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www.hiergeblieben.de , 22.09.2003 :

Die Abschiebung der Familie Mamedov muss verhindert werden / Dringender Aufruf für Protest-E-mails an die Ausländerbehörde Kreises Gütersloh!

Hüseyin Dikec erlag am 24. August seinen schweren Brandverletzungen. Der junge türkische Mann hatte sich am 31. Juli in einem Ausländeramt des Kreises Gütersloh aus Angst und Verzweiflung vor seiner Abschiebung selbst angezündet. Menschenverachtend und zynisch äußerte sich der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, am Tag der Selbstverbrennung: Es sei "unglaublich mit welchen Mitteln die Ausreise verhindert werden sollte" und der Kreis Gütersloh werde sich "auch künftig nicht unter Druck setzen" lassen. Die Ausländerbehörde Kreis Gütersloh ist weit über Ostwestfalen-Lippe hinaus für ihre Härte gegenüber Flüchtlingen und eine rigorose Abschiebepraxis bekannt. Dieses Amt entscheidet unsensibel, außergewöhnlich hartherzig und unmenschlich über das Schicksal hilfloser und auch schwerkranker Flüchtlinge. Von dem angeblichen Versuch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Flüchtlinge "humane Lösungen zu finden" (Adenauer, 31.07., s.o.) ist bei den Flüchtlingsberatungsstellen der Region nichts bekannt.

Hüseyin Dikec ist in diesem Jahr bereits der zweite Tote im Zusammenhang mit einem Besuch bei der Ausländerbehörde Kreis Gütersloh. Am 16. Januar erhängte sich der yezidische Flüchtling David Mamedov in seiner Wohnung in Schloß Holte. Die Ausländerbehörde Kreis Gütersloh hatte ihm zuvor mitgeteilt, dass er in Kürze abgeschoben werde. Sein Tod ist eine direkte Folge der deutschen Asylpolitik. Nicht nur als Beispiel, sondern aus aktuellem Anlass - die Witwe und die Kinder sind akut von Abschiebung bedroht -, hier stichwortartig und unvollständig der Ablauf seines Asylverfahrens:

David Mamedov reiste im November 1996 nach Deutschland ein. Seine Frau und die minderjährigen Kinder hatten wenige Wochen vorher einen Asylantrag gestellt. Ihre Familie war in Georgien wiederholt Opfer von gewaltsamen Übergriffen geworden, an denen auch Polizisten beteiligt waren. Die Versuche, die Übergriffe anzuzeigen blieben nicht nur im Wesentlichen erfolglos, sondern führten auch zu Drohungen gegen die Familie und zu Festnahmen von David Mamedov. Bei einem der Übergriffe wurden ihm mit dem Bügeleisen an beiden Beinen schwere Verbrennungen zugefügt, um ihn zu zwingen, im Haus vermutetes Geld herauszugeben.

David Mamedov wurde durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) im Februar 1997 als Asylberechtigter anerkannt. Der BAFl-Entscheider hielt die geschilderten Erlebnisse in Bezug auf die erlittene Verfolgung in den grundlegenden Punkten für glaubhaft.

Gegen diese Anerkennung erhob der Bundesbeauftragte für Asylverfahren Klage: Die Glaubwürdigkeit des Verfolgungsschicksals wurde in Frage gestellt und darauf hingewiesen, dass Übergriffe durch Polizisten in Georgien nicht dem Staat zuzurechnen seien. Dieser Klage wurde vom Verwaltungsgericht (VG) Minden in seinem Urteil vom April 2000 stattgegeben. Das VG-Urteil wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bestätigt und die anschließende Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22.02.2001 nicht angenommen.

Eine Klage gegen die Gewährung des Familienasyls für die Ehefrau und die Kinder wurde abgewiesen, der Schriftsatz des Bundesbeauftragten war nicht fristgerecht eingegangen. Ihre Anerkennung wurde daher rechtskräftig. Doch am 14.12.2001 entzog das BAFl diesen Status. In Folge der Bestätigung dieser Entscheidung durch das VG Minden wurde der Widerruf der Anerkennung am 06.09.2002 rechtskräftig. Grundlage dieser Entscheidung war, dass das gewährte Familienasyl auf der ursprünglichen Anerkennung von David Mamedov beruhte.

Die Frist zur freiwilligen Ausreise endete am 06.09.2002. David Mamedov erhielt daraufhin ein Schreiben von der Ausländerbehörde Kreis Gütersloh, in dem ihm mitgeteilt wurde:

"Zur Vermeidung einer zwangsweisen Rückführung und gegebenfalls einer Anordnung auf Abschiebungshaft weise ich Sie nochmals auf Ihre Pflicht zur Ausreise hin. Sollten mir bis zum 14.10.2002 keine Unterlagen über Ihre freiwillige Ausreise vorliegen, werde ich Ihre zwangsweise Abschiebung in Ihr Heimatland einleiten und, soweit erforderlich, auch die Anordnung der Abschiebungshaft beantragen."

