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Schaumburger Nachrichten Online , 06.08.2011 :

Bad Nenndorf ist bunt / 1.200 demonstrieren friedlich gegen Neonazis

06.08.2011 - 19.37 Uhr

Bad Nenndorf (kcg). Laut, schrill, bunt: Mit kreativen Aktionen und einer zentralen Demonstration haben am Sonnabend rund 1.200 Menschen gegen den so genannten "Trauermarsch" protestiert, den Neonazis bereits zum sechsten Mal in der Kurstadt veranstaltet haben. Die Polizei schätzt die Zahl der Neonazis, die mit dem Zug nach Bad Nenndorf gekommen waren, auf etwa 640. Weitere Rechtsextreme reisten mit dem Auto an. Insgesamt sollen nach Angaben der "Trauermarsch"-Organisatoren 700 Rechtsextreme die Strecke vom Bad Nenndorfer Bahnhof zum Wincklerbad und zurück durch die Innenstadt marschiert sein. Das sind 300 weniger als im Vorjahr. Die Gegendemonstration wurde vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" und dem DGB organisiert.

Die Bad Nenndorfer haben es den "trauernden" Neonazis alles andere als leicht gemacht. Nach Ökumenischem Gottesdienst, Demonstration und Kundgebungen feierten zahlreiche Bürger kleine private Partys an der Bahnhofstraße - in unmittelbarer Nähe der uniform in weißen Hemden und schwarzen Hosen marschierenden Nazis. Geburtstagsfeier im Parkhotel, Berufsjubiläum im China-Restaurant und eine Party zum Hochzeitstag im Vorgarten: Die Feten ermöglichten den Protestlern, nahe an der Aufmarschstecke kund zu tun, dass Nazis in der Kurstadt nicht erwünscht sind. Auch in der Hindenburgstraße tanzten und feierten rund 30 Anwohner beim Straßenfest zu Musik. Geschützt wurden die Partys von einem Großaufgebot an Polizisten, die zuvor sicherstellten, dass alle Fest-Gäste durch die Polizeiabsperrungen zu ihren Party-Orten kamen. Zum Dank gab es dafür nach dem Nazi-Aufmarsch La-Ola-Wellen.

Unter Polizeischutz musste auch die Jüdische Gemeinde ihr Schabbat-Fest an der Bahnhofstraße feiern. Als die Neonazis vorbei marschierten, wurden sie mit Musik empfangen: "Hevenu schalom alechem" sangen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde gemeinsam mit Gästen. Am Wincklerbad machten es Vuvuzela-Klänge, ein Trillerpfeifkonzert und laute Rufe der Bad Nenndorfer den Rechtsextremen schwer, der Kundgebung zu folgen.

"Das fröhliche Bad Nenndorf gibt ein Signal gegen die Verdummung von Rechts", sagt Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese. Auch Jürgen Uebel, Sprecher des Nenndorfer Bündnisses gegen Rechtsextremismus, ist hochzufrieden mit den bunten und vielfältigen Protest. Die Atmosphäre bei den Partys sei "sehr schön" gewesen, die Aktionen ein voller Erfolg. Nichtsdestotrotz seien viele Gäste bestürzt über den so genannten "Trauermarsch", vor allem darüber, dass so viele junge Leute mitmarschierten.

Nach Auskunft der Polizei hat es keine nennenswerten Störungen oder Ausschreitungen gegeben. Doch trotz eines "insgesamt ruhigen Einsatzverlaufes" hätten die Einsatzkräfte mehrfach eingreifen müssen, erklärte Einsatzleiter Frank Kreykenbohm. Beispielsweise als am Morgen knapp 150 mit Bussen angereiste Gegendemonstranten im Bereich Horster Straße versuchten, die Kontrollstellen zu umgehen. Eine Sprecherin des Bündnisses "NS-Verherrlichung stoppen" erklärte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass sie gemeinsam mit weiteren Aktivisten fünfeinhalb Stunden an einer Polizeiabsperrung aufgehalten worden sei.

Robert Kruse, Präsident der der Polizeidirektion Göttingen, lobte den friedlichen Protest der Bad Nenndorfer Bürger. "Es ist gelungen, ein Zeichen zu setzen für Demokratie und gegen jede Form extremistischer Gewalt."

Ausführliche Berichterstattung über die Protest-Aktionen und den Nazi-Aufmarsch lesen Sie in der SN-Ausgabe von Montag.

Bildunterschrift: Ein Trillerpfeifenkonzert und fröhlich feiernde Demonstranten erwarten die Neonazis auf der Aufmarschstrecke.


sn@madsack.de

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