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Vlothoer Anzeiger , 29.01.2005 :

Verurteilter Ex-NPD-Anwalt bleibt Phantom / Antifa-Versammlung vor Collegium Humanum / Grüne Liste Vlotho vor Ort / Polizeisprecher: "Mahler nicht gesehen"

Von Oliver Plöger und Michaela Berbalk

Vlotho (va). Die Information war im Internet verbreitet worden: Im Collegium Humanum sollte gestern ein Seminar mit dem Titel "Die Entwicklung und Bedeutung des Christentums in Mitteleuropa" stattfinden. Einer der erwarteten Teilnehmer war der rechtskräftig wegen Volksverhetzung verurteilte ehemalige RAF- und NPD-
Rechtsanwalt Horst Mahler.

Bereits in den frühen Nachmittagsstunden versammelten sich etwa 20 Aktive der Antifa-West aus Bielefeld vor der rechten Seminarstätte an der Bretthorststraße. "Wir wollen Präsenz zeigen", meinte ein Mitglied der Gruppe, und man habe nicht vor, den Teilnehmern des Seminars den Zugang zu versperren. Gerade angesichts der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 60 Jahren war es der Antifa ein Bedürfnis, friedlichen Protest zu üben. "Die Holocaust-Überlebenden würden es genau so sehen", war sich ein Teilnehmer sicher.

Präsenz zeigten unterdessen auch die Kräfte der Kreispolizeibehörde, die sich mit Hunden und mehr als zehn Fahrzeugen direkt vor dem Gebäude platziert hatten. Vor Ort auch die Ratsfraktion der Grünen Liste Vlotho (GLV), die den Seminartermin ebenfalls aus den einschlägigen Internet-Veröffentlichungen erfahren hatte. "Wir gehen danach auch davon aus, dass der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub an diesem Seminar teilnimmt", meinte GLV-Ratsmitglied Jürgen Kusche. Der Schweizer hatte Mitte der neunziger Jahre hier bereits über die "Krise des Reichsgedankens" und das "Menschenbild im Mittelalter" referiert. Den Informationen Kuschen zufolge solle es in dem für gestern angekündigten Seminar darum gehen, dass "Jesus in Wirklichkeit ein Arier" gewesen sei.

Für die GLV hat das Gebäude, die "alte" Schule, eine tragische Bedeutung. Hier sei es losgegangen mit der Grünen-Bewegung. "Petra Kelly und all die anderen waren hier", blickte Jürgen Kusche nicht ohne Wehmut auf das jetzige Domizil des Collegium Humanums hinüber. Die Stadt Detmold habe ein "ähnliches Problem" wie Vlotho gehabt, so Kusche weiter. Dort sei man die Neo-Nazis schließlich wegen Verstöße gegen Auflagen des Gesundheitsamtes los geworden.

Währenddessen trafen die Gäste ein und gingen samt Gepäck an Polizei und Demonstranten vorbei ins Haus. Ein Teilnehmer wies die Polizei auf Schäden an seinem Fahrzeug hin - offenbar sah er die Verantwortlichen unter den Antifa-Aktiven.

Die friedliche Antifa-Versammlung löste sich gegen 18.15 Uhr auf. Horst Mahler, so Polizeisprecher Wolfgang Haase, sei nicht gesichtet worden. "Das heißt aber nicht, dass er nicht da war. In den vergangenen Jahren aber haben wir stets erfahren, wenn Mahler in der Seminarstätte war."

Erst vor wenigen Tagen war Mahler wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Begründung: Der 68-Jährige hatte den Hass auf Juden als etwas ganz Normales bezeichnet. Ob er die Strafe angetreten hatte, war der hiesigen Polizei nicht bekannt.

Vor einigen Wochen waren in Vlotho professionell aufgemachte Flugblätter aufgetaucht, die für die so genannte "Reichsbürgerbewegung" warben. Auch deren Urheber soll Horst Mahler sein.

29./30.01.2005
redaktion@vlothoer-anzeiger.de

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