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Westfalen-Blatt , 09.05.2005 :

Leitartikel / Weiterhin würdiger 8. Mai / Gedenkworte, die Hoffnung geben

Von Rolf Dressler

Am 8. Mai 1945 schwiegen die Waffen. Zunächst zumindest an allen wichtigen Fronten des mit Abstand schauderhaftesten Weltkriegsgemetzels der Menschheitsgeschichte. Dennoch aber nahm der mühevoll lange und steinige Weg zu gesichertem Frieden in dieser Stunde Null erst seinen Anfang.

Sehr angemessen und wohltuend würdig wurde gestern nun, 60 Jahre danach, vielerorts auf dem Erdenrund der unermesslichen geistig-moralischen, seelischen und physischen Verwüstungen gedacht, die damals angerichtet worden sind. Einzig das besessen Böse im Menschen vermag dergleichen zu verbrechen. Deshalb kann und sollte sich der Homo sapiens, die höchst anfällige "Krone der Schöpfung", keinesfalls auf irgendeine anonyme Teufelsmacht herausreden, der er ohnmächtig ausgeliefert werde.

Verschulden und Schuld sollten allerdings wahrheitsgetreu und redlich zugeordnet werden. Alles andere legt nur den Keim für womöglich neuen Unfrieden zwischen politischen Führungspersonen, Völkern und Nationen.

"Der Hauptfehler des Menschen bleibt, dass er so viele kleine hat."
Jean Paul

Ungemein tief wirken sie nach, die Verwerfungen jener exakt 2.077 Weltkriegstage zwischen dem 1. September 1939 und dem 8. Mai 1945. Folglich mussten sich "die Deutschen" nun - gerade auch von eigenen namhaften Zeitungen wie etwa der "Frankfurter Rundschau" und der "Süddeutschen Zeitung" - erneut unerbittlich scharf rüffeln lassen. Ihr beinahe vernichtender Befund:

Die angebliche Aufarbeitung von Hitlers Tyrannei und Zweitem Weltkrieg sei ein Fiasko geblieben bis heute; kurzum, "bewältigt ist gar nichts". Soll heißen: Widerrede zwecklos, ja, sogar gefährlich. Die "FR" macht sich sogar ein bisschen lustig über angeblich weithin fruchtlose "Erziehungserfolge" bzw. Umerziehungserfolge, während andere Kommentatoren "den Deutschen" sechs Jahrzehnte danach immerhin gnädig ein Recht zugestehen, auch der eigenen Leiden zu gedenken. Aber Vorsicht, wer (als Deutscher) beispielsweise Hitlers Nationalsozialismus und Stalins Kommunismus als "zwei gleich grausame Brüder" bezeichnet, wie es Lettlands Ministerpräsident Indulis Emsis getan hat, muss sich auch künftighin darauf gefasst machen, als "tumber Rufrechner" angeprangert zu werden. Und zwar selbst dann, wenn er - ob in privater Runde, als Politiker oder als Zeitungskommentator - immer und immer wieder vorausschickt, dass jedes einzelne durch Gewalt und Krieg ausgelöschte Menschenleben schon eines zu viel ist.

So genannte "Geschichtspolitik" (!?) gibt uns Deutschen aber nicht mehr allein die (Ge-)Denkrichtung vor. Die jahrzehntelang niederdrückenden Thesen von der angeblichen deutschen Alleinkriegsschuld und der Kollektivschuld konnten vor der geschichtlichen Wahrheit auf Dauer nicht Bestand haben. Dafür stehen gerade auch die dankenswert ehrlichen Gedenkreden zum 8. Mai.

Auch die Scham über Hitlers Verbrechen im Namen Deutschlands kann niemand "relativieren".


wb@westfalen-blatt.de

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