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Westfälisches Volksblatt , 02.04.2005 :

Nazi-Schergen geben Fersengeld / So erlebte Büren das Ende des Hitlerkrieges / Teil II des Schmücker-Tagebuchs

Büren (WV/hpm). Detailliert hat der ehemalige Gehörlosenlehrer Josef Schmücker seine Eindrücke vom Kriegsende in Büren festgehalten. Im ersten Teil seiner Aufzeichnungen beschrieb er die Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner und die allgemeine Unsicherheit. Teil II schildert nun die Versuche, einen Volkssturm auf die Beine zu stellen und die Absetzbewegungen der Nazigrößen.

"Am Karfreitagvormittag hatten sich amerikanische Panzer von Brilon aus durchs Möhnetal in Richtung Rüthen in Bewegung gesetzt. Bei der Möhneburg war ein Teil in Richtung Rüthen weitergefahren. Der andere Teil war nach Alme abgebogen und von dort nach Wünnenberg gefahren.

Am Abend des Karfreitag hatten sich zwei Panzer von Wünnenberg aus bis zur Mühle in Leiberg vorgewagt. Die auf Rüthen zufahrenden Panzer befuhren auf den Haarhöhen den kleinen Hellweg in Richtung Paderborn. Diese Panzer fuhren gegen 14 Uhr zwischen Büren und Steinhausen durch. Einige Männer, vor allem aber Jugendliche aus Büren, liefen zum Schorn, um die Panzer zu beobachten. Von der Brenkener Straße aus konnte man die über den kleinen Hellweg rollenden Panzer auch gut sehen. An der Kreuzung Brenkener-Haarenerstraße lagen noch einige SS-Männer mit Panzerfäusten.

Der spätere Bürgermeister und Stadtdirektor Dr. Wand bewog diese, angesichts der auf der Höhe rollenden Panzer, in Richtung Brenken abzuziehen. So waren wir auch diese los. Die am Kapellenberg liegenden SS-Leute traten nicht in Aktion. Es wäre auch sinnlos gewesen.

Am Nachmittag sollten alle Männer, die nach 1896 geboren waren, im Volkssturm antreten. Es erschienen nur zwei Mann auf dem Marktplatz. Sie verdrückten sich aber bald wieder. In Büren war kein Kreisleiter, weil die Kreise Paderborn und Büren parteipolitisch vereinigt waren. Mitte März war der Kreisleiter Pfeffer von Bocholt nach hier geflohen und hatte die Parteigeschäfte übernommen. Er versuchte von Donnerstagnachmittag an, den Widerstand und die Verteidigung zu organisieren. Dabei stieß er jedoch auf passiven Widerstand.

Lehrer hatte schussbereite Pistole dabei

Die Parteiknute war noch so mächtig, dass niemand ein offenes oder lautes Wort wagte, obschon jeder wusste, dass Widerstand oder Verteidigung die Zerstörung unserer Stadt bedeutet hatte. Es fehlte aber nicht an Männern, die doch bereit waren, das Schlimmste zu verhindern. So trug Lehrer Godde die schussbereite Pistole in der Tasche, um den Kreisleiter umzulegen, falls er die Verteidigung durchgesetzt hatte. Wäre ein Schuss gefallen, dann wäre wohl sogleich die Hand voll Nazis erschlagen worden Das Volk bangte um die Stadt. Der jahrelang verhaltene Groll stieg auf.

Als der Kreisleiter die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen einsah, wollte er sich am Karfreitagnachmittag mit seinem Wagen aus dem Staube machen. Der Wagen stand auf dem Marktplatz und rührte sich nicht. Unbekannte Täter hatten die Batterie herausgenommen. Der Stadtbrandmeister Adams stellte später den Wagen im Gerätehaus sicher. Der Kreisleiter floh mit seiner Familie in einem anderen Wagen.

Dem Ortsgruppenleiter Holzhauer wurde auch der Boden zu heiß. Am Nachmittag riss er auf seinem Fahrrad aus. Stock, ein Lehrer aus Neuwied, die rechte Hand des Ortsgruppenleiters - die eigentliche Triebkraft im Parteileben Bürens und bestgehasste Mann im Ort - wollte sich nachmittags auf dem Soziussitz eines Motorrades nach Geseke bringen lassen. Der Fahrer setzte ihn auf dem Kapellenberg ab, von wo er zu Fuß das Weite suchte.

Weiße Flaggen wurden auf dem Kirchtum gehisst

Die letzte Nazigröße - Landrat Eickel, Inhaber des goldenen Parteiabzeichens - stand einsam auf dem Markt. Holzhauer, Stock und Eickel kamen nach drei Wochen zurück. Sie kamen sogleich in Internierungslager. Als die Parteimächtigen geflohen waren, steckte Dr. Schlotmann als erster die weiße Fahne aus. Das war gegen 16.30 Uhr. Zur gleichen Zeit stiegen der Küster Schaadt und der Lehrer Godde auf den Kirchturm und hissten dort die weiße Fahne. Gegen Abend hatten fast alle Hauser weiß geflaggt. Aber die amerikanischen Panzer kamen und kamen nicht."

02./03.04.2005
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