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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis) , 27.07.2017 :

AfD: SPD appelliert an Bürgermeister

Sommergespräch: Fraktion und Stadtverband wünschen sich gemeinsame Aktion gegen Rechtspopulismus - auch in Espelkamp / Sorgen wegen Trägerwechsel beim AWO-Kindergarten

Von Karsten Schulz

Espelkamp. SPD-Fraktionsvorsitzender Reinhard Bösch wurde sehr deutlich: "Was mich nach wie vor umtreibt, ist das Ergebnis der Alternative für Deutschland (AfD) zur Landtagswahl. Darauf müssen wir unbedingt reagieren. das darf nicht wieder - wie viele andere Themen auch - irgendwo in der Versenkung verschwinden." Schließlich habe diese Partei in Espelkamp das beste Ergebnis einer Kommune in ganz Nordrhein-Westfalen erzielt.

Es seien 1.075 Stimmen abgegeben worden. Und damit wäre diese politische Kraft bei einer Kommunalwahl als drittstärkste Fraktion in den Espelkamper Rat eingezogen.

Während der SPD-Sommerkonferenz, zu der Fraktion und Stadtverband die Medienvertreter jetzt eingeladen hatten, zogen die Genossen Bilanz und gaben gleichzeitig einen Ausblick auf die bevorstehende zweite Jahreshälfte. Bösch: "Ich weiß genau, dass die AfD hier in Espelkamp Fuß fassen möchte. Und bei diesem Wahlergebnis zur Landtagswahl haben sie sicherlich auch gute Chancen bei den bevorstehenden Wahlen." Er appellierte an Bürgermeister Heinrich Vieker, mit allen anderen Parteien zusammen einen Aufruf gegen Rechtspopulismus zu starten.

Stadtverbandsvorsitzender Jens Bölk erinnert in diesem Zusammenhang an den SPD-Neujahrsempfang, wo das Thema Parallel-Gesellschaften im Mittelpunkt stand. Die Sozialdemokraten hatten sich darüber gefreut, dass viele Gäste erschienen sind, die nicht Mitglied der SPD seien. Wie wichtig diese Thematik insgesamt für Espelkamp sei merke man an den Entwicklungen in den Wohngebieten und bei den Schulen. Grundsätzlich gebe es das Problem, dass man mit "einer bestimmten Personengruppe nur sehr schwer bis gar nicht in Kontakt kommen kann", bestätigten die anwesenden Sozialdemokraten. Aus diesem Grunde gestalte sich auch die Quartiersentwicklung als "sehr, sehr schwierig".

"Viele Kinder haben keinen Kontakt mehr zur Gesellschaft"

Auch da gebe es ein Beispiel aus neuerer Zeit. Nach Meinung der SPD hätte es nicht zum Trägerwechsel beim AWO-Kindergarten "Purzelbaum" kommen müssen, der jetzt vom Christlichen Schulverein Minden betrieben wird (die NW berichtete mehrfach). Auch wenn es sich hier um einen liberalen Trägerverbund handele, so die SPD, bestehe die Gefahr, dass die Kinder bestimmter Gruppierungen aus dem mennonitisch-baptistischen Umfeld "keinen Kontakt bekommen zur allgemeinen Gesellschaft". Nach dem Kindergarten kommen sie in eine entsprechende Grundschule, die ebenfalls von einem christlichen Trägerverein betrieben werde und anschließend besuchten sie eine weiterführende Schule.

So habe sich auch die gesamte Schullandschaft aus SPD-Sicht insgesamt gesehen "nicht sehr positiv entwickelt". André Stargardt wies ausdrücklich darauf hin, dass man beim Umbau der Waldschule von einer Haupt- zu einer Grundschule "genau auf die Kostenentwicklung achten wird". "Es darf nicht sein, dass wir - wie bei der Mittwaldschule, nachher die doppelten Kosten zu zahlen haben." Etwas Sorgen machen sich die Sozialdemokraten über dir rückläufigen Zahlen bei der Ev. Sekundarschule Espelkamp. Auch hier würden viele potenzielle Schüler durch die Realschule abgezogen, die vom christlichen Trägerverein "Senfkorn" betrieben wird. Reinhard Bösch macht darauf aufmerksam, dass sich bei den Johannes-Daniel-Falk-Schulen inzwischen ein geschlossenes System entwickelt habe. Geradezu "erschreckend" sei das von Schulleiter Pauls in der jüngsten Schulausschuss-Sitzung erwähnte Auswahlverfahren. Inzwischen könnte sowohl an der Grund- wie auch an der Realschule ein dritter Zug eröffnet werden. Immer mehr Eltern beabsichtigten offensichtlich ihre Kinder nicht mehr auf staatliche oder sogar landeskirchliche Schulen zu schicken. Im kommenden Jahr besitze Espelkamp im übrigen keine staatliche weiterführende Schule mehr, darauf wiesen die Genossen ausdrücklich hin.

Auf wenigstens eine positive Entwicklung wollten sie dennoch am Schluss hinweisen: Auf der Südschiene habe man jetzt in jedem der drei Dörfer eine stabile Eingangsklasse sichern können.

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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis), 17.05.2017

AfD denkt über Ortsgruppengründung nach

Espelkamp (Kas). Die Ergebnisse der Alternative für Deutschland (AfD) sowohl bei Erst- wie auch Zweitstimmen bei der Landtagswahl (die NW berichtete) scheinen so gut zu sein, dass die am rechten politischen Rand angesiedelte Partei über die Gründung eines Ortsvereines nachdenkt. Das postete jetzt Spitzenkandidat Jan Aussieker in die Facebook-Gruppe "Espelkamp Hier geht was". Zitat: "Bei meiner Erststimme habe ich einen Spitzenwert von über 18 Prozent. Bei der Zweitstimme sogar von über 20 Prozent. Ich denke, in Espelkamp keinen Ortsverband zu gründen, würde nicht im Sinne der Wähler sein."

