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Bielefelder Flüchtlingsrat und Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen , 15.07.2004 :

Presseerklärung zur Kundgebung am 15. Juli 2004 anlässlich der Sitzung des Stadtrates zum Thema "Umsetzung von Hartz IV" / Gegen Sozialabbau, staatlichen Rassismus und Ausgrenzung! Gleiche Rechte für Alle!

Gemeinsam mit anderen Initiativen protestieren wir anlässlich der Stadtratssitzung gegen die unsozialen Auswirkungen von Hartz IV.

Hartz IV gilt als tiefgreifendste Kürzung im Sozialbereich seit 1949. Alle werden dies spüren, ob durch Leistungskürzungen oder durch gesteigerten Konkurrenz- und Leistungsdruck am Arbeitsplatz.

Parallel zu dem neoliberalen Reformpaket Hartz IV tritt ab Januar 2005 das Zuwanderungsgesetz in Kraft, dessen Auswirkungen das Leben vieler Menschen bestimmen wird. Sowohl Hartz IV als auch das ZuWG sind in Ideologie und Menschenbild an der "Vernutzbarkeit von Arbeitskräften" orientiert und verhindern das Solidarprinzip. Gerade das ZuWG macht deutlich, dass es hier nicht um Rechtsansprüche von Flüchtlingen und MigrantInnen geht, sondern darum, gut ausgebildete für den deutschen Arbeitsmarkt verwertbare MigrantInnen zu nutzen ( und dabei nebenbei den armen Ländern mit der Macht der reichen Länder ihre hochqualifizierten Fachkräfte abzuziehen). Sprüche wie "Leistung muss sich wieder lohnen" oder "die Zuwanderung in die Sozialsysteme muss verhindert werden", die beide Debatten begleitet haben, fördern den neoliberalen Zeitgeist. Solidarität und "gleiche Rechte und Chancen" spielen weder im Gesetz noch in der sie begleitenden Debatte eine Rolle. Stattdessen wird Konkurrenzdenken und nationalistisch/rassistischem Gedankengut Vorschub geleistet.

Bereits heute sind Flüchtlinge diversen Einschränkungen ihrer Grundrechte im Bereich der Sozialleistungen ausgesetzt. Durch das neoliberale Leistungsprinzip, den viel beschworenen Druck der Finanzprobleme der Kommunen und das Zuwanderungsgesetz werden weitere Auswirkungen hinzukommen.

Hier einige Beispiele von Sozialabbau und staatlichem Rassismus:

- Asylbewerberleistungsgesetz/Leben unter dem Existenzminimum:

Ein Großteil der Flüchtlinge erhält Sozialleistungen nach dem seit 1993 bestehenden Asylbewerberleistungsgesetz. Kernpunkt des Gesetzes ist die deutliche Absenkung der Sozialleistungen unterhalb des für Deutsche geltenden Existenzminimums. Kommen Flüchtlinge ihrer "Mitwirkungspflicht" nicht nach (z.B. bei der Beschaffung von Passersatzpapieren bei der Botschaft des Landes aus dem sie geflohen sind) so kann ihnen die ohnehin schon 34% unter dem Leistungsniveau der Sozialhilfe liegende Leistung bis auf 0 gestrichen werden.

- Unterkunftssituation von Flüchtlingen:

Sozialhilfeberechtigte sind verpflichtet, in Wohnungen zu leben, deren Miete einen m²Preis von 4,17€ nicht übersteigt. Laut Widerspruch e.V. gibt es derzeit auf dem Bielefelder Wohnungsmarkt nur 3% Wohnungen, die dieser Anforderung entsprechen. Da die Chancen für Flüchtlinge eine Wohnung zu finden auf Grund rassistischer Auswahlkriterien vieler VermieterInnen generell noch schlechter sind, wird mit dieser Auflage noch mal eine Verschärfung und eine noch stärkere Stigmatisierung und Ausgrenzung erreicht.

- Sozialhilfebezug schränkt das Grundrecht auf familiäres Zusammenleben ein:

Bei Sozialhilfebezug werden Anträge auf Familienzusammenführung von Flüchtlingen (Zusammenleben von Ehepaaren und minderjährigen Kindern) "aus Kostengründen" immer häufiger abgelehnt und damit das Grundrecht auf familiäres Zusammenleben eingeschränkt.

