz befanden, entschloss sich die Polizei, die Rechtsextremen über einen Nebenausgang an der Radstation vom Bahnhof zu geleiten. Als die Gegen-Demonstranten davon Wind bekamen, liefen sie an der Stadthalle vorbei und blockierten die Nahariyastraße. Die Einsatzleitung entschied daraufhin, die Neonazis nicht weitergehen zu lassen.

Beide Lager standen sich in 150 Metern Entfernung gegenüber, in der Mitte die Polizei. Sie bot den Neonazis an, ihre Kundgebung an der Radstation abzuhalten, weil sie die Rechtsradikalen offenbar nicht an den Gegen-Demonstranten vorbeiführen wollte. Das lehnten die Neonazis aber ab und entschlossen sich, wieder abzureisen.

Die Gegen-Demonstranten werteten ihren Protest als Erfolg. Die Bielefelderin Anja Pappert: "Es ist gut, dass die Anti-Demo es geschafft hat, die Nazis aus der Stadt rauszuhalten. Bielefeld hat ein Zeichen gesetzt, dass wir sie hier nicht haben wollen."

Bildunterschrift: Gegen 20 Uhr steigen die meisten der 200 Rechtsextremen am Bielefelder Hauptbahnhof in den bereits gut gefüllten Regional-Express Richtung Düsseldorf ein. Ein Großaufgebot der Polizei versperrt den Rückweg auf den Bahnsteig.

Bildunterschrift: Marcus Winter aus Minden spricht mit einem Polizisten. Winter hatte den Neonazi-Aufmarsch in Bielefeld organisiert.

Bildunterschrift: Gut 400 Demonstranten blockieren die Nahariyastraße. Polizisten halten sie in Schach, damit sie nicht mit den Neonazis in Kontakt kommen.

Bildunterschrift: Weil der Bahnhofsvorplatz blockiert ist, ziehen die knapp 200 Neonazis über die Gleise zu einem Nebenausgang an der Radstation.

Bildunterschrift: Weil die Mahnwache am Bahnhof nur bis 17 Uhr erlaubt war, droht die Polizei per Megaphon damit, den Platz räumen zu lassen.

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Westfalen-Blatt, 08.08.2011:

500 Demonstranten blockieren Neonazis / Massiver Polizeieinsatz verhindert Aufeinandertreffen beider Gruppen

Von Matthias Band

Bielefeld (WB). Etwa 500 Menschen haben am Samstag friedlich gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Bielefeld demonstriert.

Mit einer Blockade am Hauptbahnhof versperrten sie den knapp 200 aus Bad Nenndorf angereisten Rechtsextremen den Weg und verhinderten so eine Kundgebung gegen ein linksorientiertes Arbeiter-Jugend-Zentrum (AJZ). Polizei und Bundespolizei setzten mehrere Hundertschaften ein, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu unterbinden. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste permanent über dem Bahnhof. Die Neonazis reisten gegen 20 Uhr unverrichteter Dinge wieder ab, kündigten aber an, am 24. Dezember wiederkommen zu wollen.

Waren zuvor Mahnwache und Gegen-Demonstration sowie die Ankunft der Rechtsextremen friedlich verlaufen, ereignete sich jedoch auf dem Rückweg der Neonazis zum Bahnsteig ein Zwischenfall. Augenzeugenberichten zufolge kam es zu Zusammenstößen zwischen Rechtsextremen und Polizisten. Die Polizei bestätigte gestern den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Offenbar wollten einige Neonazis provozieren und nicht weitergehen, als sie die Bahnhofshalle betreten hatten. Die Einsatzkräfte hatten die Lage aber nach wenigen Minuten wieder im Griff.

"In Bielefeld ist kein Platz für Hassprediger."
Pit Clausen, Oberbürgermeister

Bereits um 16 Uhr hatte eine Mahnwache zum Gedenken an die während der NS-Zeit deportierten jüdischen Menschen begonnen. Zu Mahnwache und Kundgebung hatten Parteien, Kirchen und Gewerkschaften aufgerufen. "Heute stehen wir zusammen für eine klare Botschaft: Wir wollen keine Nazis in Bielefeld. Nazis sind hier nicht willkommen. Nazis raus aus unserer Stadt", sagte Oberbürgermeister Pit Clausen. In Bielefeld, wo Menschen aus 150 Nationen lebten, sei "kein Platz für Hassprediger".

Gegen 19 Uhr erreichte der Regional-Express mit den Rechtsextremen Bielefeld. Sie hatten zuvor in Bad Nenndorf an einem "Trauermarsch für die Opfer der alliierten "Befreier"" teilgenommen. In dem Kurort nahe Hannover, in dem sich 900 Menschen zu einer Protestkundgebung gegen die Neonazis versammelten, hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Internierungslager für NS-Kriegsverbrecher eingerichtet.

