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Lippische Wochenschau , 15.07.2004 :

Bürger über Zustände am Johannisturm empört / Gedenkstätte bietet erbärmlichen Anblick

Lemgo (-HFP-). "Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich über den alten Johannis-Friedhof gehe und sehe, in welch katastrophalen Zustand sich Gelände, Stumpfer Turm und die umgebende Mauer befinden. Das tut mir in der Seele weh!" Kurt Eikmeier ist empört. Viele Jahre hat er im Auftrag der Stiftung Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Feiern zum Volkstrauertag an der zentralen Gedenkstätte im Westen der Alten Hansestadt Lemgo organisiert. Wie viele andere alte Lemgoer auch, zieht es ihn noch oft zu diesem Ort der Ruhe und Besinnung. Doch was die Lemgoer derzeit dort vorfinden, lässt die Besinnung in unverhohlenen Ärger umschlagen: Der Turm droht vom ungezügelt wuchernden Efeu zerfressen zu werden, allenthalben tiefe Löcher auf der Freifläche vor dem Turm, Hundekot, halbleere Colaflaschen, Bierdosen, Einkaufstüten, Gummihandschuhe verunstalten die Gräber. "Diesen Ort kann man niemanden mehr zeigen", schimpft Eikmeier. Als sich die Wochenschau ein Bild vor Ort macht, findet sie die beklagten Zustände bestätigt. Hier muss dringend etwas geschehen - aus einer Gedenkstätte ist ein Schandfleck geworden.

Eigentümer des für die Alte Hansestadt geschichtsträchtigen Areals mit dem Stumpfen Turm ist die Kirchengemeinde St. Johann. Und das seit Jahrhunderten. Kurz zur Geschichte, wie sie Ernst Tappe, Historiker und ehemaliger Vorsitzender des Vereins Alt Lemgo, geschildert hat.

Als im Jahre 999 Papst Leo III. Schutz und Zuflucht bei Kaiser Karl gesucht habe, soll er im Bistum Paderborn nach einer Überlieferung mehrere Kirchen geweiht haben. Möglicherweise, so Tappe, sei in diesem Zuge auch die "Taufkirche St. Johann zum Limga" geweiht worden. Obwohl die Kirche außerhalb der Stadtmauern gelegen habe und deshalb auch als Bauernkirche bezeichnet wurde, sei sie über viele Jahrhunderte die Hauptkirche Lemgos geblieben. Ob nun an dieser Stelle tatsächlich die Ursprünge der Alten Hansestadt zu suchen seien, könne wohl erst eine archäologische Untersuchung ergeben, meint Tappe.

Ob es allerdings jemals noch zu einer solchen Untersuchung kommen wird, steht in den Sternen. Der Turm ist vom rankenden Efeu fast vollständig in Besitz genommen worden. Das Mauerwerk bröckelt. Wenn nicht bald etwas geschieht, droht dieser historische Ort zu zerfallen.

Doch dafür ist Geld nötig. "Und das haben wir nicht", räumte Pfarrer Horst-Dieter Mellies, Vorsitzender des Kirchenvorstands St. Johann, im Gespräch mit der Wochenschau ehrlich ein. Richtig sei, dass die Gemeinde für die Bauunterhaltung zuständig sei. Man sei bemüht, das Schlimmste zu verhindern, "doch für diese Kosmetik fehlen uns einfach die Mittel."

Gespräche mit der Stadt Lemgo mit dem Ziel, das Grundstück samt Aufbauten an die Stadt zu verkaufen, sind im Rathaus auf wenig Gegenliebe gestoßen. Wie aus einer Sitzungsvorlage für den am 20. Juli tagenden Ausschuss für Umweltschutz, Bauen und Liegenschaften hervorgeht, "kommt ein Kauf für die Gesamtanlage für die Stadt Lemgo nicht in Frage." Nach bautechnischer Prüfung seien die notwenigen Kosten kalkuliert worden: Danach müssten für kurz- und mittelfristige Instandsetzungsarbeiten rund 128 000 Euro, für regelmäßige Unterhaltung jährlich rund 12 000 Euro aufgebracht werden. "Für diese zusätzlichen und freiwilligen Ausgaben hat die Stadt keinen finanziellen Spielraum", so Bürgermeister Dr. Reiner Austermann.

Die Stadt werde allerdings auch weiterhin die Unterhaltungs- und Pflegearbeiten für das städtische Ehrenmal im Stumpfen Turm und für Veranstaltungen auf dem Gelände die notwenigen Pflegarbeiten im Umfeld des Denkmals im bisherigen Umfang übernehmen.

Für die Pflegearbeiten über das gesamte Jahr hinweg, ist also weiter der Eigentümer zuständig. Hier wird sich der Kirchenvorstand Gedanken machen müssen. "Vielleicht", so hofft Pfarrer Mellies, "finden sich ja Sponsoren, die uns bei der Pflege und Unterhaltung des Turmes und des Geländes unter die Arme greifen".


lokalredaktion@lippische-wochenschau.de

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