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Neue Westfälische , 21.07.2004 :

Ehepaar in Manila in Abschiebelager / Vermutlich Opfer eines Schmiergeldskandals / Kein Einzelfall

Von Hubertus Gärtner

Paderborn/Manila. Es gibt viele Menschen, die vom Ausstieg träumen. Sie würden am liebsten im verregneten Ostwestfalen für immer ihre Koffer packen, anschließend den Flieger besteigen und ferne Gestade ansteuern. Um die Sonne, den Sand und das Meer zu genießen. Auch Günter Grumbach liebte die große Fluchten. Der 53-jährige Mann aus Paderborn hatte bei Bertelsmann gearbeitet. Gemeinsam mit seiner Frau Marion (48) flog er vor sechs Jahren auf die Philippinen, wo das Ehepaar auf der Insel Leyte wenig später eine Tauchschule eröffnete. Das schien eine schöne Alternative.

"Nun will man uns hier weichkochen"

Wenn man jedoch heute mit Günter Grumbach am Telefon spricht, dann wirkt der Mann völlig niedergeschlagen. Das verwundert nicht. Denn Günter und Marion Grumbach befinden sich nun schon seit 18 Monaten im "Camp Bagong Diwa". Das hört sich zwar bequem an, aber in Wirklichkeit ist es vermutlich die Hölle. Das Camp ist ein Gefängnis, ein so genanntes "Abschiebelager" in Manila. Er lebe hier zusammen mit etwa 160 Gefangenen aus 40 Ländern, berichtet Grumbach.

Die hygienischen Verhältnisse seien fürchterlich. Am Anfang habe man ihn fünf Tage lang mit 32 weiteren Personen in eine 12 Quadratmeter große Zelle gesperrt. Seine Frau habe Unterleibsblutungen bekommen, aber man habe ihr keine ärztliche Versorgung gewährt. Nachts kämen die Ratten, mehrere Menschen seien hier zuletzt keines natürlichen Todes gestorben.

Dass die Grumbachs in diesem Knast sitzen und endlos auf ihren Prozess warten, verdanken sie nach eigener Darstellung einer bloßen Intrige. Nach Auseinandersetzungen um die Tauchschule habe eine Philippina ihn zu Unrecht beschuldigt, sie unsittlich berührt zu haben, klagt Günter Grumbach. "Nun will man uns hier weichkochen", sagt er. Aber er sei nicht bereit, die geforderten Schmiergelder an die Behörden zu zahlen.

Grumbachs Darstellung ist aus 10.000 Kilometer Entfernung nicht auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Tatsache ist jedoch, dass auf den Philippinen immer wieder Ausländer unter fadenscheinigen Gründen verhaftet werden. Das ist auch der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bekannt. "Manche Beschuldigte warten dann jahrelang auf ihren Prozess", sagt Jochen Range, der für Amnesty bereits zehn mal die Philippinen bereist hat. "Ohne Korruption kann man dort nicht überleben", meint Range. Die Zustände in den Haftanstalten seien erbärmlich und sie entsprächen keineswegs internationalen Standards.

" ... mit Billigung Ihres Hauses entführt ... "

Auch der Berliner Oliver Wesemann ist nach eigenen Angaben "unter dubiosen Umständen" im Camp Bagong Diwa inhaftiert gewesen. Derzeit würden dort noch acht Deutsche festgehalten, zu denen er Kontakt habe, berichtet Wesemann.

Er hat schwere Vorwürfe gegen die deutsche Botschaft und das Auswärtige Amt erhoben. Wesemann wirft den Behörden Untätigkeit vor. "Deutsche Staatsbürger werden ohne rechtliche Handhabe und zumindest mit Billigung Ihres hochgeschätzten Hauses entführt und über Monate gefangen gehalten", hat Wesemann an das Auswärtige Amt in Berlin geschrieben. Nun will er sogar Strafanzeige erstatten.

Im Auswärtigen Amt weist man diese Kritik allerdings zurück. Von einer "Billigung" könne überhaupt keine Rede sein, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Man habe auch die Gefangenen im Camp Bagong Diwa konsularisch betreut und setze sich dafür ein, dass sie ein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Allerdings müsse man die staatliche Souveränität der Philippinen und deren unabhängige Justiz achten.

"Wir können niemanden da rausholen"

"Wir haben auf den Philippinen keine Polizeigewalt und können niemanden da rausholen", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Er bestätigte jedoch, dass hinter den Kulissen derzeit intensiv verhandelt wird, um den Aufenthalt des Ehepaars Grumbach im Abschiebelager Bagong Diwa zu beenden.

Günter Grumbach und seine Frau fühlen sich von der deutschen Botschaft bislang im Stich gelassen. "Die hätten die Möglichkeit, mehr Druck zu machen", sagt er. Das Ehepaar Grumbach zählt zu den etwa 3.000 Deutschen, die derzeit im Ausland inhaftiert sind. Manche davon könnten unschuldig sein, aber sehr viele hätten sich tatsächlich straftbar gemacht, heißt es im Auswärtigen Amt.


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