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Mindener Tageblatt , 20.10.2005 :

Herkunft ist oft ein Bildungsrisiko / Schulausschuss informierte sich über Chancen ausländischer Kinder an Mindener Schulen

Minden (mt). Herkunft ist in Minden ein Bildungsrisiko. Das bedeutet auch: Chancen, die gerade Zuwanderer der Stadt bieten könnten, bleiben ungenutzt.

Von Monika Jäger

Bitteres Fazit einer Analyse der Bezirksregierung Detmold. Diese Zusammenfassung statistischer Daten aus dem Jahr 2003 hatte schon im Juni bei den Mitgliedern des Ausländerbeirats für Diskussionsstoff gesorgt. Über mögliche Konsequenzen aus den Erkenntnissen verständigten sich jetzt Ausländerbeirat und Bildungsausschuss.

Demnach sollen künftig unter anderem über den Ausländerbeirat ausländische Eltern verstärkt aufgefordert werden, ihre Kinder zu Deutschkursen zu schicken. Schulrat Jochen Heuer appellierte in diesem Zusammenhang an die Politik, hier auch Möglichkeiten des Offenen Ganztags zu nutzen: Die Kommune - und damit die Ratsmitglieder - sollten sehr genau abwägen, ob sie die Landesförderung für den Offenen Ganztag "in Lehrerstellen umgemünen, oder ob es wieder kapitalisiert und was anderes dafür gekauft wird - sag ich mal so despektierlich".

Ursache für solch klare Worte: Ausländische Kinder schneiden an Mindener Schulen deutlich schlechter ab als Deutsche. Einige Fakten aus dem Jahr 2003, die die Situation schlaglichtartig beleuchten. Minden hatte knapp 1000 ausländische Schüler und 1300 Aussiedler-Schüler. 42 Prozent der 33 ausländischen Jungen und 14 Prozent der 28 ausländischen Mädchen verließen allgemeinbildende Schulen ohne einen Abschluss.

Die Abiturientenquoten der Ausländer erreichen nur ein Sechstel der Quoten der einheimischen Deutschen. Die Abi-Quoten der Aussiedler erreicht nur ein Zehntel der Quote der einheimischen Deutschen. Neun Prozent der Ausländerschüler besuchen eine Sonderschule. Bei einheimischen Deutschen und Aussiedlern liegt die Quote bei drei Prozent.

Sprachförderung beginnt in der Kita

Bildungschancen werden aber schon vor dem Schuleintritt vergeben. Von den 850 Erstklässlern hatten rund 150 keine Tagesstätten besucht - überwiegend Kinder mit Migrationshintergrund. Dabei, machte Philipp Koch vom Fachbereich Schulen im Ausschuss deutlich: "Sprachförderung beginnt in der Kindertagesstätte. Frühförderung ist der Schlüssel!"

Seit 2003 sind Sprachkurse verbindlich, wenn bei der Anmeldung zur Grundschule Defizite festgestellt werden. Hier könnte es Sinn machen, auch die Eltern der Kinder zu Kursen mit einzuladen.

Welche Folgen es hat, wenn Schüler nicht gut Deutsch können, machten einzelne Wortbeiträge im Ausschuss deutlich. Im Zusammenhang mit der Frage, wie viele Ausländer Gymnasien besuchten, resümierte Karl-Friedrich Schmidt, Schulleiter des Ratsgymnasiums, knapp: "Die Kinder werden nicht angenommen, wenn sie nicht ausreichend Deutsch können."

Im nachschulischen Bereich, auch das wurde klar, haben kreisweit mehrere hundert Jugendliche keine Berufsausbildung, weil sie zunächst solange wie möglich an der Hauptschule gehalten werden, dann in Vorschulklassen der Berufskollegs gehen - haben aber keine Job-Chancen, weil die Sprachkompetenz für eine Berufsausbildung fehlt.

"Der Integrationswille hat nachgelassen"

Seiteneinsteiger würden mit großem Erfolg im Ludwig-Steil-Hof geschult, erfuhr der Ausschuss ebenfalls - ein Programm, das allerdings seit zwei Jahren von der notorisch geldknappen Stadt Minden nicht mehr gefördert wird.

Doch Förderangebote und Kurse allein sind es nicht, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen können. "Der Integrationswille hat nachgelassen", berichtete Schulrat Volker Aust. In ausländischen Familien der Dritten Generation werde oft bewusst nicht mehr Deutsch gesprochen.

Das Ziel - so wurde deutlich - müssten größere Fortschritte bei der Integration ab Kindergartenalter sein. Unablässlich dafür: Deutsch zu lernen. Im Wohnumfeld, in der Schule, am Ausbildungsplatz und im Beruf müssten deutlich stärkere Anstrengungen dafür unternommen werden - so das Fazit der Bezirksregierung. Gelinge die Integration auf breiter Basis nicht, würden Probleme in der Gesellschaft und für die öffentlichen Finanzen anwachsen.

Die Region Ostwestfalen-Lippe wird wegen der Zuwanderungen im Jahr 2020 der statistisch "jüngste" Bezirk im Land NRW sein - und das wegen der vielen jungen Zuwanderer. Dieses Potential gelte es für die Region zu nutzen.


mt@mt-online.de

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