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Lippische Landes-Zeitung , 27.03.1993 :

Detmolder besuchten die Asyl-Gemeinschaftsunterkunft in Lübbecke / Vor Ort Vorurteile ausgeräumt

Detmold/Lübbecke. Steigt die Kriminalitätsrate, wenn direkt in der Nachbarschaft eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber entsteht? Müssen die Bürger Angst vor Drogenhändlern oder Prostitution haben? Diese und andere Fragen bewegten Anwohner aus Klüt und Jerxen-Orbke, die gestern auf Einladung der SPD-Ortsvereine Klüt und Jerxen-Orbke und der Pauluskirchengemeinde die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Lübbecke besuchten.

"Hier ist es sehr ruhig, von den Asylbewerbern sind wir noch nie belästigt worden", sagte eine Frau, die direkt gegenüber der ehemaligen englischen Kaserne in Lübbecke wohnt. Mit den Engländern habe es häufiger Probleme gegeben. Die Gäste aus Detmold hatten an ihrer Tür geklingelt, um zu erfahren, wie der Alltag in der Umgebung eines solchen Heimes aussieht. "Wir wollen mit dieser Fahrt die Möglichkeit bieten, sich vor Ort zu erkundigen. Vorurteile können nur abgebaut werden, wenn man direkte und möglichst objektive Informationen erhält", so Gerd Röttgen, Vorsitzender des SPD-Ortsvereines Jerxen-Orbke. "Dabei wollen wir nichts beschönigen, aber auch nichts dramatisieren", ergänzt Pastor Martin Hankemeier (Pauluskirche).

In seiner Nachbarschaft gebe es schon Leute, die Alarmanlagen einbauen, weil sie Angst vor den Asylbewerbern haben, erzählt der 72-jährige Herbert Exler aus Klüt. Er fände es besser, wenn in der Klüter Kaserne keine Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet würde, sagt er. Zwar habe er nicht direkt Angst vor dem, was da auf die Klüter zukomme, aber "man muss eben abwarten". So wie er dachten viele der Mitfahrenden.

"Kein Leben wie im Schlaraffenland"

In der Sammelunterkunft standen Hans Liersch, Polizeihauptkommissar Günter Eberle sowie Bernd Schröder vom Lübbecker Runden Tisch und einige Anwohner Rede und Antwort. "Auch die Lübbecker hatten am Anfang eine negative Grundeinstellung, jetzt hat sich aber gezeigt, dass keine wesentlichen Probleme durch die Asylbewerber entstanden sind", so Schröder. Auch die Angst vor steigender Kriminalität sei unbegründet, so Eberle und Liersch. Lediglich Ladendiebstähle kämen hin und wieder mal vor.

Liersch führte die Detmolder Gäste durch die gesamte Anlage. "Nicht, dass Sie glauben, wir hätten für ihren Besuch extra alles so vorbereitet. Hier können Sie jederzeit unangemeldet auftauchen", räumte er diesbezügliche Bedenken aus. Beindruckt waren die Besucher von den Sport- und Freizeitmöglichkeiten. "Die Verantwortlichen in Detmold sollten sich das anschauen und die positiven Dinge übernehmen." Einig waren sich alle, dass das reibungslose Miteinander innerhalb der Unterkunft aber auch mit den Anwohnern mit der Autorität des Einrichtungsleiters steht und fällt.

Überwiegend positiv war das Fazit der Besucher: "Wir wissen gar nicht wie gut es uns geht. Und jetzt ist auch viel klarer, dass diese Menschen, die aus wirklicher Not zu uns kommen, hier auch nicht wie im Schlaraffenland leben", so eine Stimme auf der Rückfahrt nach Detmold.


Detmold@lz-online.de

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