Zu diesem Zeitpunkt war zwar das Widerrufsverfahren hinsichtlich der Anerkennung seiner Ehefrau und der beiden mittlerweile volljährigen Söhne erfolgreich abgeschlossen und auch der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter seit dem 06.09.2002 rechtskräftig geworden. Doch Frau Mamedov und die Kinder besaßen weiterhin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Ein Aufenthaltstitel, der normalerweise - ist nicht gerade eine derart auf Abschiebungen fixierte Ausländerbehörde wie die des Kreises Gütersloh zuständig -, eine dauerhafte Lebensperspektive in Deutschland erlaubt. Doch mit Schreiben vom 05.11.2002 schrieb der zuständige Sachbearbeiter der Ausländerbehörde Kreis Gütersloh an die Ehefrau und die Kinder, dass er beabsichtige,

" ... die Ihnen erteilte Aufenthaltserlaubnis zu widerrufen und den erteilten Reiseausweis für Flüchtlinge einzuziehen, Sie zur Ausreise aufzufordern, Ihnen die Abschiebung anzudrohen und gegebenfalls Ihre zwangsweise Rückführung nach Georgien zu veranlassen."

Die Entscheidung von David Mamedov, sich nach seinem letzten Besuch bei der Ausländerbehörde Kreis Gütersloh das Leben zu nehmen, ist im Zusammenhang mit den Entscheidungen und Briefen der vorangegangenen Monate und der angedrohten Abschiebung zu sehen. Sein Rechtsanwalt hatte mit Schreiben vom 14.10.2002 bei der Ausländerbehörde Kreis Gütersloh die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ihn beantragt und dies mit der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis seiner Ehefrau und der Wahrung der Familieneinheit begründet. Drei Wochen später erhalten seine Frau und die Söhne das oben zitierte Schreiben, in dem nun auch ihnen der beabsichtigte Entzug des Aufenthaltsrechts und eine mögliche Abschiebung angekündigt wird. Es ist denkbar, dass David Mamedov diese Ankündigung für die Familie als direkte Folge des negativen Verlaufs seines Verfahrens gesehen hat.

Kein halbes Jahr nach dem Selbstmord von David Mamedov (16.01.) besitzt die Ausländerbehörde Kreis Gütersloh am 30. Juni die Schamlosigkeit, die Witwe und die beiden Söhne aufzufordern,

" ... das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen."

Und weiter: Sollten sie ihrer

" ... Ausreiseverpflichtung nicht bis zum 30.09.2003 nachkommen, drohe ich hiermit die Abschiebung nach Georgien an."

Ohne Not und sehendes Auge ist die Ausländerbehörde Kreis Gütersloh bereit und willens, der Familie Mamedov weiteres unendliches Leit zuzufügen. Denn, die ausländerrechtliche Handhabe für einen sicheren Aufenthaltsstatus ist dabei ohne jeden Zweifel gegeben: Ein Bleiberecht der Familie Mamedov liegt im Ermessen dieser Behörde!

Doch die Ausländerbehörde Kreis Gütersloh hält bislang unbeirrt an der o.g. Ausreiseverfügung fest. Dem Rechtsanwalt der Familie bleibt zur Zeit nur noch die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches gegen die Ausreiseverfügung beim VG Minden zu beantragen. Ein Ausgang, auch bei der nachfolgenden Instanz (OVG Münster), ist nicht prognostizierbar.

Wir rufen in dieser Situation zu Protest-E-mails auf:

Bitte richten Sie die Forderung nach der umgehenden Rücknahme der Ausreiseverfügung gegen Frau Mamedov und ihre zwei Söhne an:

- Kreis Gütersloh, Landrat Sven-Georg Adenauer: Sven.Adenauer@gt-net.de

- Cc: Kreis Gütersloh, Leiter der Ausländerbehörde, Wolfgang Westhoff: wolfgang.westhoff@gt-net.de

- Cc: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen: poststelle@im.nrw.de

Bitte leiten Sie - nach Möglichkeit - Ihr Protestschreiben auch an unsere e-mail-Anschrift weiter: info@hiergeblieben.de

Spenden für Flüchtlinge im Kreis Gütersloh bitte an:

Friedensbüro e.V.
Sparkasse Lemgo
BLZ: 482 501 10
Konto-Nummer: 130 831
Stichwort: "Flüchtlingsfonds OWL - Gütersloh"

Steuerabzugsfähige Spendenquittungen werden umgehend zugeschickt.


info@hiergeblieben.de

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