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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 14.08.2004 :

Kriminal-Hotel Hansastraße / Mehr als 1.000 Menschen nächtigen jährlich im Gewahrsam der Polizei in Herford

Von Jobst Lüdeking

Herford. Die weißen Fliesen reichen bis zur Decke. Ein Lüftungsschacht aus Edelstahl endet über dem aus Beton gegossenen grauen Bett. Darauf liegt eine mit Schaumstoff gefütterte braune Kunstledermatratze. Der Acht-Quadratmeter-Raum mit in den Boden eingelassenem Stahl-Steh-WC lädt nicht zum Verweilen ein. An der verbeulten gelbe Stahltür endet aber jeder noch so brachiale Freiheitsdrang. Sie hat innen keine Klinke.

Vier angrenzende Räume mit dem hellgelben Anstrich wirken nicht einladender, sind mit Schriftzügen beschmiert. Die Kreispolizei zählt aber in den beiden Ausnüchterungs- und den drei normalen Zellen an der Hansastraße jährlich mehr als 1.000 unfreiwillige Gäste, die zur so genannten Gefahrenabwehr – etwa bei übermäßigem Alkoholkonsum so wie Randalierens – oder aber als Straftäter, vom Ladendieb bis zum Mörder – hier untergebracht werden. So wie der Mann im Sweat-Shirt, der aus der Dusche kommend an Polizeioberkommissar Udo Hildebrand, Chef des Gewahrsams, und seinem Kollegen von der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung Richtung Zelle vorbeischlurft.

Seine Turnschuhe hat der Mann nicht zugeschnürt. Er muss sie eh ausziehen. "Schuhe könnten als Waffe verwendet werden", erklärt Hildebrand. "Außerdem soll jede Suizidgefahr ausgeschlossen werden.

Männer müssen ihre Gürtel abgeben" , erklärt der 46-Jährige, Frauen werde von einer Kollegin der BH abgenommen. Der Sweatshirt-Träger sitzt wegen Drogenhandels, kommt von einer Vernehmung. Er hat Hunger.

Probleme durch religiöse Essensvorschriften gibt es nicht. Es gibt einheitlich Käsebrote der JVA-Kantine, dazu Säfte, erzählt Hildebrand. Vom promovierten Architekten der wegen Betrugs verhaftet wurde, über Mörder, Bankräuber bis hin zu Schnapsleichen – der Oberkommissar hat unzählige Insassen betreut. Der Ablauf von der Einlieferung bis zur Entlassung wird genau protokolliert – von der sichergestellten Habe bis hin zu den regelmäßigen Kontrollen der Zellen.

Die Reaktionen der unfreiwilligen Gäste, so Hildebrand, fielen unterschiedlich aus. Der als Altenheim–Täter bekannt gewordene Herforder (22) sei sehr unauffällig gewesen. Ganz anders seien Randalierer. Für aggressive Gäste hat das Kriminalhotel Hansastraße aber vorgesorgt. Ein brauner Holzstuhl, auf dem die Personen mit Handschellen fixiert werden. Außerdem hängen Fußfesseln an der Bürowand. "Manchmal wachen stark alkoholisierte Insassen am nächsten Morgen auf, fragen wo sie sind. Wenn sie es erfahren, kommt der Spruch: Oh Gott, dann habe ich wohl wieder mit meinem Nachbarn Schnaps getrunken", so ein Kollege des Oberkommissars.

Wie in teuren Nobelherbergen hat die Polizei selbst für Tiere vorgesorgt. Wenn Herrchen oder Frauchen – wie gestern ein randalierender Hundebesitzer – einfährt, müssen schließlich die Vierbeiner versorgt werden. Deren Unterkunft in einem Zwinger erscheint im Sommer komfortabler. Während Herrchen gestern in die Zelle mit Zwangslüftung wanderte, hatte der renitent bellende, aber nachweislich unschuldige Vierbeiner einen Logenplatz an der frischen Luft.

14./15.08.2004
lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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