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Mindener Tageblatt , 15.07.2004 :

Nur ein Widerstand gegen die Selbstzerstörung / Ehemaliger Artilleriekommandeur in Minden beteiligte sich an Militäropposition gegen Hitler

Von Kristan Kossack

Minden (kk). Der Widerstand von Wehrmachtsoffizieren gegen Adolf Hitler streift auch den Garnisonsstandort Minden. Friedrich Dollmann, Oberbefehlshaber der 7. Armee, war während seiner Laufbahn in der Weserstadt Kommandeur.

Friedrich Dollmann, war in den Jahren 1931/32 Kommandeur des Artillerieregiment 6 in Minden und im Zuge seiner Versetzung vom Standort zum Generalmajor befördert worden. Zum Zeitpunkt der Landung der Alliierten in Frankreich im Juni 1944 war Dollmann im Rang eines Generalobersten Oberbefehlshaber der 7. Armee, die in der Normandie lag.

Nach dem Landungsunternehmen am 6. Juni stellte sich schnell heraus, dass alle deutschen Pläne, den Vorstoß der Alliierten an der Küste zu vereiteln, misslingen würden. Nachdem die beim Hitlerbesuch in Margival am 17. Juni versprochenen Verstärkungen ausgeblieben waren und es nur noch eine Frage der Zeit gewesen ist, wann die Alliierten aus ihren Brückenköpfen in der Normandie ausbrechen würden, erörterten Feldmarschall Rommel als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B und seine Generäle die Verweigerung zukünftiger Durchhaltebefehle aus Berlin.

Hans Speidel, Rommels Stabschef, berichtete nach dem Krieg über eine Lagebesprechung der Truppenführer der Heeresgruppe in den Tagen nach Margival: "Feldmarschall Rommel eröffnete den einzelnen Führern, je nach ihrer politischen Einstellung mehr oder weniger deutlich, dass sich im Zuge der militärischen Ereignisse ein selbstständiges Handeln der Wehrmacht im Westen als notwendig erweisen könnte. Generaloberst Salmuth, Generaloberst Dollmann und General der Panzergruppen Geyr von Schweppenburg stimmten mit der politischen und militärischen Lagebeurteilung des Feldmarschalls überein ( ... ) Sie waren bereit die Befehle des Feldmarschalls zu befolgen, auch wenn sie sich in Widerspruch zu Führerbefehlen setzen mussten."

Die Überlegungen der genannten Generäle gipfelten später in dem Entschluss, im Westen eigenmächtig einen Waffenstillstand abzuschließen, um Deutschland vor der Selbstzerstörung zu retten. Dollmann war am 29. Juni auf seinem Gefechtsstand an Herzversagen gestorben. Hitler hatte seine Ablösung gefordert und ihn nach seinem Tod durch einen SS-General ersetzt.

Speidel ergänzend über Dollmann: "Die Hitlerschen Methoden hatten ihn soldatisch und menschlich tief verletzt." Der Generaloberst hätte vermutlich auch eine praktische Umsetzung der genannten Überlegungen mitgetragen. Das Vorhaben Waffenstillstand im Westen wurde nach Rommels Verwundung (am 17. Juli 1944) von der Heeresgruppe B nicht weiter verfolgt. Es war, wie beim Widerstand an anderen Fronten, eine Kopfgeburt von wenigen Offizieren, die unter sich bleiben wollten.

Rommel und seine Truppenführer gehörten als Gruppe nicht zum direkten Kreis der Attentäter des 20. Juli. Rommel hatte sich wiederholt von der Absicht distanziert, Hitler zu töten. Nach dem Anschlag schrieb er seiner Frau am 24. Juli 1944 aus dem Lazarett: "Er danke Gott, dass der Attentatsversuch gescheitert ist." Trotzdem einte alle Gruppen der Militäropposition die Erkenntnis, dass die Fortsetzung des Krieges, zur Selbstzerstörung Deutschlands und der Wehrmacht führen müsse.

Allerdings: "Alle Anhänger der späteren Militäropposition hatten noch 1933 die Abschaffung des Parlamentarismus begrüßt und zum Verschwinden aktiver Regimegegner in Konzentrationslagern geschwiegen. Ihr Gewissen meldete sich auch dann nicht zu Wort, als 1934 in der Wehrmacht die Ariergesetze eingeführt wurden. Ihr Gewissen schwieg auch weiterhin, als neu im Schulungsmaterial der Wehrmacht zu lesen war, dass Juden wie Parasiten bekämpft" werden müssten. Im Krieg wandten sich nur einzelne Offiziere des Widerstandes gegen rassistisch motivierten Massenmord.

Über Dollmanns Beweggründe ist neben der Tatsache seiner glänzenden Karriere von 1932 ein Abschiedsgruß nach Minden überliefert. Er bedankt sich darin für die ausgezeichnete Zusammenarbeit der Mindener bürgerlichen Presse mit dem Standort. Sie habe "das heutige Reichsheer wieder der Bevölkerung nahe zu bringen" versucht.

Die bürgerliche Lokalpresse hatte im Gegensatz zur sozialdemokratischen Weserwarte in der Weimarer Zeit unausgesetzt die Notwendigkeit einer starken Armee propagiert, die Deutschland wieder zur Großmacht und Ruhm in der Welt verhelfen sollte.

Dollmanns Hauptwiderspruch zu Hitler in der Endphase des Krieges dürfte somit, wie bei fast allen Offizieren im Widerstand, darin bestanden haben, an der Großmacht Deutschland und seiner Wehrmacht retten zu wollen, was noch zu retten war.


mt@mt-online.de

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