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Lippische Landes-Zeitung , 14.06.1993 :

Diskussionsveranstaltung des DGB gegen Fremdenhass im VHS-Haus / Ausländer als Sündenböcke

Bad Salzuflen (katz). "Aus der Geschichte lernen, um die Vergangenheit zu verstehen" war das Thema einer Informations- und Diskussionsveranstaltung gegen Fremdenhass, zu der der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im VHS-Haus eingeladen hatte.

Neben Horst Gromann vom DGB-Ortskartell Salzuflen waren als Referenten Peter Gingold aus Frankfurt, ehemaliger Gestapo-Häftling, sowie Sigrun Ahle aus Detmold, Mitglied der Bürgerinitiative "Pivitsheider Bürger gegen ein Nazizentrum", vertreten.

"Rattenfänger-Parolen wie zur Nazi-Zeit"

Den Einstieg in die Diskussion bereitete Peter Gingold, indem er Vergleiche zwischen heute und der Zeit des Nationalsozialismus zog. "Politische Perspektivlosigkeit und persönliche Hoffnungslosigkeit haben schon immer leicht zur Schuldzuweisung an den Schwächeren und zur Ausgrenzung Andersdenkender geführt", erklärte Gingold. Nicht zuletzt der politische Mißbrauch von Gefühlen und Stimmungslagen angesichts aktueller Mißstände sei es gewesen, der in der Weimarer Republik den Boden für die Vernichtung der Juden und die Verfolgung der Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten während des NS-Regimes bereitet habe. "Heute übernehmen die Ausländer die Funktion des Sündenbocks für Massenarbeitslosigkeit und andere soziale Nöte. Es sind genau solche Rattenfänger -Parolen wie zur Nazi-Zeit zu hören", empörte sich Gingold.

Sigrun Ahle gab den Zuhörern einen Einblick in die Situation in Pivitsheide, wo seit Jahren das Hauptzentrum der NF (Nationalistischen Front) stehe. Die Hoffnungen der Bürger, dass das Treiben nach dem Verbot der Partei im vergangenen Jahr ein Ende haben könnte, seien leider im Sand verlaufen. "Für diese Parteimitglieder ist es ganz einfach. Sie sind schon früh auf ein Verbot ihrer Partei eingestellt gewesen und lassen alles über einen Privatnamen weiterlaufen, so dass die Polizei nichts nachweisen kann", erklärte Sigrun Ahle.

Die Bürgerinitiative gehe nicht nur gegen die Gruppierung in ihrem Ort vor. "Pivitsheide ist nur ein kleiner Mosaikstein aus dem Bild
des "Rechtsradikalismus", so Sigrun Ahle. Die Referenten bezeichneten es als absolutes Dilemma, dass bis jetzt nicht mehr gegen solche rechtsradikalen Organisationen zu machen sei. Sie riefen dazu auf, die sozialen Ursachen zu bekämpfen und zugleich die ideologischen Wurzeln des "Rechtsradikalismus" aufzudecken. Dies gelinge nur durch die schonungslose Aufarbeitung der deutschen Geschichte und die Stärkung des demokratischen Bewusstseins.


Salzuflen@lz-online.de

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