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Lippische Landes-Zeitung , 26.06.1993 :

Nationalistische Front führt Kampf nach dem Verbot "jetzt erst richtig weiter" - Mitglieder der Bürgerinitiative angegriffen / Bewohner des NF-Zentrums warfen mit Steinen

Detmold-Pivitsheide (sm). Der ehemalige Vorsitzende der verbotenen Nationalistischen Front (NF), Meinolf Schönborn, hat seine Drohung, "den Kampf jetzt erst richtig weiterzuführen", wahrgemacht: Mitglieder der Pivitsheider Bürgerinitiative gegen ein NF-Zentrum wurden am hellichten Tag in der Quellenstraße mit Steinen beworfen. Wie die LZ "vor Ort" erfuhr, geben sich trotz des vom Bundesinnenminister im vergangenen November ausgesprochenen NF-Verbotes die Schönborn-Anhänger im Partei- und Schulungszentrum weiter unverhohlen die Klinke in die Hand.

Schönborn, dessen "Klartext"-Verlag ebenfalls verboten wurde, füllt die Parteikasse inzwischen mit einem neuen Versandhandel. In speziellen Katalogen werden nicht nur Sturmhauben und Reichskriegsflaggen, sondern auch Sonderdrucke "Die Ritterkreuzträger der Leibstandarte SS Adolf Hitler" und allerlei "Bücher für Nationalisten" samt Kassetten mit Kampf- und Soldatenlieder angeboten. Außerdem wird am Stammsitz regelmäßig die schwarz-rot-weißeReichsfahne gehißt.

Pivitsheider Bürgerinnen und Bürger haben für die zunehmende Brutalität der Rechtsextremisten nur eine Erklärung: "Sie haben richtig Angst davor, dass ihr Treiben beobachtet wird." Zum Alltag in der Quellenstraße gehören nach diesen Angaben nicht nur Schieß- und Kampfsportübungen auf dem Grundstück und in dem angrenzenden Waldgebiet. Darüber hinaus sollen die Bewohner des Hauses enge Kontakte zum Deutschen Hochleistungs-Kampfkunstverband (DHKKV) pflegen. Wie die LZ aus gutunterrichteter Quelle erfuhr, betrieb die DHKKV in Solingen ein rechtsextremistisches Trainings- und Schulungslager. Drei der vier im Zusammenhang mit den Morden an türkischen Mitbürgern in Solingen verhafteten Männer sollen im DHKKV-Zentrum trainiert haben.

Der "Kampfkunstverband" ist unter anderem auch als Schlägertruppe bei einer gemeinsamen Veranstaltung der NF, "Stützpunkt Rhein-Sieg", und des "Förderkreises Freies Deutschland" im vergangenen Jahr in Bonn aufgetreten. In einem Flugblatt wurde den DHKKV-Aktivisten bescheinigt: "Jeder ist ein Meister seines Fachs." Das Trainingscamp wurde nach den Morden geschlossen. Vom ehemaligen Leiter Bernd Schmitt fehlt seither jede Spur. Mit dem Fahrzeug des Verbandes, das mehrfach auch in der Pivitsheider Quellenstraße vorfuhr, wird noch immer der Briefkasten des DHKKV in Solingen geleert.

Auch finanziell geht es Schönborn, der sich öffentlich darüber beschwert hat, dass ihm nach der Hausdurchsuchung nur zwei Hitler-Bücher ausgehändigt und die anderen einbehalten wurden, allem Anschein nach blendend. Inzwischen ist er alleiniger Besitzer des Anwesens in der Quellenstraße 20. Außerdem hat der Kopf der NF eine Bauvoranfrage für die Errichtung von zwei Doppelhäusern in unmittelbarer Nachbarschaft des Schulungszentrums gestellt. In einem "Bericht zur Lage" kritisiert Schönborn die "hündische Ergebenheit unserer Politiker gegenüber allem Ausländischen". Er zeigt sich siegessicher: "Wir alle wissen, dass es solche Politiker gibt. Deshalb werde ich diesen Kampf weiterführen. Unter meiner Führung war die Nationalistische Front bisher in diesem Kampf sehr erfolgreich und hat auf vielen Gebieten politische, methodische und organisatorischeAkzente gesetzt ... " Deshalb will Schönborn, wie er schreibt, "weiter Flugblätter verteilen, den Widerstand organisieren und für Deutschland kämpfen".

Nach Meinung der Bürgerinitiative nütze es gar nichts, über ein Verbot des NF-Ablegers "Förderwerk der mitteldeutschen Jugend" in Brandenburg nachzudenken, solange beispielsweise in der Quellenstraße nicht auf die Einhaltung der ausgesprochenen Verfügung geachtet werde.

Wie es weitergehen wird in der Quellenstraße? Viele Gesprächspartner haben Angst vor dem Zulauf weiterer Sympathisanten und den vielfältigen Vernetzungen rechtsextremistischer Verbindungen bundesweit. Sie sind der Auffassung, dass unbedingt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die NF-Aktivitäten vorgegangen werden muss.

26./27.06.1993
Detmold@lz-online.de

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