Weil sich ein Großteil der Gegen-Demonstranten noch am Bahnhof befand, als die Neonazis eintrafen, geleitete die Polizei die Rechtsextremen über einen Nebenausgang an der Radstation vom Bahnhof. Die Gegen-Demonstranten blockierten daraufhin die nahegelegene Nahariyastraße. Die Einsatzleitung ließ die Neonazis nun nicht mehr weiterziehen. Sie bot ihnen an, ihre Kundgebung an der Radstation abzuhalten. Das lehnten diese aber ab und reisten ab.

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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 08.08.2011:

Nazi-Aufmarsch verhindert / Polizei und Demonstranten lassen Marcus Winter und seinen Gefolgsleuten keine Chance

Bielefeld (sp). Weit kamen sie nicht, und am Ende standen sie im Regen: Etwa 150 Rechtsextremisten sind am Samstag von Polizisten und Gegendemonstranten an ihrem geplanten Zug durch die Bielefelder Innenstadt gehindert worden. Bei ihrer Abreise kam es zu Auseinandersetzungen und einer Provokation. Ein Protokoll.

16.14 Uhr: Auf der Mahnwache vor dem Bielefelder Hauptbahnhof verliest ein Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft die Namen der vom Nazi-Regime aus Bielefeld deportierten Juden. Etwa 500 Demonstranten sind erschienen. Noch steht nicht fest, wie viele Neonazis aus Bad Nenndorf nach Bielefeld kommen werden. Die Polizei ist mit mehreren hundert Beamten im Einsatz.

16.51 Uhr: Zahlreiche Politiker beteiligen sich an der Mahnwache. Der Landtagsabgeordnete Günter Garbrecht (SPD) sagt: "Ein starkes Signal unserer Stadtgesellschaft, dass so viele Leute erschienen sind."

17.34 Uhr: Die Mahnwache war bis 17 Uhr genehmigt worden, noch aber stehen hunderte Demonstranten vor dem Bahnhof. Die Polizei beginnt, den Platz vor dem Eingang mit Bullis abzusperren, und fordert die Demonstranten auf, die Versammlung aufzulösen. Die zeigen sich unbeeindruckt und antworten mit einem gellenden Pfeifkonzert auf die Durchsagen.

17.49 Uhr: Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass rund 150 Rechtsextremisten mit dem Zug auf dem Weg nach Bielefeld sind. Die Mehrheit der Demonstranten harrt weiter vor dem Bahnhof aus, während Oberbürgermeister Pit Clausen bei einer Kundgebung an der Pauluskirche vor 200 Teilnehmern das breite Bündnis gegen den braunen Aufmarsch lobt.

18.22 Uhr: Unmittelbar vor dem Bahnhofseingang dürfen sich jetzt nur noch Zugreisende aufhalten. Die Demonstranten stehen in einem Halbkreis vor dem Bahnhof. Vereinzelt skandieren sie Parolen, einige Polizisten haben sich Helme und Körperpanzer angezogen. Jeder weiß nun, dass die Neonazis gegen 19 Uhr mit dem Regionalexpress in Bielefeld eintreffen werden.

18.59 Uhr: Ankunft der Rechtsextremisten auf Gleis 1. Beamte der Bundespolizei nehmen die Gruppe in Empfang und umzingeln sie, die Stimmung ist aggressiv. Auf dem Bahnsteig gegenüber haben sich Gegendemonstranten in Stellung gebracht, beide Gruppen beschimpfen sich.

19.10 Uhr: Bundespolizisten eskortieren die etwa 150 Rechtsextremisten über Gleis 1 nördlich vom Bahnhofsgelände. Es regnet, die Gruppe kommt vor der Radstation zum Stehen. Ab hier sollen die Landespolizisten übernehmen, doch dazu kommt es nicht. Die Nahariyastraße unweit des Bahnhofs wird zwischen Post und Parkhaus von Gegendemonstranten blockiert.

19.35 Uhr: Die Neonazis stehen in Sichtweite der Gegendemonstranten und dürfen nicht weiterziehen. Eine Auflösung der - nicht genehmigten - Blockade ist der Polizei zu riskant. Daher wird dem Organisator des rechten Aufmarsches, Marcus Winter, angeboten, eine Kundgebung vor Ort abzuhalten. Dieser lehnt ab, erklärt die Versammlung für beendet und kündigt für Heiligabend eine neue Demonstration in Bielefeld an.

