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Lippische Landes-Zeitung , 24.04.2001 :

"Verantwortung zeigen" / Veranstaltung in der Burgscheune beschäftigt sich mit Karl Friedrich Titho

Von Ulrich Pfaff

Horn-Bad Meinberg. Seit mehr als eineinhalb Jahren hat die "Arbeitsgemeinschaft Fossoli" recherchiert, Informationen zusammengetragen, Kontakte in Deutschland und Italien geknüpft – "wir wollen hier und heute Verantwortung zeigen für die Geschichte", sagt Dieter Zoremba. Fossoli, das ist das Polizeidurchgangslager in der Provinz Modena, das der 89-jährige Karl Friedrich Titho aus Horn 1944 geleitet hatte (die LZ berichtete).

Die "Verantwortung für die Geschichte", das ist ein Abend mit Vorträgen und Diskussionen am 04. Mai, den die AG in der Burgscheune veranstaltet. Wie berichtet hatte Titho im Kriegsjahr 1944 die Leitung des Lagers übernommen, von dem aus Juden in Vernichtungslager deportiert und als Repressalie für einen Partisanenanschlag auf Wehrmachtssoldaten 67 Gefangene erschossen wurden. Auch die Ermordung einzelner Lagerinsassen ist dokumentiert. Nach der Verlegung des Lagers nach Bozen soll es zu weiteren Gewalttaten gekommen sein. Titho wurde bis heute keine Verantwortung oder Beteiligung an den Ereignissen nachgewiesen – die Ermittlungen sowohl in Deutschland als auch in Italien wurden immer wieder eingestellt.

"Hier sitzt seit 50 Jahren einer weitesgehend unbehelligt herum", findet Dieter Zoremba, der in der AG Fossoli mitarbeitet – jetzt soll Titho mit seiner Vergangenheit konfrontiert werden. Denn gerade in Horn sei bekannt, was Titho während des Krieges getan habe, "zu einer öffentlichen Auseinandersetzung ist es in den letzten 50 Jahren aber nicht gekommen". An Tithos Person lasse sich der Umgang mit NS-Tätern in der Bundesrepublik verdeutlichen: kein Verfolgungsinteresse der Justiz, kein Heben des Fingers derjenigen, die von der Vergangenheit wussten.

Die Veranstaltung in der Burgscheune soll die öffentliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit – nicht nur der persönlichen von Karl Friedrich Titho – anschieben. "Nicht zuletzt wollen wir darauf drängen, dass die Menschen hier Verantwortung für die Geschichte übernehmen, indem sie etwa in Horn eine Straße nach einem aus Fossoli deportierten sechs Wochen alten Mädchen benennen", so Diether Kuhlmann von der AG Fossoli.

Weitere Vorschläge sind zum Beispiel die Übernahme der Patenschaft für eine Gedenkstätte durch den Kreis Lippe und die Organisation von thematisch orientierten Studienfahrten.

Authentische Informationen sollen in der Burgscheune vermittelt werden, in mehreren Vorträgen und einer Diskussion. Die AG hat sich auch bemüht, noch lebende Zeitzeugen ausfindig zu machen, die dem Publikum aus erster Hand Eindrücke schildern können – davon gibt es noch etwa 25. Allerdings werden nach Kuhlmanns Angaben keine ehemaligen Lagerinsassen teilnehmen. Es sei jedoch zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Veranstaltung mit ihnen geplant.

Fast fertig ist eine 80-seitige Broschüre, die am 4. Mai zur Verfügung stehen wird: Sie enthält neben einer Biografie Karl Friedrich Tithos, einer Beschreibung der Ereignisse in den Lagern Fossoli und Bozen sowie einem Bericht unter dem Titel "Täter in Lippe" auch die Darstellung eines Stadtspaziergangs in Horn zu bedeutenden Plätzen der NS-Geschichte. Auch mit der umstrittenen Arbeit der Zentralstelle zur Aufklärung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Dortmund.

Dass Karl Friedrich Titho sich bereits in einer italienischen Fernsehsendung, die in dieser Woche ausgestrahlt wird, bei seinen Opfern entschuldigt hat, wertet Kuhlmann als einen richtigen Schritt in Richtung Aufarbeitung.


Detmold@lz-online.de

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