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Schaumburger Zeitung , 15.07.2004 :

Flugblätter verteilt – Zuchthaus für "Hochverrat" / Karl Meier aus Jetenburg will Widerstand gegen das NS-Regime organisieren – und scheitert im Ansatz

Von Wilhelm Gerntrup

Bückeburg. Wie überall, wurden auch in Schaumburg die Linksparteien nach der "Machtergreifung" durch die NSDAP widerrechtlich verfolgt und ausgeschaltet. Aktiven politischen Widerstand dagegen gab es kaum. Das Groß der SPD- und KPD-Funktionäre war durch "Schutzhaft" und Bespitzelung eingeschüchtert worden. Die Basis ging auf Tauchstation.

Zu den wenigen Ausnahmen gehörte eine Gruppe überwiegend junger Männer aus der Gegend um Bückeburg. Allen gemeinsam war ein kämpferisches, durch persönliche Erfahrungen mit Krieg, Armut und Arbeitslosigkeit geprägtes proletarisches Klassenbewusstsein. Anführer war der 27-jährige Karl Meier aus Jetenburg (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, fünf Jahre älteren und bis heute wesentlich prominenteren KPD-Funktionär und Stadthäger Nachkriegs-Landrat).

Der (Jetenburger) Karl Meier stammte aus einer kinderreichen Kleinenbremer Bergmannsfamilie. Er hatte in Bückeburg Steinmetz gelernt. Seine Zeitgenossen schilderten ihn als stillen, nachdenklich und in sich gekehrt wirkenden jungen Mann. Am liebsten wäre er, wie er später vor Gericht aussagte, Lehrer geworden; aber dazu reichte das Geld in der Familie nicht. Wie alle in seinerUmgebung, war er SPD-Mitglied.

Meiers "zweite Heimat" war die Arbeitersportbewegung. Von frühester Jugend an hatte er unter dem roten Banner der "Freien Turner" Führungs- und Übungsleiteraufgaben wahrgenommen. Enttäuscht und verbittert musste er nach dem Verbot des ATSB mit ansehen, wie "seine" Kinder und Jugendlichen jetzt in HJ und BDM vormilitärisch "ausgerichtet" wurden.

Etwa im Sommer 1933 wurde Meier von einem KPD-Funktionär aus Minden angesprochen. Der unter dem Decknamen "Bode" auftretende Mann schlug ihm vor, sich dem kommunistischen Untergrundkampf anzuschließen. Nach anfänglichem Zögern willigten Meier und seine Freunde ein. "Wir hatten das Gefühl, dass wir irgend etwas tun mussten", gaben sie später zu Protokoll.

Als erstes ging man daran, eine Art sozialistisches Netzwerk zu knüpfen. Man setzte auf befreundete und verlässlich erscheinende Sozialdemokraten. Der prominenteste in der neuen Gruppe war der Bergmann Wilhelm Meier aus Heeßen. Meier war bis 1933 Bürgermeister seines Heimatdorfs gewesen. Mit Friedrich Pusch aus Bergdorf und Ferdinand Ackmann aus Buchholz machten auch zwei ehemalige KPD-Mitglieder mit.

Die Kontakte fanden unter größter Geheimhaltung und in entlegenen Waldgebieten statt. Trotzdem war es wegen der vielen Spitzel und des verbreiteten Denunziantentums ein gefährliches Unterfangen. Als man begann, Flugblätter zu verteilen, schlug die Gestapo zu. Knapp ein halbes Jahr nach dem Start, im November 1933, wurde die Gruppe verhaftet. Bewirkt hatte man angesichts der großen Ziele praktisch gar nichts.

Im Mai 1934 kam es vor dem als "Sondergericht" eingesetzten Oberlandesgericht Hamm zum Prozess. Die Anklage lautete auf "Vorbereitung zum Hochverrat". "Rädelsführer" Meier wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Eine weitere Zuchthaus-Strafe (1 Jahr und 8 Monate) wurde gegen den 24-jährigen Tischler Walter Kruse aus Heeßen ausgesprochen. Sieben andere erhielten Gefängnisstrafen: Der Zimmermann Karl Kuhlmann, 29 Jahre, aus Bergdorf 1 Jahr und 6 Monate. Der Arbeiter Alfred Badstübner (39) aus Heeßen 1 Jahr und 8 Monate, der Bergmann Friedrich Pusch (44) aus Bergdorf 1 Jahr und 7 Monate, der Arbeiter Heinrich Hohmeier (22) aus Gelldorf 1 Jahr und 6 Monate, der Bergmann Ernst Möhlmann (37) aus Heeßen 4 Monate, der Bergmann Wilhelm Meier (50) aus Heeßen 4 Monate, und der Schlosser Ferdinand Ackmann (34) aus Buchholz 1 Jahr und 4 Monate.

Karl Meier wurde nach Verbüßung seiner Strafe gleich zu Kriegsbeginn in eine "Todeskompanie" eingezogen. Er kam bei Luxemburg im Kugelhagel um.

Der Prozess habe gezeigt, "aus was für einer Sorte Menschen sich die wenigen Gegner unserer Bewegung und unseres Staates zusammensetzen, nämlich aus Lumpen, Verbrecher, Intellektuelle, gewohnheitsmäßige Nörgler und Taugenichtse gewöhnlichster Art", schrieb die hiesige Tageszeitung "Schaumburg". "Und diese nichtsnutzigen Elemente maßten sich das Recht und die Fähigkeit an, Führer des besten und tüchtigsten Volkes der Erde sein zu können."


sz@schaumburger-zeitung.de

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