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Lippische Landes-Zeitung , 14.08.2004 :

Leserbrief / Vertreibung / "Kanzler stellt Uneinsichtige bloß", LZ vom 2. August

Unser Herr Bundeskanzler täte gut daran, sich in die damalige Geschichte einzulesen, und zwar in die Zeilen, die das unendliche Leid, den gnadenlosen Hunger und das Elend der Vertriebenen beschreiben. Kein Geringerer als der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hat das Thema aufgreifenswert in seinem Buch "Im Krebsgang" literarisch bearbeitet. Herrn Grass kann man nun wirklich nicht als "Ewiggestrigen" in die rechte Ecke stellen.

Der Landesverband NRW des Bundes der Vertriebenen begrüßt es, dass die Vertreibung der zwölf Millionen Deutschen dem Vergessen entrissen wird. Die Diskussion zu diesem Thema muss vertieft werden, die Kultur und Geschichte der Deutschen im Osten und das damit verbundene Thema Vertreibung und Flucht müssen in die Lehrpläne und Schulbücher.

Vor etwa zwei Jahren wurden im Fernsehen fünf Folgen aus dem deutschen Osten gesendet. Erstaunlicherweise entsprachen 85 Prozent der Wahrheit; die Realität war aber noch grausamer. Es gibt noch Zeitzeugen genug für diese Verbrechen an alten hilflosen Menschen, Mütter und ihren Kindern, die in ihren Armen vor Hunger und Kälte starben und im Straßengraben "beerdigt wurden", nur hastig mit einer Handvoll Schnee zugedeckt. Kinder, die, wie ich, dieses Elend und Sterben miterlebt und überstanden haben, waren über Nacht erwachsen und vergessen das nie!

Es wäre wirklich an der Zeit, das irgendwo in einer deutschen Stadt endlich wenigstens ein Gedenkstein für diese geschundenen Menschen errichtet würde und unser Herr Bundeskanzler dort genauso in Achtung der vielen Toten in Würde sein Haupt neigte, so wie er es in aller Welt tut. Das sollten ihm die eigenen Landsleute wert sein. Es geht hier nicht um Aufrechnung, sondern um ein objektives Bild der Geschichte.

Lydia Paetsch
Lopshorner Weg 29
Augustdorf

14./15.08.2004
detmold@lz-online.de

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