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Lippische Rundschau , 16.02.1992 :

Große Resonanz auf SPD-Infoveranstaltung in Klüter Kaserne - Unbekannte warfen Stinkbombe / "Mit Meckern ist niemandem geholfen"

Detmold (sst). Eine Stinkbombe haben Unbekannte am Wochenende in die Klüter Turnhalle geworfen: Sie wollten damit offensichtlich die dort geplante Bürgerversammlung verhindern. Die Veranstaltung wurde von der SPD jedoch kurzerhand in die Turnhalle der Klüter Kaserne verlegt. Mehrere hundert Detmolder informierten sich am Samstagmorgen bei einem Rundgang durch die ehemals von den Briten genutzte Einrichtung über die dort ab April vorgesehene Unterbringung von 500 Asylbewerbern.

Die Kripo hatte aus dem Vorfall Konsequenzen gezogen: Sie ließ die Anwesenden nur nach genauer Kontrolle einzeln das Kasernentor passieren. Gegenwärtig läuft nach Auskunft eines Kriposprechers ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung gegen die Störer, die in Klüt ein Bekennerschreiben mit der Unterschrift "Antifa-Kommando 'Uns stinkts'" hinterließen.

Dass es sich bei der geplanten Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber um ein "heißes Eisen" handelt, wurde aber auch bei der anschließenden Diskussion mit Vertretern von Bund und Land deutlich.

Zwar äußerten nur wenige Bürger ihre Ängste und Befürchtungen laut, doch war ein ablehnender Grundtenor nicht zu überhören. "Unsere Lösung sähe so aus, dass die Menschen, die in Detmold Wohnungen suchen, dort einziehen könnten", verdeutlichte eine Frau die Wünsche vieler Anwesender.

Bürgermeister Friedrich Brakemeier räumte ein, dass auch die Stadt die Kaserne lieber sofort in Wohnungen umgewandelt hätte, das Land Nordrhein-Westfalen jedoch unter Zugzwang stehe. Wie die Gebäude nach Ablauf des auf sechs Jahre befristeten Mietvertrages genutzt werden, sei noch nicht abzusehen. Auf lange Sicht sei geplant, so Stadtdirektor Dr. Axel Horstmann, zwei Drittel des Geländes für Wohnzwecke zu nutzen und im westlichen Abschnitt eventuell den städtischen Fuhrpark unterzubringen. SPD-Fraktionsvorsitzender Friedel Uthe sicherte auf Nachfrage zu, dass auf keinen Fall mehr als 500 Asylbewerber in der Kaserne einquartiert werden würden. "An den Tatsachen können wir nichts mehr ändern, also müssen wir das Beste daraus machen", meinte Landtagsabgeordneter Manfred Böcker.

"Gehen Sie offen auf die Menschen zu. Mit ein bißchen gutem Willen müsste ein erträgliches Miteinander möglich sein." Diese dringende Bitte richtete Ulla Nielinger vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales an die Anwesenden. Sie stellte das umfangreiche Betreuungskonzept ihrer Behörde für die Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft vor (wir berichteten) und betonte, dass man in anderen Städten bereits positive Erfahrungen damit gemacht habe.

Ferner hob sie hervor, dass dort 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Fazit: "Mit Meckern ist niemandem geholfen" zog ein Bürger - stellvertretend für viele Anwesende - zum Abschluss der Veranstaltung.


Kommentar

Buttersäure statt Argumente - man muss bezweifeln, dass die Verantwortlichen des Anschlags auf die Turnhalle in Klüt es ernst meinen. Aus humanen Gründen lehnt das sogenannte "Antifa"-Kommando das geplante Sammellager für Asylbewerber in seinem Bekennerschreiben ab. Niemand hält diese Unterkünfte für die Ideallösung. Doch die Stadt wird sie akzeptieren müssen. So haben sich viele Gruppen zusammengefunden, um das Beste aus der Situation zu machen, um zu einem friedlichen Miteinander von Anwohnern und Asylbewerbern zu kommen. In ihrem angeblichen Eintreten für die in der Tat berechtigten Interessen der Asylbewerber haben die "Stinkbombenleger" dies Bemühen nicht nur torpediert, sondern die rohe Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ins Spiel gebracht. Davon dürfen sich all die, die sich für humane Bedingungen im Sammellager einsetzen, nicht beirren lassen. Sie sind es, denen es tatsächlich um die Asylbewerber geht, denn sie wollen tätig helfen und schüren keine Angst.

Luitgard Heissenberg


wb@westfalen-blatt.de

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