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Internationales Beratungszentrum , 09.07.2004 :

Abschiebelager Halberstadt: Zum Schicksal von John Williams - am 03. April 2004 verstorben

Die "Initiative zur Schließung des Ausreiselagers Halberstadt" teilte heute die näheren Umstände des Todes mit. Demnach ist klar, dass der Flüchtling John William am 03.04.2004 im Kloster Meyendorf gestorben ist, einem Altenheim südlich von Magdeburg. Seine sterblichen Überreste wurden eingeäschert und als Armenbegräbnis auf dem anonymen Urnenfeld des Friedhofs Klein Wanzleben beigesetzt. Die zuständigen Behörden behaupten, sie hätten versucht, John Williams Anwalt zu erreichen.

Es steht fest, dass John William, geboren am 10.10.1955 im Sudan, im Oktober 1999 in die BRD einreiste. Sein Asylantrag wurde bereits am 11.03.2000 abgelehnt. Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt, der am 30.03.2000 abgelehnt wurde. Am 19.03.2002 wurde John William aufgefordert, sich in das Abschiebelager Halberstadt zu begeben. Zu diesem Zeitpunkt lebte er in Coswig im Landkreis Anhalt-Zerbst. Grund für die Einweisung war seine "mangelnde Mitwirkung" bei der Beschaffung der Passersatzpapiere für seine Abschiebung. Der einzige Anhaltspunkt für die Ausländerbehörde Zerbst, dass John William die "Mitwirkungspflicht" verletzte, war die Aussage eines sudanesischen Botschafters, John William käme nicht aus dem Sudan. Die Botschafter des Sudans behaupten bei nicht-arabischsprachigen Flüchtlingen zumeist, diese kämen nicht von dort. John William war englischsprachig.

John William traf am 25.03.2002 im Abschiebelager Halberstadt ein. Sein Anwalt legte gegen diese "Wohnungsnahme" fristgerecht Klage ein. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht (VG) Dessau abgelehnt. Als vom VG Dessau die Klage gegen die Unterbringung im Abschiebelager Halberstadt abgewiesen wurde, sollte John William eine Gerichtskostenrechnung von 300 Euro bezahlen und das, obwohl dem Gericht bekannt gewesen sein dürfte, dass er kein Geld bekam, sondern nur Essenskarten. Es konnte eine Stundung vereinbart werden. Trotzdem wurde die Klage in der nächsten Instanz, dem Landesverwaltungsgericht Magdeburg, eingereicht. Wegen der "mittelbaren Falschbeurkundung" (John William blieb dabei, dass er aus dem Sudan komme) wurde er weiterhin im Dezember 2002 zu 40 Tagessätzen á 5 Euro verurteilt, die in Strafarbeit umgewandelt wurden.

Während der Zeit im Abschiebelager musste John William in Abständen von 2 Tagen bis einer Woche seine Duldung verlängern lassen, so dass die der Ausländerbehörde in der GU-ZAST Halberstadt John William mindestens einmal wöchentlich sah. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Krankheitsverlauf trotzdem nicht bemerkt werden konnte.

Ab Mitte 2003 bekam John William überhaupt keine Duldung mehr, durfte sich also nicht mehr außerhalb des Abschiebelagers aufhalten. Also ab der Zeit, ab der - nach Aussagen der mit ihm im Abschiebelager zusammen lebenden Flüchtlingen - sich deutliche gesundheitliche Ausfallerscheinungen zeigten. Der Kontakt zwischen John William und seinem Anwalt riss im November 2003 - wahrscheinlich gesundheitsbedingt - ab.

Am 15.03.2004 schrieb sein Anwalt an ihn, um wieder Kontakt zu ihm aufzunehmen. Die Post kam von der Posteingangsstelle der GU-ZAST geöffnet und mit dem Vermerk "Privatpost" versehen am 24.03.2004 wieder bei dem Anwalt an. Gleichzeitig lag John William als komatöser Patient im Uniklinikum Halle-Dölau. Er hatte, wie es bei komatösen Patienten üblich ist, einen Vormund, der eigentlich seine gesamte Post hätte bekommen müssen. Bei dem Vormund kam keine Post an. Laut Gesetz hätte die GU-ZAst die Anwaltspost nicht öffnen dürfen und John Williams Vormund nicht vorenthalten dürfen. Sie handelte also illegal.