- Sozialhilfebezug und aufenthaltsrechtliche Konsequenzen:

An unterschiedlichen Punkten ist jetzt schon Sozialhilfebezug ein Auschlußkriterium für die Verfestigung eines Aufenthaltsstaus oder kann gar den schon vorhandenen Aufenthaltsstatus gefährden. Bereits jetzt nehmen auf diesem Hintergrund viele Flüchtlinge entwürdigende und unterbezahlte Arbeitsbedingungen hin.

- Arbeitsmarkt und 1€ Jobs:

Seit über 10 Jahren können Flüchtlinge, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, nach §5 Asylbewerberleistungsgesetz, dazu verpflichtet werden, sogenannte gemeinnützige Arbeit für 1 € pro Stunde zu verrichten. Aus dieser Tätigkeit erwachsen, genau wie für Deutsche, weder Kranken- und Rentenversicherungsansprüche, noch andere arbeitsrechtliche Ansprüche. Darüber hinaus wurde bei Flüchtlingen mit dieser Verpflichtung zur Arbeit keine Eingliederung in den Arbeitsmarkt bezweckt. Allgemein verschlechtert sich für Flüchtlinge, die eine Arbeitserlaubnis für einen bestimmten Arbeitsplatz erst beantragen müssen, durch Hartz IV die Chance diesen zu kriegen. Die Vorrangprüfung sieht vor, dass für den beantragten Arbeitsplatz kein Deutscher oder EU- Bürger zur Verfügung steht. Bei dem enormen Druck den Hartz IV erzeugen wird, wird das Arbeitsamt immer häufiger sagen, es gäbe, wenn auch nur theoretisch, andere für diesen Arbeitsplatz.

- Hartz IV und Weiterbildung:

Da ein Großteil der Flüchtlinge aus den Regelungen von Hartz IV ausgeschlossen sein werden, und weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten werden, werden sie laut Pro Asyl an vielen Weiterbildungsmaßnahmen und Berufsausbildung nicht teilnehmen können und so in Langzeitarbeitslosigkeit und 1 € Jobs stecken bleiben.

Die genannten Beispiele sind zwar nicht alle direkte rechtliche Folgen von Hartz IV. Durch die Art und Weise wie in der BRD jedoch zur Zeit ohne Rücksicht auf Grundrechte Sozialleistungen gekürzt werden, fürchten wir, dass auch und gerade bei Flüchtlingen alle Möglichkeiten genutzt werden sollen, um Geld zu sparen. Und dies geschieht, selbst wenn man damit Menschen nach vielen Jahren Aufenthalt in der BRD in ein unsicheres Herkunftsland zurückschickt, selbst wenn dadurch das Zusammenleben von Familien zerstört wird und wenn Flüchtlinge unter dem für Deutsche festgelegten Existenzminimum leben müssen.

Für uns wird an Hartz IV deutlich, wie die Ausgrenzung von elementaren Grundrechten immer weitere Teile der Gesellschaft erfasst. Eine Gesellschaft, die ein solches Ausmaß an sozialer Entrechtung und Entwürdigung gegenüber einer bestimmten Gruppe hinnimmt, wie sie es jetzt schon bei Flüchtlingen tut, schafft damit auch die Vorraussetzung, ähnliches auch mit anderen Personengruppen zu tun.

Flüchtlinge und MigrantInnen sind durch Rassismus und Globalisierung von einer besonderen Form von Ausgrenzung und Entrechtung betroffen. Sowohl Hartz IV als auch das ZuWG machen jedoch deutlich, dass, neoliberales Konkurrenzdenken immer mehr den Aspekt der Solidarität und der gleichen Rechte für alle Menschen verdrängt. Deswegen wenden wir uns gemeinsam mit anderen Initiativen gegen die immer weitere Bevölkerungsteile erfassende Ausgrenzung von Grundrechten.

Gemeinsam gegen Sozialabbau und staatlichen Rassismus!


fluechtlingsrat-bi@web.de

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