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Bündnis 90/Die Grünen, Ratsfraktion Bielefeld und SPD, Ratsfraktion Bielefeld , 25.02.1997 :

Antrag zu TOP 4: Resolution zur Rückkehr der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge

An die
Oberbürgermeisterin der Stadt Bielefeld
Frau Angelika Dopheide
im Hause

Sehr geehrte Frau Dopheide,

zu dem o.g. TOP machen wir folgenden Beschlussvorschlag:

Der Rat beschliesst folgenden Resolutionstext:

Rückkehr in Sicherheit und Würde gewährleisten!

Durch die Aufnahme von über 320.000 Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina hat die Bundesrepublik ihre Verantwortung für die Menschen aus diesem bürgerkriegsgeschüttelten Land wahrgenommen. Nach Abschluss des Dayton-Abkommens und einer Rücknahmevereinbarung zwischen der Bundesrepublik und der Republik Bosnien-Herzegowina beginnt nun die Phase der Rückkehr der Bürgerkriegsflüchtlinge

Auch in Bielefeld haben fast 2.100 Menschen aus Bosnien Zuflucht gefunden. 400 von ihnen stammen aus der nordbosnischen Stadt Odzak. Zusammen mit Flüchtlingen aus Odzak und Hilfsorganisationen unterstützt die Stadt Bielefeld ein Wiederaufbauprojekt in dieser Stadt, deren Gebäude und Infrastruktur nahezu vollständig zerstört war. Mit dieser Wiederaufbauhilfe will die Stadt dazu beitragen, die Voraussetzungen für eine freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge aus Odzak zu schaffen. Nicht nur in Odzak, sondern in allen Regionen Bosnien-Herzegowinas herrschen Zustände, die derzeit eine Rückkehr der Flüchtlinge erschweren oder gar verhindern:

- ca. 65 Prozent des Wohnraums sind zerstört;
- die Arbeitslosigkeit beträgt bis zu 80 Prozent;
- die Wirtschaftsproduktion beträgt ca. 4 Prozent des Kriegsniveaus;
- von 1 Millionen Binnenflüchtlingen leben noch immer 80.000 in Lagern;
- 2,4 Millionen Menschen sind abhängig von humanitärer Hilfe;
- zahlreiche Kommunen weigern sich, Rückkehrer aufzunehmen;
- noch immer sind die Menschenrechte in den Minderheitsgebieten und für die Gegner nationalistischer Bestrebungen gefährdet.

Die Stadt Bielefeld wird keinen Sonderweg in der Frage der Rückkehr der bosnischen Kriegsflüchtlinge beschreiten können, deshalb appellieren wir aus Verantwortung für die bei uns lebenden Flüchtlinge an die Verantwortlichen in Bund und Land, alle Möglichkeiten zu nutzen, die materiellen, rechtlichen und sozialen Grundlagen für eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde zu schaffen. Hierzu zählen insbesondere die Förderung von Wiederaufbauprojekten vor Ort, die finanzielle Förderung der Rückkehrer sowie die Gewährleistung der Registrierung aller zurückkehrenden Flüchtlinge durch die Behörden vor Ort. Denn nur eine Registrierung ermöglicht es den Rückkehrern, soziale und humanitäre Leistungen beanspruchen zu können.

In seinem Erlass vom Dezember letzten Jahres betont Innenminister Kniola, dass freiwillige Ausreisen vor zwangsweisen Rückführungen gehen. Dies wird ausdrücklich begrüsst. Die Verwaltung der Stadt Bielefeld wird gebeten, das Prinzip der Freiwilligkeit in jedem Falle zugrundezulegen und Besonderheiten des Einzelfalls so weit als möglich in ihre Entscheidungen einzubeziehen. Insbesondere Angehörige gemischtethnischer Ehen, Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, Traumatisierte und Flüchtlinge, die sich in Ausbildung befinden, bedürfen unseres besonderen Schutzes und der intensiven Einzelfallprüfung. Bei Vertriebenen, die nicht in ihre Heimatorte zurückkehren können, sollte genau geprüft werden, wohin eine Rückkehrmöglichkeit besteht. Hierbei sind Bund und Land in der Pflicht, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Die Stadtverwaltung und die beteiligten freien Träger werden gebeten, ihre bisherige Unterstützung der freiwilligen Rückkehr durch Beratung, die Ausschöpfung von zeitlichen Spielräumen und materielle Hilfe zu unterstützen. Zwangsweise Rückführungen sollten 1997 angesichts der politisch und wirtschaftlich nach wie vor prekären Lage in Bosnien-Herzegowina vermieden werden.

Begründung erfolgt mündlich!

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Rees
Bündnis 90/Die Grünen

Hans Hamann
SPD-Fraktion


gruene.bi.rat@bitel.net

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