Das Anwaltsbüro meldete sich, da die Post zurückkam, bei der GU-ZAST Halberstadt. Die Auskunft wurde mit dem Hinweis verweigert, es müsste erstmal eine Vollmacht vorgelegt werden und der Anwalt sollte sich schriftlich an die GU-ZAST Halberstadt wenden. Dann könne man sich nochmals in zwei Wochen melden. Eine Vollmacht des Anwalts lag seit Beginn der Unterbringung im Abschiebelager Halberstadt vor. Die Akte wurde im Anwaltsbüro beiseite gelegt.

Mitte Juni wurde der Anwalt informiert, dass sein Mandant verschwunden ist. Er erkundigte sich beim Lankreis Anhalt-Zerbst und in Magdeburg. Daraufhin erhielt der Anwalt am 21.06.2004 einen Einzeiler mit der Nachricht "Ihr Mandant ist am 04.04.2004 gestorben".

Am 22.06.2004 kam vom Landesverwaltungsgericht Magdeburg der Beschluss, dass der Einspruch gegen den Bescheid des Verwaltungsgericht Dessau abgelehnt wurde.

Durch den Tod von John William und die zweifelhaften Umstände seiner Beerdigung sind auch die Wohlfahrtsverbände und der DGB, die sich im "Runden Tisch gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" mit Vertretern des Innenministeriums und dem Ausländerbeauftragten treffen, arlamiert worden. In der Vorstandssitzung des "Runden Tisches gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" am 07.07.2004 war der Fall des John Williams Thema. Dabei wurde beschlossen, dass der Vorsitzende des Runden Tischs den Landrat von Anhalt-Zerbst anschreibt, da John Williams dem Landkreis Anhalt-Zerbst als Asylsuchender "zugeteilt" war, um Aufklärung zu verlangen. Die Obhutpflicht lag auch während des Aufenthaltes im Ausreisezentrum Halberstadt beim Landkreis Anhalt-Zerbst. Insbesondere soll interessieren, warum der Anwalt von John William nicht informiert wurde. Es wird sich ebenfalls an den Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt gewandt.
Der Runde Tisch wird auf seiner nächsten Anhörung am 25.08.2004 in Zerbst den Fall abermals behandeln. Der Runde Tisch will so Problembewusstsein schaffen, Ziel soll sein, "derartige Vorgänge zukünftig in Sachsen-Anhalt unmöglich zu machen".

Laut Erlass des Innenministeriums soll die "Betreuung" im Abschiebelager Halberstadt besonders intensiv sein. Wie bei dieser "intensiven Betreuung" ein Mensch schließlich als komatöser Patient in Halle-Dölau ankommen kann, dürfte die Qualität der "Betreuung" illustrieren.

John William bekam in den zwei Jahren im Abschiebelager - vom 25.03.2002 bis zu seinem Tod am 03.04.2004 - keine Passersatzpapiere. In den Erlässen des Innenministeriums Sachsen-Anhalt wird immer wieder behauptet, Zweck des Abschiebelagers sei die besonders intensive Bemühung um Passersatzpapiere. So wird gar die Einweisung in die "Einrichtung" gerechtfertigt. Zweck der "Einrichtung" ist offensichtlich eher: Illegalisierung und Brechung von Menschen, ihr Tod ist einkalkuliert.

Wir fordern deshalb:

Sofortige Schließung des Abschiebelagers Halberstadt!
Verurteilung der Verantwortlichen für John Williams Tod!

Die Anti-Lager-Tour kommt am 26.08.2004 nach Halberstadt. Beteiligt Euch an den Protesten gegen das Abschiebelager Halberstadt! Beteiligt Euch an der Anti-Lager-Tour! Für ein menschenwürdiges Leben von Flüchtlingen in der BRD - und in Sachsen-Anhalt!

Informationen unter:

http://www.ausreisezentren.de

http://www.nolager.de


diether.kuhlmann@friedensbuero.de

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