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Lippische Landes-Zeitung , 31.01.1981 :

Als Mutter zweier Schüler ...

Wir sind schon wieder fleißig dabei, Minderheiten beiseite zu schieben. Und Minderheiten haben, verehrter Herr Kirchhof, nicht nur die Pflicht, den Entscheid der Mehrheit zu respektieren, sondern die Mehrheit hat nach meinem Demokratieverständnis die Pflicht, in permanentem Dialog mit der Minderheit zu stehen, um Anregung aufzunehmen, um nicht zu stagnieren. Dieser unüberwindbare Trieb, Minderheiten auszusortieren, welch üppige Tradition hat er. Warum können wir denn nicht unüblichen Initiativen etwas Positives abgewinnen? Warum heißt es, die Jugend sei apathisch? Sicher, es gibt immer müde Typen, aber ich kenne eine große Zahl Jugendlicher (auch Freunde meiner Kinder), die zu viele Vorstellungen haben von einem lebenswerten Leben, als dass sie nur traurig sein sollten über die mageren Offerten unserer zementierten Gesellschaft.

Ich habe mich schon ähnlich wie Herr Weerth gefragt, was unseren Kindern all die Schule soll, mit der Aufforderung zu eigenständiger Dialektik, wenn sie ähnliche Prozesse nicht auf ihr Leben übertragen dürfen. Nur für die gute Stube übers Sofa zu hängen? Vielleicht einen Bert Brecht, Hermann Broch, Peter Weiß, vielleicht auch einen Sophokles mit Lederrücken im Schrank - und sonst nichts? Aber ich bin guten Mutes, es sind viele, auch der Eltern-Generation, für die Sache der Initiatoren.

Wie der Sprecher des Polizei-Kommandos am 12.01.1981 in "Hier und Heute" (WDR Köln, Fernsehen) sagte, ist es auf die Dauer keine Lösung für die Kommunen, immer nach der Polizei zu rufen als Ersatz für fehlende Politik. Als Mutter zweier Schüler möchte ich den Lehrern danken, die sich - in Kenntnis möglicher Schwierigkeiten - für die Sache der Jugendlichen und für die Sache der Demokratie mit großem Ernst eingesetzt haben.

Sibylle Schmidt
Hindenburgstraße 30
Detmold

31.01./01.02.1981

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