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Lippische Rundschau , 30.12.1980 :

Für eine friedliche Räumung: Klingenberg-Besetzer präsentieren Bedingungen

Katalog mit fünf Punkten - Straffreiheit erwartet

Detmold (LR). In einem Fünf-Punkte-Katalog haben die Besetzer der ehemaligen Klingenbergschen Fabrik jetzt ihre Bedingungen zusammengefasst, unter denen sie bereit sind, das Gebäude am Tag vor dem Abbruch friedlich zu verlassen. Das Papier wurde auch Bürgermeister Friedrich Vogt und den Fraktionsvorsitzenden der Ratsparteien zugeleitet.

Die Besetzer wollen die ehemalige Fabrik räumen, wenn die Stadtratsfraktionen die ihnen nach dem Antrag des Regierungspräsidenten gegebene Dreimonatsfrist dahingehend nutzen, dass erst einen Monat vor Ablauf der Frist mit dem Abriss begonnen wird und bis dahin das Gebäude weiter als Kultur- und Kommunikationszentrum genutzt werden kann;

- sofort verbindliche Verhandlungen zwischen der Stadt Detmold und den interessierten Gruppen über ein anderes geeignetes, zur Verfügung zu stellendes Haus zwecks Nutzung als selbstverwaltetes Kultur- und Kommunikationszentrum beginnen,

- für die Zeit nach dem friedlichen Abzug angemessene Übergangsmöglichkeiten bereitgestellt werden, in denen ein Kultur- und Kommunikationszentrum weitergeführt werden kann, bis endgültig Räumlichkeiten geschaffen worden sind,

- unter diesen Umständen den Benutzern der ehemaligen Klingenberg-Fabrik Straffreiheit zugesichert wird und

- Vertreter der Ratsfraktionen und der Verwaltung bereit sind, unsere Belange mit uns in Form einer Podiumsdiskussion zu erörtern.

Diese Forderungen haben eine Reihe von Vertretern von Gruppen, u.a. der Kulturinitiative Detmold, der Kreisverband der Grünen und der Jugendkulturinitiative Detmold-West unterschrieben.

"Zeit nach Räumung überbrücken"

In einer Erklärung zu dem Forderungskatalog heisst es, "dass endlich etwas unternommen werden muss zur Deckung des Bedarfs der verschiedensten Gruppen und Organisationen Detmolds nach einem Kultur- und Kommunikationszentrum". Leute, die nicht in das herkömmliche Schema des Kulturlebens hineinpassten, fänden in Detmold keine Möglichkeit, ihr legitimes Bedürfnis auf kulturelle Betätigung zu verwirklichen. So würden Institutionen wie das Landestheater, das Kammerorchester Tibor Varga, das Freilichtmuseum subventioniert, während Initiativen wie z.B. der Kunstmarkt "völlig unzureichend" unterstützt würden. Es müsse endlich die Existenz dieser Gruppen zur Kenntnis genommen und gesehen werden, dass sich schon seit langem ein verändertes Kulturverständnis und -bedürfnis entwickelt habe.

Dieses Kulturverständnis begreife sich als Einheit von Kulturschaffung und Kulturkonsum und bedinge Räumlichkeiten. In Lippe habe diese kulturelle Bewegung eine zehnjährige Geschichte. Die Forderung nach einem Kultur- und Kommunikationszentrum sei bisher an dem "Unverständnis und der Unbeweglichkeit von Rat und Verwaltung gescheitert". Die Zuständigen hätten jahrelang ihr "Desinteresse an einer sozialpolitischen Auseinandersetzung in dieser Sache" dokumentiert, indem sie Eingaben, Unterschriftenlisten usw. "einfach ignorierten". "Wir sahen uns daher gezwungen und verpflichtet, zu Mitteln wie der Besetzung zu greifen, um dies zu verdeutlichen. Wir sehen nach wie vor nicht ein, weshalb das Klingenberg-Gebäude einem Parkplatz oder Atombunker weichen bzw. der Abriss des Gebäudes dazu dienen soll, den Kleinstadtcharakter Detmolds durch eine `verbesserte Verkehrsführung` zu zerstören", heisst es abschließend.


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