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Warburger Zeitung / Neue Westfälische , 21.07.2004 :

"Eure Väter sind Helden" / Hardehausener Gespräche: Raban Graf von Westphalen über das Widerstandsrecht

Von Sandra Wamers

Hardehausen. Am Vorabend des 60. Jahrestages des Attentats auf Adolf Hitler stand an der Landvolkshochschule Hardehausen der Montagabend ganz im Zeichen des "Widerstandes". Der eingeladene Gastreferent Prof. Dr. Raban Graf von Westphalen bereitete mit seinem Vortrag und durch die mitgebrachte Ausstellung das spätere Diskussionsforum für die Zuhörer im vollbesetzten Hörsaal.

Wohlwissend, dass der "Versuch von Visualisierung des Widerstandes" eine kaum zu bewältigende Aufgabe darstelle, führte Raban Graf von Westphalen in die mitgebrachte Ausstellung "Widerstand im Nationalsozialismus und : Die Kinder von Bad Sachsa" ein.

Durch Fotografien, Dokumente und Texte werden verschiedene Widerstandgruppen, wie etwa aus dem katholischen, evangelischen und jüdischen Glauben, oder die Flugblätter der "Weißen Rose" um die Geschwister Sophie und Hans Scholl vorgestellt. Ebenfalls zu sehen sind Schlüsseldokumente zu den Vorstellungen der Widerstandgruppen für die Zeit nach einem gelungenem Attentat.

"Das meiste jedoch entzieht sich der bildhaften Rekonstruktion", erklärte von Westphalen den Versuch der Dokumentation von "Grenzfällen solch‘ extremer Lebensverwiesenheit". So auch im Falle der "Kinder von Bad Sachsa" – "ein Thema, das noch kaum aufgearbeitet ist", bemängelte der Jurist diese historische Fehlstelle.

So sei nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler die Sippenhaft im Zuge der "Sonderkommission 20. Juli" auch für die Kinder der Widerstandskämpfer eingeführt worden. 46 Kinder, darunter auch die von Graf Stauffenberg, seien daraufhin nach Bad Sachsa deportiert worden. Ihren Familiennamen mussten die Minderjährigen – das jüngste zehn Tage, das älteste Kind war 15 Jahre alt – abgeben. Erst nach der Befreiung erlangten sie diesen zurück: "Jetzt heißt ihr wieder wie früher. Und ihr braucht euch nicht mehr zu schämen, denn eure Väter sind Helden", zitierte Westphalen Worte der amerikanischen Befreier.

Vortrag über die Geschichte und gegenwärtige Geltung des Widerstandsrechts

In seinem Vortrag "Widerstand im demokratischen Staat" behandelte der in Großbodungen lebende Professor, der an der Technische Fachhochschule Berlin Öffentliches Recht, Verfassungsgeschichte, Politisches System und Technikfolgenabschätzung lehrt, die Geschichte und gegenwärtige Geltung des Widerstandrechts.

Das Recht auf Widerstand habe in Deutschland noch keine allzu lange Tradition. Erst 1968 mit der Notstandsverfassung sei die Ergänzung des Rechtes auf Widerstand in das Grundgesetz aufgenommen worden. Allerdings immer unter der Prämisse, dass "Widerstand nicht auf die Hervorbringung einer neuen Ordnung gerichtet ist, sondern nur auf die Bewahrung oder Herstellung der verfassungsmäßigen Ordnung" gerichtet sein dürfte. Was im Volksmund daher als "Widerstand" bezeichnet werde, stelle strenger definiert einen "Fall der Staatsnothilfe" dar, so Westphalen.

Auf Grund dieser "rechtlichen Fehlstelle" hätten sich "die Widerstandgruppen im Nationalsozialismus auf kein positiviertes Recht" – also auf einen im Gesetzes- oder Verfassungsrecht fußenden Artikel – stützen können. Weitere Gewissenskonflikte wurden in der sich anschließenden Diskussion benannt. So habe sich auch "Stauffenberg als sehr religiöser Mensch vor allem durch die religiöse Formel im Eid an Hitler gebunden gefühlt."

Eine Rechtstradition, in der der Mensch letztlich seinem eigenem Gewissen standhalten müsse, könne im Gegensatz zu anderen Staaten wie Frankreich, England oder wie sie seit der Unabhängigkeitserklärung in den Vereinigten Staaten tief verwurzelt sei, in Deutschland nicht verfolgt werden. Die "Renaissance eines solchen Naturrechtes" habe sich daher erst nach 1945 in Westdeutschland durchsetzen können. Denn "erst der nationalsozialistische Unrechtsstaat zeigte im Übermaß, dass Recht und positiv gesetztes Recht nicht als identisch angesehen werden dürfen", erklärte der Rechtshistoriker.

"Was darf ein Jedermann? Darf er denn Tyrannen morden?", forschte ein Diskussionsteilnehmer nach dem Ernstfall, auf dem das Grundgesetz jedoch keine direkte Antwort geben könne, erklärte der Rechtswissenschaftler.

Während des Gesprächs wurden auch Themen aus der aktuellen Zeitgeschichte angesprochen, wie zum Beispiel die rechtliche Position von Saddam Hussein, der "unter Kriegsrecht stehe", oder Osama Bin Laden, den Westphal als "einen kriminellen Terroristen" bezeichnete und der damit mit einem Widerstandskämpfer nichts gemein habe.

Publikation "Briefe aus der Kriegszeit" erscheint in diesen Tagen

Zum Abschluss seines Vortrages stellte Graf von Westphal die in diesen Tagen erscheinende Publikation "Briefe aus der Kriegszeit" dem Publikum vor. Der erste Band enthält den Briefwechsel zwischen Raban Freiherr von Spiegel-Peckelsheim an seine Schwester Aloysia, der späteren Gräfin von Westphalen. Der zweite Teil der Veröffentlichung enthält den Briefwechsel zwischen Wilhelm Graf von Westphalen-Fürstenberg und seiner späteren Frau, Aloysia von Spiegel. Darin wird die bewegende Zeit zwischen 1942 bis 1945 lebendig, während derer der Graf zunächst in Frankreich von der Résistance festgenommen wurde, ihn jedoch seine ausgezeichneten französischen Sprachkenntnisse vor der sofortigen Erschießung retteten.

Noch vor seiner Flucht hatte man ihn wegen Landes- und Hochverrats zum Tod durch Erschießen verurteilt, da man in seinem Schreibtisch verschlüsselte Fluchtpläne in die Schweiz gefunden hatte. Erst die Revisionsverhandlung am Volksgerichtshof in Leipzig durch seinen Vorgesetzten führten zum Freispruch und zu einem Wiedersehen mit seiner Verlobten Aloysia von Spiegel-Peckelsheim, mit der er später ins westfälische Helmern zog.

Die Ausstellung "Widerstand im Nationalsozialismus und: Die Kinder von Bad Sachsa" ist noch bis Sonntag, 8. August, in der Galerie Hardehausen in der Landvolkshochschule zu sehen. Weitere Infos und Publikationen zum Thema unter

www. galerie-in-der-burg.de.


lok-red.warburg@neue-westfaelische.de

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