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Lippische Landes-Zeitung , 02.04.2005 :

Die Erinnerung brennt noch lichterloh / Als Achtjähriger erlebte Hermann Köller den Bombenangriff auf Barntrup und das Kriegsende

Barntrup. Samstagnachmittag vor Ostern 1945: Jagdbomber nehmen Barntrup ins Visier. Das Haus in der Oberen Straße 36, in dem Hermann Köller lebt, gerät in Brand. Die Bewohner fliehen voller Angst erst in den Keller, dann suchen sie im Eckhaus gegenüber vor den Flammen Schutz. Die Erinnerungen des damals Achtjährigen sind äußerst lebendig. Der heute 68-Jährige erzählt vom Kriegsende in seiner Heimatstadt vor 60 Jahren.

"Barntrup war bis dahin von Kriegserlebnissen verschont geblieben", berichtet Köller. Es hatte zwar Fliegerangriffe auf Züge gegeben, die Kohlen transportierten. Und ein angeschossenes Flugzeug hatte seine Bomben im Wald abgeworfen. Köllers Bruder, der sich den Trichter verbotenerweise angeschaut hatte, bekam eine Tracht Prügel vom Lehrer.

Doch dann machen Fahrzeuge der Essener Feuerwehr auf den Barntruper Straßen Halt - sie sind auf der Flucht in den letzten Kriegstagen. Die Amerikaner halten sie für Militärfahrzeuge und schicken ein Dutzend Flugzeuge los, welche die Stadt mit Bomben und Bordwaffen unter Beschuss nehmen.

Köller hat es hautnah miterlebt. Leuchtspurgeschosse setzen den mit Heu und Stroh gefüllten Dachboden in Brand. Der 14-jährige Bruder lässt das Vieh aus dem Stall hinter dem Haus.

Auf dem Schlossgelände untergebrachte Russen, die als Zwangsarbeiter auf Bauernhöfen arbeiten, verputzen den Hasenbraten, der in der Küche für den Sonntag steht, doch helfen sie zu retten, was noch zu retten ist. Die Mutter hatte den Männern ab und an Tabakreste durch eine Kellerluke zugesteckt, erinnert sich Köller. Der Großvater kommt zu Hilfe. Doch umsonst, das Haus brennt bis auf die Grundmauern ab.

Mehrere Bomben reißen große Trichter in die Große Twete und die Mittelstraße. Die Wasserversorgung ist unterbrochen und die wenigen Feuerwehrmänner, die sich noch im Ort befinden, haben kein Löschwasser mehr. Mehrere Häuser brennen nach dem Bombenangriff ab, andere werden von Bomben getroffen und zerstört. Insgesamt sind 23 Häuser nicht mehr bewohnbar, 12 Menschen sterben. Köllers Vater befindet sich noch im Krieg. Mutter und Söhne kommen bei Verwandten unter. Die Schweine werden notgeschlachtet, weil ein Stall fehlt - "Das Fleisch haben wir noch monatelang gegessen, weil es weg musste." Die Familie besaß zur Selbstversorgung zwei Schweine, zwei Ziegen und 60 Hasen.

"Nicht sehr erpicht auf lippische Wurst"
Hermann Köller

Amerikanische Panzer machen die Straße später wieder befahrbar, und die Wasserleitung wird nach einigen Wochen repariert. Bis dahin muss jeder Tropfen von den Pumpen auf der Marsch oder am Teichberg geholt werden. "Wir sind zur Bleichwiese mit den Handwagen gefahren, ein Schinkenbrett schwamm auf dem Eimer, damit nicht zu viel rausschwappte", erinnert sich der Barntruper.

Am 4. April 1945 rollen die Amerikaner mit Panzern in die Stadt. Familie Köller belädt ihren Bollerwagen mit Habseligkeiten und flüchtet sich zu Verwandten ins Bellenbruch. "Wir haben gehört, dass ein paar Mal geschossen wurde, auch in den Wald hinein." Schließlich hatte es einige Tage vorher einen Aufruf gegeben, die Stadt zu verteidigen.

"Als die große Gefahr vorbei war, gab es in der Stadt ein großes Aufatmen", so der Barntruper. Beim Minensuchen im Garten seiner Tante graben Soldaten die Vorräte der Familie aus und stellen sie ihr wieder hin - "Sie waren wohl nicht sehr erpicht auf lippische Wurst", schmunzelt Hermann Köller. Not gelitten habe die Familie dank des Viehs nie. Doch leicht hat es der Junge nicht. Da seine Mutter bei der Anzucht von Bäumen im Tannengarten hilft, kann der eigene Acker nur sonntags bestellt werden, weil dann ein Pferdegespann vom Schloss zur Verfügung steht. Jeden zweiten Tag muss Grünfutter, teilweise vom Windmühlenstumpf, für das eigene Vieh geholt werden. Nach und nach geht es in Barntrup weiter bergauf.

Die evangelische Kirchengemeinde, bei der sich Hermann Köller als Kirchenvorstandsvorsitzender engagiert, gedenkt des Kriegsendes am Montag, 4. April, um 19 Uhr in der Kirche.

02./03.04.2005
Lemgo@lz-online.de

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