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Lippische Landes-Zeitung , 11.12.1992 :

Tag der Menschenrechte - Demo und Kundgebung gegen Rassismus / "Die Würde des Menschen ist antastbar geworden"

Detmold (sk). "Dem Rassenhass keine Chance" - wer am langen Donnerstag gestern in Detmold einkaufte, stieß garantiert irgendwo auf diese Parole. Denn am gestrigen "Tag der Menschenrechte" hatten viele Institutionen, Vereine und Verbände zu Kundgebungen aufgerufen. Während in der Christuskirche die zentrale Veranstaltung mit zahlreichen Wortbeiträgen stattfand, trafen sich schon am Nachmittag Schüler, Eltern und Lehrer, um in zwei Demonstrationszügen durch die Residenz zu ziehen. Wer wollte, schloß sich ihnen an.

Getroffen hatten sich die Demonstranten am Schulzentrum Mitte und am Leopoldinum. Mit Transparenten machten die "Marschierer" auf ihre Postulate aufmerksam. Die Initiative zu der Großdemonstration hatten die Eltern, Schüler und Lehrer nicht zufällig ergriffen: "Auch in den Schulen werden in zunehmenden Maße Schüler mit rassistischen und nationalsozialistischen Äußerungen und Aktionen auffällig. Über Jahre bestand in Detmold-Pivitsheide das ideologische Zentrum der jetzt endlich verbotenen 'Nationalistischen Front'. Neonazis hatten die Schule zu einem ihrer 'Hauptkampfplätze' erklärt", heißt es in dem Aufruf zu der gestrigen Demo.

Die Teilnehmer wollten Zeichen dafür setzen, dass es auch in Detmold eine große Mehrheit von Lehrern, Eltern und Schülern gibt, die Rassismus in jeglicher Spielart verurteilt. Sie bekundeten gestern ihre Entschlossenheit, entschiedener und stärker als bisher diesen Tendenzen entgegenzuwirken. "Zivilcourage eines jeden einzelnen" war auch das Stichwort der zentralen Kundgebung in der Christuskirche, an der die Demonstranten ihren Marsch am späten Nachmittag beendeten.

Veranstaltet wurde die Kundgebung in der großen Christuskirche von zahlreichen Institutionen, Verbänden und Vereinen aus der Residenz. Eröffnet wurde die Versammlung von Pastorin Renate Niehaus von der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde aus Remmighausen. In Redebeiträgen sprachen unter anderem Bürgermeister Friedrich Brakemeier sowie Redner von "amnesty international", vom DGB, Flüchtlingshilfe und der Kirche.

Brakemeier rief dazu auf, wo immer man fremdenfeindliche Tendenzen begegne, diesen entgegenzuwirken. "Gewalt ist kein Mittel, wer schweigt, macht sich mitschuldig", so der Bürgermeister. Rosalia Costagliola von der Flüchtlingshilfe sagte: "Die Würde des Menschen ist antastbar geworden, das Recht auf Asyl eine Farce. Es ist an der Zeit, Zivilcourage zu beweisen." Die Kasernierung von Flüchtlingen in Sammellagern, eine Zwangsverpflegung mit deutschem Großküchenessen und die Ausgabe von Warengutscheinen verletzten die Würde der Flüchtlinge. Es laufe darauf hinaus, die bewusst geschaffene Situation hier weilender Flüchtlinge als Abschreckung gegen künftige Asylbewerber einzusetzen. Die Veranstaltung wurde von mehr als tausend Lippern und Detmoldern besucht, die die Reden zum Teil vor der Kirche über Lautsprecher mitverfolgten.


Detmold@lz-online.de

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