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Die Glocke , 10.05.2005 :

Szenische Lesung zum 60. Jahrestag der deutschen Kapitulation / Das Unfassbare eindrucksvoll erfasst

Sendenhorst (gat) Mit dem 8. Mai verbinden viele den Muttertag oder aber, sofern sie in Sendenhorst Zuhause sind, den Vier-Türme-Markt. In erster Linie jedoch ist der 8. Mai das Datum der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Jahre 1945 und als solches ein Datum, mit dem Menschen verschiedenste Erinnerungen oder Gedanken in Verbindung bringen.

Diesen Gedanken und dem Versuch, das Unfassbare zu erfassen, gingen am Sonntagabend im Haus Siekmann Menschen der Kriegsgeneration und junge Menschen von heute gemeinsam nach und boten den zahlreichen Zuschauern eine authentische und genau aus dem Grunde beeindruckende Vorstellung. Schon vorher hatte die Sendenhorster Teigelkampschule mit einer Ausstellung die Schrecken der NS-Zeit ein Stück real gemacht, nun trug in Form einer szenischen Lesung die Realschule unter Regie von Jürgen Krass ihren Teil dazu bei, den Zweiten Weltkrieg und insbesondere das Kriegsende in das Bewusstsein zu rücken.

Anette Watermann-Krass leitete das Theaterstück mit einer nachdenklichen Ansprache ein, in der sie das Kriegsende als das "Ende eines deutschen Irrweges, das den Keim zur Hoffnung in sich barg" bezeichnete und eindringlich darauf verwies, dass erst die Beschäftigung mit diesem Thema zeige, "wie wenig selbstverständlich und wie ungeheuer wichtig zugleich die heutigen Errungenschaften Freiheit, Gleichheit, Demokratie und Menschenrechte sind." In den darauf folgenden zwei Stunden zog die szenische Lesung mit ihrer Authentizität und ihrer meditativen Wirkung die Zuschauer in ihren Bann. Jasmin Uysal, Simon Stellmach und Lea Marie Koch aus der sechsten Klasse der Realschule stellten mit kindlicher Neugier und Unbefangenheit vier Zeitzeugen Fragen zu ihren Erlebnissen, Erinnerungen und Gefühlen, aber auch zu alltäglichen Dingen wie dem Schulbesuch oder ihrer Freizeit. Marianne Krabbe, Magdalene Arens-Sommersell, Bernhard Schmies und Walter Schulze Derne Bockholt berichteten daraufhin teilweise zu Tränen gerührt von ihren Erlebnissen während der Kriegszeit. Sie berichteten vom täglichen Überlebenskampf, der immer währenden Kriegspropaganda, dem Versuch, die "Normalität" beizubehalten, erzählten von der Grausamkeit des Krieges und der Kriegsgefangenschaft. Endete eine Schilderung, sorgte Dr. Matthias Sommer mit seinem wehmütigen Klarinettenspiel für den passenden Übergang zur nächsten Szene. Denn im Anschluss an jeden Beitrag der vier Zeitzeugen verlasen Tobias Bäcker, Georg Weng und Ulla Brinkschulte ebenfalls auf sehr authentische Weise Erlebnisberichte von "Zeit"-Redakteur Theo Sommer, von Heinrich Böll und von verschiedenen Frauen, die die Kriegs- und Nachkriegszeit miterlebten.

Mit diesen wechselnden Perspektiven und dem Zusammenspiel von Zeitzeugen, Erwachsenen der Nachkriegsgeneration und jungen Menschen veranschaulichte die szenische Lesung die gemeinsame Verarbeitung der NS-Zeit und bot den beeindruckten Zuschauern eine Vorstellung, deren Wirkung mit Sicherheit noch lange anhalten wird.


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