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Lippische Rundschau , 07.09.1983 :

Demonstration gegen die Sowjetunion wurde gestört - MdL Paus am Reden gehindert

"Rühre das Gewissen derer, die den Abschuss für einen Vorteil halten!" / Schlichter Gottesdienst mit Pfarrer Petermann und Pastor Neuser in der Martin-Luther-Kirche

Detmold / Lippe (hof). "Friedensgrüße aus Moskau" stand auf einem Sarg, den gestern Abend die Junge Union und die Schüler-Union Lippe bei einer Demonstration durch die Detmolder Innenstadt symbolisch mit sich trugen. Etwa 100 vorwiegend junge Menschen protestierten mit einem Fackelzug schweigend gegen den Abschuss einer südkoreanischen Passagiermaschine durch ein sowjetisches Jagdflugzeug. "269 Tote - wer ist der nächste?" lautete die unzweideutige Frage auf einem Plakat. Ein anderes trug Hammer und Sichel mit der ironischen Unterzeile: "Sie bringen ewigen Frieden!" Etliche Teilnehmer hatten eine ausgebreitete Flagge bei sich. Die Demonstration, an der auch der stv. CDU-Kreisvorsitzende Lucas Heumann und einige Ratsmitglieder teilnahmen, lief nicht ohne Störungen ab. Eine etwa 20-köpfige Gruppe von Randalierern versuchte in der Fußgängerzone, mit Sprechchören und Transparenten den Zug aufzuhalten.

Die Polizei hielt die Störer-Gruppe, die USA-feindliche Parolen schrie, zumeist abseits. Gleichwohl konnte der CDU-Stadtverbandsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Heinz Paus eine Rede auf dem Marktplatz nicht halten. Der niedergeschriene Paus beklagte die Intoleranz gegenüber der Meinung Andersdenkender und rief die Demonstrationsteilnehmer auf, still in die Martin-Luther-Kirche zu gehen, um zusammen mit dem evangelischen Pastor Adolf Neuser und dem Pfarrer der katholischen Heilig-Kreuz-Gemeinde, Albert Petermann für den Frieden zu beten.

Zuvor legten die Teilnehmer ihre Transparente und Abzeichen ab, um den Gottesdienst, der bei verschlossenen Türen stattfinden musste, jeden politischen Charakter zu nehmen.

Pastor Neuser sagte: "Menschen sind daran zu erkennen, dass sie Gott kennen. Ihm könnten sie ihre Not sagen, die sie nicht bewältigen können." Das Vertrauen auf Gotte führe die Teilnehmer in der Kirche zusammen.

Kantor Eberhard Popp begleitete auf der Orgel das Lied, das viele Christen noch aus der Zeit des Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime kennen: "Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unserer Zeit ... "

"Dein ist die Welt, du hast sie uns anvertraut. Wir dürfen nicht über die Welt und das Leben verfügen", betete Pastor Neuser. Und Pfarrer Petermann ergänzte: "Dein Frieden ist höher als menschliche Vernunft. Du willst nicht, dass wir die Welt verderben, dass wir sie mit Waffen anfüllen. Lehre uns Vertrauen. Lass das Denken in Machtblöcken ein Ende finden."

Die beiden Geistlichen beteten mit den jungen Leuten für die Hungernden und für die, die wegen ihrer Überzeugung leiden. Sie beteten für die 269 Opfer, die in der abgeschossenen Passagiermaschine ihr Leben ließen. "Für uns sind alle sinnlos gestorben. Dein Gebot `Du sollst nicht töten!` ist hier nicht befolgt worden", sagte Petermann. Und er fügte hinzu: "Rühre das Gewissen derer, die den Abschuss des Verkehrsflugzeuges für einen Vorteil gehalten haben."

Neuser leitete über auf alle Spannungsgebiete der Erde. Er lenkte den Blick auf El Salvador, auf Nicaragua, auf den Libanon. Er nannte Syrer, Israelis, Palästinenser, Russen, Afghanen und die Afrikaner im Tschad. "Herr, wir sind zu gering, um dem sinnlosen Blutvergießen Einhalt zu gebieten. Gib, dass einmal nicht mehr die Waffen das letzte Wort haben."

Die Demonstrationsteilnehmer legten abschließend vor der Kirche ein Blumenkreuz nieder.


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