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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis), 16.05.2017:

Rechtspopulisten auf dem Vormarsch

Landtagswahl-Analyse: In keinem Ort des Kreisgebietes ist der AfD-Zweitstimmen-Anteil höher / Wahlbeteiligung etwas höher als 2012 / SPD verliert deutlich, CDU nur marginal

Von Karsten Schulz

Espelkamp. Der ganze Kreis und wahrscheinlich sogar ganz Ostwestfalen-Lippe blicken in diesen Tagen nach Espelkamp. Dort hat die Alternative für Deutschland (AfD) ihr bestes Ergebnis eingefahren. Nur in den Brennpunktstädten des Ruhrgebietes wie in Gelsenkirchen II (15,2 Prozent), "Duisburg IV - Wesel V" (14,6 Prozent) und Gelsenkirchen I (14,1 Prozent) erzielten die Rechtspopulisten höhere Ergebnisse. Mit elf Prozent oder 1.074 Zweitstimmen sowie 773 Erststimmen für Jan Aussieker ist dieses Ergebnis klar der Ausreißer in der Region. Nur in Pr. Oldendorf hat die Rechtsaußen-Partei mit über sieben Prozent Zweitstimmen-Anteil ein annähernd gutes Ergebnis eingefahren. Deutlich schlechter ist ihr Ergebnis im kleinen Stemwede, wo sie auf nur 5,3 Prozent kommt.

Schaut man sich in Espelkamp genauer um und untersucht die Ergebnisse der einzelnen Stimmlokale so wird eins wieder deutlich: In den Bezirken der Kernstadt ist traditionell der CDU-Anteil wieder sehr hoch und der von der SPD traditionell sehr niedrig. Neu ist bei dieser Landtagswahl nur, dass dort, wo viele Spätaussiedler wohnen, auch der AfD-Anteil außergewöhnlich hoch ist. Das trifft insbesondere den Bezirk "Schule im Erlengrund", wo im ersten Stimmbezirk die AfD einen Anteil von 23,5 Prozent erzielte. Das müsste eines der besten Ergebnisse dieser Gruppierung auf Landesebene überhaupt sein. Im Stimmbezirk Ludwig-Steil-Hof gibt es eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Dort sind nur 26,50 Prozent aller Wahlberechtigten überhaupt an die Urnen gegangen. Auch hier liegt der AfD-Anteil unverhältnismäßig hoch und erreicht über 15 Prozent. Das gilt auch für den Stimmbezirk Berufsfortbildungswerk, wo die AfD 85 Stimmen erhielt und die SPD gerade einmal 42, die CDU bringt es auf 218 Stimmen.

Insgesamt gesehen hat die SPD im Vergleich zur Landtagswahl 2012 noch einmal fünf Prozent an Zweitstimmen eingebüßt. Sie erreichte 29,03 Prozent. Dagegen verlor die CDU nur marginal und kommt auf 39,45 Prozent, macht allerdings in diesem Fall nicht den positiven Landestrend mit. Voll im Trend sind die gut acht Prozent der FDP.

Leicht verbesserte sich die Wahlbeteiligung, was wahrscheinlich auch der AfD zugute kam. Die SPD-Hochburgen bleiben Isenstedt-West, Isenstedt-Ost, Frotheim-West und Frotheim-Ost. In den Dörfern Espelkamps normalisiert sich auch der AfD-Anteil auf die Prozentzahlen, die die Partei im Landesdurchschnitt erhält. Sie liegen zwischen fünf und sieben Prozent. Immer stärker zeigt es sich, dass sich die Kernstadt mit ihrer Bevölkerungsstruktur von der übrigen Entwicklung abkoppelt.

Bildunterschrift: Das ausgewählte Wahllokal für die Wahl-Prognose: Im Wohnpark Mittwald passt Armin Weber auf, das alles mit rechten Dingen zugeht.

Kommentar / Landtagswahl / Ernüchternd

Von Karsten Schulz

In keiner anderen Stadt im Kreis Minden-Lübbecke und auch in Ostwestfalen-Lippe ist die Alternative für Deutschland (AfD) so stark geworden wie in Espelkamp. Und das ohne eigene Gruppierung vor Ort, ohne ein Gesicht. Wie soll das erst aussehen, wenn in gut drei Jahren Kommunalwahlen sind? Möglicherweise hat es dann die AfD hinbekommen, in ihrer Hochburg Espelkamp einen eigenen Ortsverein zu gründen und Ansprechpartner zu installieren. Möglicherweise kommen dann die Rechtspopulisten sogar auf 20 Prozent der Stimmen - Ergebnisse, wie man sie aus den ostdeutschen Bundesländern nur zu gut kennt. Da muss die heimische CDU wohl noch heftig aktiv werden, um auch diese Stimmen aufzufangen, ansonsten droht die Unregierbarkeit Espelkamps.

Man mag es sich kaum vorstellen, wenn die CDU mit Pauken und Trompeten ihre absolute Mehrheit verlieren würde.

Der hohe AfD-Anteil erklärt sich vor allem durch die Stimmbezirke mit großem Spätaussiedler-Wohnanteil. Der Versuch der CDU, durch Entgegenkommen in der Schulfrage diesen Anteil an sich zu binden, scheint angesichts des vorliegenden Ergebnisses nicht den gewünschten Erfolg gebracht zu haben.

karsten.schulz@nw.de


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