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junge Welt , 16.07.2004 :

Brauner Rattenfänger / Neonazi Rieger plant "nationale Tagungen" in Hameln

Reimar Paul

Nach dem Erwerb eines Gutshofes im Landkreis Verden sorgt der Hamburger Rechtsextremist und Anwalt Jürgen Rieger schon wieder für Schlagzeilen in Niedersachsen. In einem ihm schon länger gehörenden ehemaligen Kino in Hameln will er demnächst Konzerte und "nationale Tagungen" organisieren. Bereits im September soll der braune Liedermacher Frank Rennicke auftreten, kündigte Rieger jetzt an.

Der Stadt liegt bisher nur ein Antrag auf "Sondernutzung" des Gebäudes vor. Ein Veranstalter aus Hamburg hat dort für den 2. Oktober ein Tanzfest mit rund 200 Teilnehmern angemeldet. Die Verwaltung hat dafür noch keine Genehmigung erteilt. "Wir wollen zunächst herausfinden, ob der Antragsteller Verbindungen zu Rieger hat", sagt Pressesprecher Thomas Wahmes. Gleichzeitig werde der Antrag aber auch formal geprüft. Bei einem Ortstermin in der kommenden Woche mit Experten der Bauverwaltung geht es unter anderem um den Zustand der elektrischen Leitungen und mögliche Fluchtwege in dem Haus.

Rieger hatte das Kino 1999 erworben, den Mietvertrag mit dem Betreiber löste er später auf. Derzeit wird das Gebäude im Internet für 2,2 Millionen Euro zum Wiederverkauf angeboten. Solange es keinen Käufer gibt, will Rieger das Haus anderweitig nutzen, "um eine Rendite zu erzielen".

Das Landesamt für Verfassungsschutz hat bislang keine konkreten Hinweise, dass Rieger in Hameln politische Veranstaltungen plant. "Entwarnung können wir aber nicht geben", so Behördensprecherin Maren Brandenburger. Sie vermutet gleichwohl, "dass Rieger mehr ankündigt, als er in die Tat umsetzt".

Der Verband der Israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen mahnt indes zu Wachsamkeit gegen die angekündigten rechtsradikalen Umtriebe in Hameln. Riegers Aktivitäten seien "nicht allein das Problem von Juden, sondern müssen die gesamte Gesellschaft aufrütteln", so die Vorsitzende Katarina Seidler. Der Verband vertritt die liberalen jüdischen Gemeinden in Niedersachsen.

Jürgen Rieger (Jahrgang 1947) gilt seit Jahren als einer der führenden deutschen Neonazis. Schon als Jurastudent schloß er sich der "Aktion Oder-Neiße" und dem "Bund Heimattreuer Jugend" an. Rieger war Funktionär der NPD und der Wiking-Jugend. Seit 1972 ist er Vorsitzender der "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung", Leiter der "Völkischen Artengemeinschaft" sowie Herausgeber mehrerer rechtsextremistischer Zeitschriften.

Als Anwalt vertrat Rieger viele bekannte Rechtsradikale vor Gericht, darunter auch Michael Kühnen und Horst Mahler. Er wurde selbst mehrfach rechtskräftig verurteilt, unter anderem wegen Körperverletzung, Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Auf dem kürzlich in Dörverden erworbenen Gut sollen Forschungen zum Erhalt der "nordischen Rasse" betrieben werden. Offiziell erwarb Rieger, der auch in Schweden Ländereien und ein Haus besitzt, den Hof und das rund 26.000 Quadratmeter große ehemalige Bundeswehrgelände für die "Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd.". Ziel der in London registrierten Briefkastenfirma ist Auskunft Riegers gegenüber den Verdener Nachrichten die Fruchtbarkeitsforschung. Als Finanzier und Namensgeber fungiert der 2002 verstorbene Bremer Lehrer Wilhelm Tietjen, der mit Aktienspekulationen ein Vermögen gemacht haben soll.


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