20.01 Uhr: Die Rechtsextremisten werden zurück zum Bahnhof gebracht. Plötzlich lösen sich einige Neonazis in der Bahnhofshalle aus der Gruppe, die Polizei verliert für einen kurzen Moment ihre Ordnung. Es kommt zu Tumulten, Wasserflaschen fliegen, die Polizei setzt Reizgas und Schlagstöcke ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

20.30 Uhr: Die Rechtsextremisten sind auf dem Weg nach Hause. Die Polizei rückt ab und meldet noch den Brand einer Mülltonne. Dann ist der braune Spuk vorüber.

Bildunterschrift: Großeinsatz vor dem Bielefelder Bahnhof: 500 Gegendemonstranten und hunderte Polizisten hinderten die Neonazis am Aufmarsch.

Party-Meile in Bad Nenndorf

Bevor die Neonazis am Samstagabend nach Bielefeld kamen, hatten sie bereits im niedersächsischen Bad Nenndorf demonstriert - mit einem "Trauerzug" vor einem Gebäude, in dem nach Kriegsende deutsche Gefangene verhört und interniert worden waren. 640 Rechtsextremisten folgten dem Aufruf, doch von Trauer war in dem kleinen Kurstädtchen wenig zu spüren.

1.000 Menschen demonstrierten unter dem Motto "Bunt statt Braun" friedlich gegen die Rechtsextremisten. Dem "Trauermarsch" setzten die Bürger ein fröhliches Programm entgegen, Paare tanzten Walzer im Freien, Straßen wurden zu Party-Meilen. SPD-Bürgermeister Bernd Reese sagte, seine Stadt gebe damit "ein Signal gegen die Verdummung von Rechts." (sp)

Bildunterschrift: Bunte Mahnwache: Vor dem Bahnhof versammelten sich mehr als 500 Menschen, um friedlich gegen den Aufmarsch der Rechtsextremisten zu demonstrieren. Die Polizei riegelte den Bereich vor dem Bahnhof mit Bullis ab.

Bildunterschrift: Vor der Radstation gestoppt: Der Organisator des Neonazi-Aufmarsches, Marcus Winter (Mitte), und seine Gefolgsleute.

Bildunterschrift: Abfahrt: Erst nach einiger Zeit gelingt es der Polizei, die Neonazis zurück zum Bahnsteig zu drängen.

Bildunterschrift: Konsequenter Einsatz: Bundespolizisten drängen die Neonazis zurück und kreisen sie vor dem Reisezentrum in der Bahnhofshalle ein. Sie setzen Reizgas und Schlagstöcke ein, die Rechtsextremisten werfen mit Flaschen.

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Neue Westfälische, 08.08.2011:

Nazi-Aufmarsch verhindert / Polizei und Demonstranten lassen Marcus Winter und seinen Gefolgsleuten keine Chance

Bielefeld (sp). Weit kamen sie nicht, und am Ende standen sie im Regen: Etwa 150 Rechtsextremisten sind am Samstag von Polizisten und Gegendemonstranten an ihrem geplanten Zug durch die Bielefelder Innenstadt gehindert worden. Bei ihrer Abreise kam es zu Auseinandersetzungen und einer Provokation. Ein Protokoll.

16.14 Uhr: Auf der Mahnwache vor dem Bielefelder Hauptbahnhof verliest ein Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft die Namen der vom Nazi-Regime aus Bielefeld deportierten Juden. Etwa 500 Demonstranten sind erschienen. Noch steht nicht fest, wie viele Neonazis aus Bad Nenndorf nach Bielefeld kommen werden. Die Polizei ist mit mehreren hundert Beamten im Einsatz.

16.51 Uhr: Zahlreiche Politiker beteiligen sich an der Mahnwache. Der Landtagsabgeordnete Günter Garbrecht (SPD) sagt: "Ein starkes Signal unserer Stadtgesellschaft, dass so viele Leute erschienen sind."

17.34 Uhr: Die Mahnwache war bis 17 Uhr genehmigt worden, noch aber stehen hunderte Demonstranten vor dem Bahnhof. Die Polizei beginnt, den Platz vor dem Eingang mit Bullis abzusperren, und fordert die Demonstranten auf, die Versammlung aufzulösen. Die zeigen sich unbeeindruckt und antworten mit einem gellenden Pfeifkonzert auf die Durchsagen.

17.49 Uhr: Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass rund 150 Rechtsextremisten mit dem Zug auf dem Weg nach Bielefeld sind. Die Mehrheit der Demonstranten harrt weiter vor dem Bahnhof aus, während Oberbürgermeister Pit Clausen bei einer Kundgebung an der Pauluskirche vor 200 Teilnehmern das breite Bündnis gegen den braunen Aufmarsch lobt.

