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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 20.07.2004 :

"Die Szene unter Druck halten" / 36 vorläufige Festnahmen bei neuer Drogenrazzia / Teil des Wansleben-Wahlkampfs

Von Hubertus Gärtner und Wolfgang Stüken

Paderborn. Mit einem Aufgebot von 70 Beamten ist die Polizei gestern erneut mit einer Razzia gegen die offene Drogenszene in der Innenstadt vorgegangen. Dabei wurden 36 Personen vorläufig festgenommen. Paderborner Polizeibeamte wurden bei der Aktion durch zwei Züge der Bielefelder Einsatz-Hundertschaft verstärkt.

"Wir wollen die Szene unter Druck halten", erklärte Polizeisprecher Michael Biermann zum Hintergrund. Dieser Druck sei durch eine erste Razzia im Sommer 2002 und eine weitere im Dezember 2003 sowie durch eine 14 Tage dauernde verdeckte Überwachung der Szene durch Zivilfahnder im Sommer 2003 aufgebaut worden.

Um 16.20 Uhr begann die Razzia zeitgleich am Marienplatz und im Paderquellgebiet. Vor Ort wurden Taschen der Verdächtigen durchsucht und Personalien festgestellt, bevor die 31 Männer und fünf Frauen vorläufig festgenommen und zwecks Vernehmung zum Polizidienstgebäude gebracht wurden. Der Großteil befand sich am Abend wieder auf freiem Fuß.

Es seien "geringe Konsum-Mengen" an Rauschgift sichergestellt worden, aber keine dicken Fische mit größeren Drogen-Vorräten darunter gewesen, lautete die erste Bilanz. Die Razzia war seit mehreren Tagen vorbereit worden. Zahlreiche Passanten, die Zeugen der Razzia wurden, begrüßten ausdrücklich das Vorgehen der Polizei.

Die Polizei ihrerseits verwies auf eine Bürgerbefragung aus dem letzten Herbst Diese habe "deutlich gemacht", dass viele Menschen die Buszentralstation, den Platz um die Mariensäule und das Paderquellgebiet als "Angstorte" empfinden. Die Razzia habe eine repressive Funktion gegen Drogenhändler und Süchtige, sei aber auch geeignet, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken.

Im konkreten Fall drängt sich allerdings stark der Eindruck auf, dass die Razzia Teil des Kommunalwahlkampfes geworden ist. In einer Pressemitteilung der Polizei zum gestrigen Einsatz taucht der Name Dr. Rudolf Wansleben gleich an sieben Stellen auf, davon zweimal in der ersten Person Singular und einmal in der ersten Person Plural:

Dr. Wansleben habe bei seinem Kampf gegen den Drogensumpf bereits 1995 "die EK 9/95" eingesetzt, Dr. Wansleben schreibe "den Ermittlungserfolg" der "hohen Motivation" der Kriminalbeamten zu. Außerdem sei es der "hohe Maßstab, den die Kreispolizeibehörde unter Führung von Landrat Dr. Wansleben bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität ansetzt". Weiter teilt der in Neuenbeken domizilierende Landrat mit: "Die Ängste der Bürger kann ich nachvollziehen, ich wohne schließlich selbst hier". Sodann heißt es: "Wir lassen im Kampf für sichere Städte und Kommunen nicht locker, so Wansleben." Und: Der Landrat sei entschlossen "öffentliches Gelände" für Bürger "offen und zugänglich halten". Angeblich haben die Paderborner Gerichte von 1995 bis Ende 2003 insgesamt 1.200 Jahre Freiheitsstrafe gegen gefangene Dealer verhängt.

Es verwundert nicht, wenn so viel Werbung in eigener Sache auf Skepsis trifft. Vor einigen Tagen erst hatte der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Peter Fröhlingsdorf (CDU), sich den Parteifreund Wansleben zur Brust genommen. Dem Landrat fehle entweder die Sachkenntnis oder er sei auf "Effekthascherei" aus, so Fröhlingsdorf. Auch Detlef Nacke, jugendpolitischer Sprecher der Paderborner SPD-Fraktion, macht aus seiner Kritik kein Hehl. Wansleben spiele "mit gezinkten Karten", sagte Nacke. Seine vorrangig auf Repression gestützte Drogenpolitik sei "gescheitert". Zwar seien repressive Maßnahmen der Polizei manchmal notwendig und sie machten Sinn. Doch bei den öffentlichkeitswirksamen Razzien, so Nacke, würden "fast nie die Hintermänner gefangen". Die Zahl der Drogenkonsumenten im Stadt- und Kreisgebiet sei sogar gestiegen. Nacke sagte, es sei "perfide", die eigene Profilierung "auf dem Rücken von kranken Leuten" zu betreiben. Die Paderborner Polizei ist seiner Meinung nach längst zu "einem Spielzeug von Herrn Wansleben" geworden.

Suchtexperten der Stadt hatten in der Vergangenheit kritisiert, durch Razzien werde die offene Szene lediglich an die Peripherie verdrängt. Die Polizei selbst hatte in den letzten Wochen nach ihren eigenen Bekundungen festgestellt, dass sich "lediglich wenige Szene-Angehörige" an den überwachten Orten aufhielten.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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