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Tageblatt für Enger und Spenge / Neue Westfälische , 10.05.2005 :

"Stadt hat ein hohes Interesse an den Stolpersteinen" / Öffentliche Erklärung von Rat und Verwaltung

Enger (chu/nw). Im nicht öffentlichen Teil der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses haben sich die Engeraner Verwaltung und die vier im Rat vertretenen Fraktionen darauf geeinigt, sich in Sachen "Stolpersteine für Enger" (NW berichtete ausführlich) "nicht auseinanderdividieren zu lassen". In der folgenden Erklärung, die vom Bürgermeister und den Fraktionsvorsitzenden unterzeichnet ist, wird der Standpunkt der Stadt erläutert. Die Tür wird dabei noch nicht zugeschlagen.

"Zum Sachstand des Projektes und dem Artikel "Stolpersteine doch noch verstolpert?" in der Neuen Westfälischen vom 27. April sowie dem Leserbrief "Beruflicher Schaden", erschienen in der Neuen Westfälischen am 28. April, geben Rat und Verwaltung der Stadt Enger hiermit folgende Erklärung ab:

Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Enger hat in seiner Sitzung am 7. Februar dem Antrag von Frau Angelika Tiemann auf Umsetzung des Projektes "Stolpersteine" zum Gedenken an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Enger einstimmig zugestimmt und die Verwaltung beauftragt, mit den Personen, die das Projekt umsetzen möchten, einen den Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes entsprechenden Gestattungsvertrag abzuschließen.

Ein Gestaltungsvertrag nach den Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes räumt zunächst allgemein einer bzw. mehreren Personen das Recht ein, eine Straße über den Gemeingebrauch hinaus zu benutzen oder zu verändern. Wenn dabei an einer Straße etwas dauerhaft verändert wird, wie hier der Fall, ist zu regeln, wer die Kosten trägt, wer darauf achtet, dass das Veränderte erhalten bleibt und wer für Schäden aufkommt, die durch die besondere Nutzung der Straße entstehen.

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 9. Februar über die positive Beschlussfassung des Haupt- und Finanzausschusses informiert. Mit Schreiben vom 15. Februar erhielt sie den Entwurf eines Gestattungsvertrages. Ihr wurde versichert, dass die Stadt Enger sie bei der Durchführung des Projektes im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten unterstützen wird und der Gestattungsvertrag in erster Linie die technischen Rahmenbedingungen regelt. Außerdem wurde sie gebeten, die Forschungsergebnisse, die zur Auswahl der Standorte geführt haben, der Stadt Enger zur Verfügung zu stellen. Damit sollte gewährleistet werden, dass die Stadt auf Dauer dokumentieren kann, welche Informationen zur Auswahl der Standorte geführt haben, um Anfragen interessierter Mitbürgerinnen und Mitbürger beantworten und möglichen kritischen Einwänden begegnen zu können.

Die Antragstellerin zeigte sich mit einzelnen technischen Regelungen im Entwurf des Gestattungsvertrages nicht einverstanden. Vor allem aber akzeptierte sie nicht die Forderung nach den Forschungsergebnissen. Sie interpretierte diese Forderung als unsachgemäßen Zweifel an der Korrektheit ihrer Recherchen und untersagte "hiermit nachdrücklich und unwiderruflich jedwede Verwendung meiner Ergebnisse vor der offiziellen Publikation" (Zitat aus einer E-Mail der Antragstellerin vom 18. Februar).

Im weiteren Schriftwechsel versuchte die Verwaltung, die Befürchtungen und Bedenken der Antragstellerin auszuräumen. Frau Tiemann wurde mehrfach versichert, dass ihre Fachkompetenz nicht in Frage gestellt wird und die geforderten Unterlagen lediglich dazu dienen sollen, auch in der Zukunft die Hintergründe und Inhalte dieses Projektes eindeutig erklären zu können. Ausdrücklich wurde betont, dass die Belange des Urheberrechtsschutzes berücksichtigt werden sollen.

Die Verwaltung erhielt von der Antragstellerin jedoch eine klare Absage. Sie kündigte an, ihr Anwalt werde sich der Angelegenheit annehmen. Das ist bis heute nicht geschehen. Des Weiteren verbat sie sich jegliche Kontaktaufnahme der Stadt Enger mit ihr. Aus diesem Grund ist eine weitere verwaltungsseitige Bearbeitung und Unterstützung des Projektes "Stolpersteine" zurzeit nicht möglich.

Die Verwaltung hat sich trotzdem in einem weiteren Schreiben vom 24. März nochmals bemüht, sprachliche Missverständnisse aufzuarbeiten. Der Antragstellerin wurde verdeutlicht, dass sich die Stadt Enger nicht ihre Forschungsergebnisse aneignen will, sondern lediglich dokumentieren muss, welche Erkenntnisse zu der Standortauswahl geführt haben. Ihr wurde vorgeschlagen, eine kurze Zusammenfassung ihrer Erkenntnisse einzureichen und mit Hinweisen auf ihre Quellen zu versehen. Das Schreiben kam urschriftlich mit folgendem Hinweis zur Verwaltung zurück: "Unterlassen Sie gefälligst weitere unverschämte und verlogene Belästigungen. Sie erhalten nichts an Informationen. Warten Sie auf das Schreiben meines Anwaltes."

Am 26. April wurde die Verwaltung von der Antragstellerin in einer umfassenden Stellungnahme darüber informiert, dass sie das Projekt nicht umsetzen wird. Die Öffentlichkeit wurde durch den Artikel "Stolpersteine doch noch verstolpert ?" in der Neuen Westfälischen vom 27. April in Kenntnis gesetzt.

Rat und Verwaltung der Stadt Enger begrüßen ausdrücklich das persönliche Engagement, mit dem sich sowohl Frau Tiemann als auch der Künstler Günter Demnig bisher in das Projekt eingebracht haben. Auch die Stadt Enger hat ein hohes Interesse an dem Fortgang und der Vollendung des Projektes. Sie bietet deshalb weiterhin die größtmögliche Unterstützung an, wobei sie aber in ihrer Funktion als zuständige Eigentümerin der Straßenflächen und Verantwortungsträgerin handeln muss."


lok-red.enger@neue-westfaelische.de

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