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Neue Osnabrücker Zeitung , 22.07.2004 :

Flüchtlinge krank durch das Leben im Lager?

Bramsche (ln). "Durch das Leben in einer Sammelunterkunft wie der Landesaufnahmestelle in Hesepe verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Flüchtlinge." Zu diesem Ergebnis kommt die Bramscherin Magdalena Wille in ihrer Diplomarbeit im Fachbereich Sozialwesen der Osnabrücker Katholischen Fachhochschule Norddeutschland.

Die Landesaufnahmestelle kannte die 24-Jährige, die zurzeit ihr Berufsanerkennungsjahr bei der Stadtjugendpflege absolviert, durch ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit schon bevor sie sich wissenschaftlich mit dem Thema auseinander setzte. Dabei hatte die Bramscherin die Lebenssituation als bedrückend empfunden. Statt aber immer neue Vermutungen anzustellen, beschloss sie, das Flüchtlingsleben wissenschaftlich zu untersuchen. "Ich wollte wissen, was passiert mit den Leuten, wenn sie hier drei Monate oder noch viel länger leben."

Das Ergebnis der von Professor Joachim Thörnessen betreuten Arbeit stimmt nachdenklich: Psychische und indirekt auch körperliche Krankheiten werden danach durch die Überforderung der Menschen in der Landesaufnahmestelle ausgelöst oder verstärkt.

Die Fremdbestimmung der Asylbewerber ist nach dem Ergebnis der Abschlussarbeit in der zentralen Unterbringung besonders hoch und bedingt die analysierten Krankheiten. Die Rundumversorgung erhöhe dabei noch den Stress, weil die Selbstbestimmung allein schon durch vorgegebene Kantinenzeiten eingeschränkt sei. Der geringe zur Verfügung stehende Bargeldbetrag schränke die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung zusätzlich ein. Außerdem fühlten sich die Bewohner während des Untersuchungszeitraums in der freien Wahl eines Arztes zumindest subjektiv sehr eingeschränkt.

Ein weiterer Stressfaktor sei das Gefühl "in einem geschlossenen System ständig unter Kontrolle zu stehen". Hilfeleistung innerhalb dieses Systems beschreibt Wille als schwierig. Da die von Wille befragten Personen die Ausländerbehörde als negativ erlebt hatten, falle es ihnen schwer, die Vertrauen zu den Sozialarbeitern aufzubauen, die ihr Büro auf dem gleichen Gelände haben.

Bei aller Kritik am Unterbringungsverfahren räumt die Sozialpädagogin aber auch ein: Vergleichsstudien über das Leben bei "dezentraler Unterbringung", also der individuellen Unterbringung in Gemeinden, gibt es nicht. Neue Erkenntnisse könnte aber die Auswertung einer Regionalstudie zur Situation von Asylbewerbern bringen, die im Rahmen des Projekts "Sprache und Kultur" (SpuK) angefertigt wurde. Hier flossen auch Willes Interviewergebnisse mit ein.

Überzeugt sagt sie trotzdem: "Die Sammelunterkunft muss geschlossen werden, wenn es den Menschen besser gehen soll." Das Gegenargument, eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge wecke falsche Hoffnungen, weist sie zurück: "Warum soll man den Menschen nicht wenigstens für die Zeit, in der sie hier sind, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen?"


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