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Lippische Rundschau , 27.04.1989 :

Studentenclub und "Hotzenplotz" distanzieren sich von RAF / Kritik an LR-Bericht / Stadtdirektor gibt sich mit Stellungnahme zufrieden / Betroffen über Haltung, die "Täter zu Opfern werden lässt!"

Lemgo (V.S.). "Wir distanzieren uns von der RAF, solidarisieren uns aber mit den humanitären Forderungen der Gefangenen für menschenwürdige Haftbedingungen."

Dieser Satz steht "mit zornigen Grüßen" am Ende einer auch Stadtdirektor Ulrich Faßhauer zugesandten Stellungnahme, mit der "Bürgertreff Räuber Hotzenplotz" mit Nils Donat und Andreas Wolff sowie der Studentenclub Lemgo e.V. mit Carsten Jungblut, Werner Rabe und Kirsten Wiebe auf den LR-Bericht vom 15. April unter der Überschrift "Stadtdirektor fordert Studentenclub zur Distanzierung auf: Von Sympathie-Bekundung für inhaftierte RAF-Terroristen" und auf die dazu veröffentlichten "Gesichts-Punkte" reagieren.

Gleichzeitig luden die Verfasser den Autor des Artikels und die darin zitierten Ulrich Faßhauer und Prof. Dr. Hans Walter Flender zu einer gestern abend stattgefundenen Informationsveranstaltung zum Hungerstreik in den Studentenclub ein.

In ihrer Reaktion werfen "Hotzenplotz" und StC allen dreien ein Einfügen in eine weit verbreitete Verleumdungs- und Kriminalisierungskampagne vor. Sobald Mißstände massiv angeprangert würden, meinen sie, würden die kritikäußernden Personen häufig dem terroristischen Umfeld zugeordnet.

Der LR-Bericht, so die Benutzer der städtischen "Remise" bezeichne den Artikel über den Hungerstreik der inhaftierten RAF-Terroristen im Programmheft des StC undifferenziert als Sympathiebekundung für die Ideologie der RAF. Dabei werde ein Schreckensbild des Lemgoer Studentenclubs als linksextreme Räuberhöhle projiziert. Außerdem würden Namen von Personen angeführt, die in keinster Weise etwas mit dem "Hotzenplotz"-Artikel zu tun hätten.

Dieser Artikel, heißt es weiter, sei ein Auszug aus einem Flugblatt des legalen Hamburger Hungerstreikbüros, ergänzt von zwei Parolen und dem Symbol des Widerstandes gegen Repression im Strafvollzug. Wörtlich heißt es: "Die Zusammenlegungsforderung wird erwähnt und darauf der Gefängnisalltag der Betroffenen angeprangert, u.a. als vielfach abgestuftes System von Perversität." Wer sich intensiv mit dem Thema beschäftige oder selbst Erfahrungen gesammelt habe, werde diesen Satz nicht als Farce empfinden.

Zur Formulierung im StC-Heft "Dem Staatsterrorismus ein Ende" räumen die Verfasser der Stellungnahme ein, dass sie den Anschein erwecke, sie würden den Begriff "Terror" nur einseitig anwenden, was jedoch nicht der Fall sei. Die Zusammenlegung der Gefangenen werde nicht aus Sympathie für die RAF, sondern aus reiner Menschlichkeit gefordert. Die Vorwürfe gegen "Hotzenplotz", Einzelpersonen und dem StC seien empörend.

In einem zusätzlichen Schreiben an Stadtdirektor Ulrich Faßhauer, so teilte er gestern der LR auf Anfrage mit, hätten sich drei Vorstandsmitglieder des StC ebenfalls vom RAF-Terrorismus distanziert und seien in einem zuvor mit StC-Mitgliedern geführten Gespräch von ihm erhobenen Vorwurf, der "Hotzenplotz"-Beitrag im StC-Programmheft nicht geprüft zu haben, akzeptiert. Hingegen, so der Lemgoer Verwaltungschef, hielten sie gedanklich am Begriff "Isolationsfolter" fest.

"Mit dieser Stellungnahme", meinte Faßhauer, "kann ich insgesamt eigentlich zufrieden sein. Ich will auch niemanden öffentlich an den Pranger stellen. Allerdings wollte ich den Betroffenen ermöglichen, ein wenig nachzudenken. Dem könnte auch ein Gespräch dienen, an dem neben Vertretern der beiden Gruppen und mir auch meine Stellvertreter teilnehmen könnten."

Betroffen, so der Stadtdirektor abschließend, sei er nach wie vor über die Tatsache, dass Jugendliche, die die Geschichte des Terrorismus nicht selbst bewussst miterlebt hätten, in ihrer inneren Haltung Täter zu Opfern werden ließen und die eigentlichen Opfer vergäßen.


wb@westfalen-blatt.de

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