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Lippische Landes-Zeitung , 13.03.1993 :

Informationsbesuch: Wie wird Lübbecke mit der Sammelunterkunft für Asylbewerber fertig? / "Die meisten verhalten sich korrekt"

Von Dieter Asbrock

Detmold/Lübbecke. Die Kaserne sieht aus wie jede andere - nur, dass am Tor groß das Landeswappen prangt, darunter, etwas kleiner, das Enblem des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Dessen Flagge weht als einzige über dem Exerzierplatz, auf dem gerade Fußball gespielt wird. Die Lübbecker Gemeinschaftsunterlunft für Asylbewerber sieht so akkurat aus, als seien die vormaligen Bewohner, britische Soldaten, erst vor fünf Minuten abgezogen.

Diese Kulisse war der Auftakt eines Informationsbesuches, zu dem Politiker und Vertreter des "Runden Tisches" gestern aufgebrochen waren. Sie wollten mit eigenen Augen sehen, wie eine solche Sammelunterkunft aussieht, die auch in der Klüter Kaserne entstehen soll - und hatten reichlich Fragen im Gepäck.

Betreut werden die Asylbewerber in Lübbecke vom DRK. Die Leitung der Unterkunft hat der Augustdorfer Hans Liersch, ein Mann, der Autorität ausstrahlt und dem man ohne weiteres abkauft, dass er seinen Laden im Griff hat. Ihm zur Seite stehen 37 weitere Mitarbeiter, davon 28 Vollzeitbeschäftigte und sechs aus den Reihen der Asylbewerber ausgewählte Kräfte, die der wichtigsten Sprachen mächtig sind.

307 Person sind zur Zeit in der Kaserne untergebracht, in der Vorwoche waren es noch 468, und Liersch rechnete damit, dass es kurzfristig auch 600 werden können. Dreimal täglich wird Essen ausgegeben, demnächst aus einer eigenen Küche. Wer selber kochen will, etwa aus religiösen Gründen, hat auch dazu Gelegenheit. Vandalismus gebe es kaum, Probleme mit der Ordnung auch nicht. "In dieser Küche wurde heute nacht wegen des islamischen Ramadan-Festes gekocht", erläuterte Liersch beim Rundgang. "Heute morgen war alles wieder picobello sauber."

Natürlich gab es auch in Lübbecke im Vorfeld heiße Diskussionen um die Unterkunft, die den derzeit in der Residenzstadt geführten Auseinandersetzungen stark ähneln. Der Lübbecker Runder Tisch bemühe sich nach Kräften, den Asylbewerbern zu helfen und Politisierern das Wasser abzugraben, so ihr Sprecher Bernd Schröder. "Die Zusammenarbeit ist ausgezeichnet", bestätigte Liersch.

Auch die Aufregung in der Nachbarschaft habe sich mittlerweile gelegt. "Probleme resultieren meist aus dem Verhalten der Bevölkerung", stellte ein Polizeivertreter fest. Dass die Polizei ständig present ist, beruhigt beide Seiten, Anwohner wie Asylbewerber. "Der größte Teil der Bewohner verhält sich korrekt und unauffällig." Dass niemand unkontrolliert das Tor der ehemaligen Kaserne passiert, ist ein weiteres, Sicherheitsmoment, ebenso das seperate Frauenhaus und der Zaun. "Sonst haben wir hier sofort Zuhälter oder Dealer", schätzte Liersch.

Um die Bewohner "bei Laune" zu halten, wird einiges organisiert: Es gibt eine Töpferei, eine Hobbyküche, eine Bibliothek, einen Kindergarten, man organisiert Ausflüge, und auch die Kontakte zur Bevölkerung entwickeln sich allmählich. "Man muss sich halt etwas einfallen lassen", meinte Liersch.


Detmold@lz-online.de

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