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Lippische Landes-Zeitung , 31.01.1981 :

Der Lehrer und der Admiral

Zwei Leserbriefschreiber, Herr Kirchhoff und Herr Isenbeck, beklagen sich in der Ausgabe vom 24.01.1981 der LZ über mangelndes Demokratieverständnis der Unterzeichner einer Lehrerinitiative für "Klingenberg" und fordern u.a. dazu auf, die Schüler möchten in der Schule (also wohl auch von jenen Unterzeichnern) lernen, politische Konflikte nach den Regeln der Verfassung und des Rechts auszutragen, und die Lehrer sollten ihre Erklärungen noch einmal in Ruhe überdenken, weil widrigenfalls der Dienstherr prüfen müsse, ob diese Erzieher noch die Gewähr dafür böten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

Nun solte man tatsächlich in der Schule Demokratieverständnis lernen, doch das ist ein beschwerlicher Weg und führt zunächst über einige Grundfertigkeiten, wozu das Lesen und Verstehen von Texten gehört. Diese Fähigkeit aber muss ich Herrn Kirchhoffabsprechen, wie könnte er sonst auf die Idee kommen, die Unterzeichner hätten in ihren Unterricht ein mangelndes Rechtsbewusstsein vermittelt. Will er das aus dem Wortlaut und Geist der Erklärung ableiten, kann er offenbar etwas lesen, was nicht existiert.

Die Unterzeichner haben weder die Verfassung verletzt, noch geltende Gesetze mißachtet, sondern lediglich Rechte für sich (das Recht der freien Meinungsäußerung) und andere (Kritik gegen Amtsmißbrauch, gegen Diskriminierung, gegen Unverhältnismäßigkeit der angewandten Mittel) in Anspruch genommen. Sollte man sie deswegen nicht loben? Wünscht man sich lieber Zustände wie im Dritten Reich, wo es den Beamten nicht eingefallen ist, die Unrechtmäßigkeit bestimmter Maßnahmen der Reichsregierung (etwa die Massen-"Euthanasie" an Geisteskranken) anzuprangern, wo kritisches Denken und menschliches Mitempfinden von einer Lawine eines wahrhaft "schuldigen" Gehorsams niedergewalzt wurde? Ich will die Maßnahmen des RP gewiß nicht in der Qualität mit den Unrechtshandlungen der Nazis vergleichen, doch muss ich doch nicht bereits deswegen kritiklos verstummen und in behördlicher Anbetung verharren, weil sich diese Maßnahmen im Rahmen unserer staatlichen Ordnung bewegten.

Der jüngst verstorbene Admiral Dönitz, dessen Tod eine heftige Diskussion wiederaufleben ließ über die persönliche Schuldverstrickung in das vom Staat praktizierte Unrecht, hat noch kurz vor seinem Tode etwas gesagt, was man bei allem Verständnis für das Recht der Ausageverweigerung in belastenden Lagen nur als außerordentlich bedauerlich bezeichnen muss. Auf die Frage, ob es ihm nie in den Sinn gekommen sei, Hitler den Gehorsam zu verweigern, sagte er, einem honorigen Mann habe er als Soldat den Gehorsam geschuldet und er habe erst nach dem Kriege erfahren, dass er nicht honorig gewesen sei.

Ich frage die Kritiker der Lehrerinitiative, ob ihnen Lehrer lieber sind, deren Kritikfähigkeit gerade noch dazu ausreicht, begangenes Unrecht bestenfalls dann zu erkennen und sogar anzuerkennen, wenn es in den Geschichtsbüchern steht.

Ich hoffe, dass jene Lehrer, die sich noch nicht der Initiative angeschlossen haben - z.T. auch deswegen, weil sie Repressalien fürchten- diese Erklärung "in Ruhe überdenken" und sich ihr anschließen.

Erwin Sehrt
Grundstraße 17
Detmold

31.01./01.02.1981

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