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Lippe aktuell , 06.08.2011 :

Vier "Stolpersteine" in der Oberen Straße 26 verlegt / Gedanken an ermordete Juden

Barntrup (sf). 1990 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig den ersten "Stolperstein" in Köln - zur Erinnerung an die Deportation von 1.000 Sinti und Roma aus Köln. 1993 wuchs das Projekt. 1996 folgte eine illegale Verlegung in Berlin-Kreuzberg. Der Künstler ließ nicht locker. Die Verlegung wurde legalisiert und von da an ging es bergauf. Preise und Auszeichnung stapeln sich im Lebenslauf des 1947 in Berlin geborenen Künstlers - darunter der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und die Alternative Ehrenbürgerschaft der Stadt Köln. Nach langer, fast fünfjähriger Diskussion - Bürgermeister Herbert Dahle: "Wir haben uns schwer getan" - wurden am Dienstagmorgen auch in Barntrup Stolpersteine verlegt. Vier messingfarbene Steine erinnern jetzt vor dem Haus Buddeberg in der Oberen Straße 26 an die Deportation von Julie Katz, Emma Grünewald sowie Hermann und Berta Herzberg. Die Inschrift der Steine ebenso wie der Verlegeort erfolgt nach strengen, vom Künstler vorgegebenen Regeln. Es soll "der letzte frei gewählte Wohnort sein". Jeder Stein beginnt mit "Hier wohnte", "Hier lebte", "Hier lehrte", "Hier arbeitete" - eine Erinnerung an den Alltag in einer Gemeinschaft, die mit dem Beginn der Massenvernichtungen keine mehr war. 1942, so die Inschrift der Barntruper "Stolpersteine" endete diese Gemeinschaft für die vier jüdischen Mitbewohner, denen die Steine gewidmet sind, mit der Deportation nach Theresienstadt. Alle vier wurden ermordet. "Ermordet" ist das letzte Wort auf jedem der vier Barntruper "Stolpersteine" - vier von 30.000 europaweit, die längst nicht alle Namen erfassen.

Sie bewirkten bereits am Tag des Verlegens das, was der Künstler beabsichtigt: ein Gedenken im Alltag, eine Wiederholung der Namen, der Geschichten. Anlässlich der Verlegung und bei jedem Anblick ist die Erinnerung da. Die Erinnerung daran, dass Julie Katz - deren Verwandten die Flucht nach Amerika gelang -, Emma Grünewald, Hermann und Berta Katz, aufgefordert wurden, "am 27. Juli 1942 sich am Folgetag mit höchstens 25 Kilo Gepäck und Verpflegung für fünf Tage an der Barntruper Polizeiwache einzufinden". "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Gunter Demnig.

Mit seinem Kunstprojekt will er an den Namen und damit den Menschen dahinter erinnern.

Die Aktion "Stolpersteine" ist trotz der zahlreichen Auszeichnungen, die der Künstler dafür erhielt, umstritten. Die wohl wichtigste Kritik ist die von Charlotte Knobloch, der ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, die es als "unerträglich" empfand, dass auf den Steinen, die in das Pflaster eingelegt werden, und damit auf den Namen mit Füßen "herumgetreten" werde. Kritik oder Angst auch auf Seiten der Hausbesitzer, die eine Wertminderung ihrer Immobilie oder rechtsradikale Übergriffe fürchten. Wilhelm Buddeberg, Besitzer des Hauses, vor dem die vier "Stolpersteine" verlegt wurden, hatte keinerlei Bedenken. Er pflegt seit Jahren Kontakt zu den nach Amerika ausgewanderten Verwandten der ermordeten Julie Katz.

Bildunterschrift: Gespräch des Künstlers (rechts) mit Barntrups Bürgermeister Herbert Dahle (links) und Barntrups stellvertretendem Bürgermeister Dieter Kuhlemann (Mitte).

Bildunterschrift: Verlegte am Dienstagmorgen vier "Stolpersteine" zur Erinnerung an die Deportation jüdischer Bürger in Barntrup: der Kölner Künstler Gunter Demnig.


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