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WebWecker Bielefeld , 21.07.2004 :

Mit Migranten für Migranten

Die Gesundheitsversorgung von Migrantinnen und Migranten in Deutschland braucht aufgrund besonderer Anforderungen auch spezielle Lösungen. In Bielefeld haben am Montag dreißig Migrantinnen und Migranten eine neue Ausbildung als Mediatoren im Gesundheitswesen abgeschlossen.

Von Mario A. Sarcletti

"Alle haben die Ausbildung mit Bravour durchlaufen", sagt Björn Menkhaus. Der Mitarbeiter des ethno-medizinischen Zentrums Hannover freut sich sichtlich über die erfolgreiche Bielefelder Gruppe, die am vergangenen Montag die Zertifikate für ein 50-stündiges Schulungsprogramm erhalten haben. Konzipiert hat es das Zentrum in Hannover, in vier Städten läuft das Programm namens MiMi zur Probe, neben Bielefeld ist der Kreis Hildesheim, Münster und Hannover Projektstandort. Bei MiMi, das Kürzel steht für "Mit Migranten für Migranten", werden sie zu Mediatoren im Gesundheitswesen ausgebildet und sollen Angehörigen ihrer Herkunftskultur Gesundheitsthemen näher bringen.

Denn deren Gesundheitsversorgung ist auch aufgrund von Sprachproblemen schwierig. "Eine Untersuchung des Gesundheitsamtes hat erhebliche Informationsdefizite ergeben", erklärt Annegret Grewe vom Interkulturellen Büro der Stadt Bielefeld, das Kooperationspartner des Projekts ist und auch durch persönliche Ansprache vor allem Frauen für die Ausbildung gewinnen konnte. Diese haben entweder eine medizinische oder eine pädagogische Vorbildung.

"Migranten machen oft zu wenig Vorsorgeuntersuchungen, bei Kindern werden keine Impfungen durchgeführt", beschreibt Grewe die speziellen Probleme dieser Patienten. Aber auch Tabak- und Alkoholkonsum sind Themen, in denen die Mediatorinnen mit ehrenamtlicher Unterstützung von Ärzten und Hebammen ausgebildet wurden. Vor allem aber sollen sie der Zielgruppe Informationen zum deutschen Gesundheitswesen in deren Muttersprache näher bringen. Bereits 21 Veranstaltungen haben die Bielefelder Mediatoren in zwei Monaten durchgeführt, unter anderem in einer Moschee, in Jugendzentren und Kulturvereinen. Außerdem wurde ein Gesundheitswegweiser erstellt, aufgrund des Engagements der Teilnehmerinnen konnte der außer in die geplanten Sprachen Deutsch, Türkisch und Russisch zum Beispiel auch in Spanisch oder Tamil übersetzt werden.

Neben Informationen erhielten die Teilnehmer der Veranstaltungen auch Fragebögen um das vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen mit 79.000 Euro finanzierte Projekt auch evaluieren zu können. Bei der kleinen Abschlussfeier stellte Björn Menkhaus erste Ergebnisse aus insgesamt 45 Veranstaltungen in den vier Städten vor. Danach haben an den mehrheitlich dreistündigen Veranstaltungen 581 Menschen teilgenommen, zwei Drittel von ihnen Frauen. Die hohe Quote liegt auch daran, dass manche Veranstaltungen kulturbedingt erst einmal nur für Frauen angeboten wurden. Dabei staunten manche Mediatorinnen nicht schlecht über das Interesse der Männer. "Wir haben das im islamischen Zentrum gemacht und die Männer brachten die Frauen mit dem Auto. Da haben sie uns gesagt: Wir wollen das auch", berichtet eine Mediatorin.

Insgesamt kamen die Veranstaltungen sehr gut an. Die Migranten empfanden es als wohltuend, dass sich überhaupt jemand für sie interessiert. Auch dass die Informationen in ihrer Muttersprache gegeben wurden, wurde positiv bewertet. Zudem erreichte das Projekt nach Auskunft von Björn Menkhaus die Zielgruppe der erst in den vergangenen zwei Jahren Eingereisten. "Wir müssen die Leute möglichst früh erreichen, wenn sie noch nicht so negative Erfahrungen gemacht haben", beschreibt Menkhaus den MiMi-Ansatz.

Auch die Ergebnisse der Veranstaltungen geben Anlass zur Hoffnung. Die meisten der Teilnehmer gaben danach an, ihre Einstellungen zur Gesundheit überdenken und sich mehr um sie kümmern zu wollen. "Den Vorsatz habe ich natürlich morgens auch und ihn abends wieder vergessen", flachst Menkhaus, der in dem Bewusstseinswandel dennoch ein positives Zeichen sieht. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, wünschen sich viele Migranten, dass solche Angebote institutionalisiert werden. Annegret Grewe würde das auch gerne sehen: "Wir haben ein Interesse daran, dass dieser Kreis von engagierten Leuten weiter eingesetzt wird", sagt sie, weiß aber zugleich, dass dies angesichts der Haushaltslage vorerst eine Illussion ist. Immerhin ist es nach jahrelangen Diskussionen gelungen, eine halbe Stelle im Gesundheitsamt für eine Psychologische Beratungsstelle für Migranten einzurichten. Für das MiMi-Angebot bedarf es wohl weiterhin des ehrenamtlichen Einsatzes der Mediatoren. Diejenige, die in Bielefeld für Bosnien zuständig ist, hat bereits mit ihrer Community monatlich ein bis zwei Stunden Sprechzeit vereinbart.

Den Kontakt zu den Mediatoren stellt das Interkulturelle Büro her. Telefon: 0521 / 51-3403


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