18.22 Uhr: Unmittelbar vor dem Bahnhofseingang dürfen sich jetzt nur noch Zugreisende aufhalten. Die Demonstranten stehen in einem Halbkreis vor dem Bahnhof. Vereinzelt skandieren sie Parolen, einige Polizisten haben sich Helme und Körperpanzer angezogen. Jeder weiß nun, dass die Neonazis gegen 19 Uhr mit dem Regionalexpress in Bielefeld eintreffen werden.

18.59 Uhr: Ankunft der Rechtsextremisten auf Gleis 1. Beamte der Bundespolizei nehmen die Gruppe in Empfang und umzingeln sie, die Stimmung ist aggressiv. Auf dem Bahnsteig gegenüber haben sich Gegendemonstranten in Stellung gebracht, beide Gruppen beschimpfen sich.

19.10 Uhr: Bundespolizisten eskortieren die etwa 150 Rechtsextremisten über Gleis 1 nördlich vom Bahnhofsgelände. Es regnet, die Gruppe kommt vor der Radstation zum Stehen. Ab hier sollen die Landespolizisten übernehmen, doch dazu kommt es nicht. Die Nahariyastraße unweit des Bahnhofs wird zwischen Post und Parkhaus von Gegendemonstranten blockiert.

19.35 Uhr: Die Neonazis stehen in Sichtweite der Gegendemonstranten und dürfen nicht weiterziehen. Eine Auflösung der - nicht genehmigten - Blockade ist der Polizei zu riskant. Daher wird dem Organisator des rechten Aufmarsches, Marcus Winter, angeboten, eine Kundgebung vor Ort abzuhalten. Dieser lehnt ab, erklärt die Versammlung für beendet und kündigt für Heiligabend eine neue Demonstration in Bielefeld an.

20.01 Uhr: Die Rechtsextremisten werden zurück zum Bahnhof gebracht. Plötzlich lösen sich einige Neonazis in der Bahnhofshalle aus der Gruppe, die Polizei verliert für einen kurzen Moment ihre Ordnung. Es kommt zu Tumulten, Wasserflaschen fliegen, die Polizei setzt Reizgas und Schlagstöcke ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

20.30 Uhr: Die Rechtsextremisten sind auf dem Weg nach Hause. Die Polizei rückt ab und meldet noch den Brand einer Mülltonne. Dann ist der braune Spuk vorüber.

Bildunterschrift: Großeinsatz vor dem Bielefelder Bahnhof: 500 Gegendemonstranten und hunderte Polizisten hinderten die Neonazis am Aufmarsch.

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Neue Westfälische, 08.08.2011:

Bielefelder stoppen Nazi-Aufmarsch

Bielefeld (nw). Ein breites gesellschaftliches Bündnis hat am Samstagabend in Bielefeld gegen einen Aufmarsch von 150 Rechtsextremisten protestiert. Unter dem Motto "Für eine tolerante und weltoffene Stadt" folgten nach Polizeiangaben etwa 800 Menschen dem Aufruf von Parteien, Gewerkschaften und Kirche zur friedlichen Gegendemonstration. Die Stadt und ihre Bewohner hätten ein unübersehbares und unüberhörbares Zeichen der Gegenwehr gesetzt, sagte Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) bei einer Kundgebung an der evangelischen Pauluskirche. Zuvor fand eine Mahnwache am Hauptbahnhof statt, wo ein Denkmal an die während der NS-Zeit deportierten jüdischen Menschen erinnert.

Bildunterschrift: Konfrontation: Marcus Winter, Organisator des rechten Aufmarsches, beschwert sich bei der Polizei über das frühe Ende.

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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 08.08.2011:

Kritik an Video-Anhörungen von Asylbewerbern

Bielefeld/Berlin. Die unter anderem in Bielefeld neu angewandte Praxis, die Asylbewerbern nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern per Videoübertragung über ihr Verfolgungsschicksal zu befragen, hat jetzt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, kritisiert. Mit dieses Praxis untergrabe die Bundesregierung die gebotene Sensibilität solcher Anhörungen und gefährde den Schutz der Antragsteller. Videoanhörungen gibt es außer in Bielefeld bislang in Dortmund, Braunschweig und Friedland. Seit November habe es bereits 140 solcher Anhörungen gegeben.

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Radio Hochstift, 08.08.2011:

Caritas kritisiert Flüchtlingsbetreuung

Der Caritasverband im Erzbistum Paderborn hält die Betreuung von Flüchtlingen für unzureichend. Aktuell gebe es in ganz Ostwestfalen kein einziges Beratungszentrum für Betroffene, die psychisch krank sind. Die Caritas schlägt vor, Beratungs-Netzwerke aufzubauen. Auch der Umzug aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine Privatwohnung könnte die Situation von Flüchtlingen verbessern - so der Paderborner Verband.

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info@hiergeblieben.de

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