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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 15.12.2005 :

(Herford) Im Kosovo gibt es für uns nichts / Projekt "TOTT politisch" bringt Politiker und Roma miteinander ins Gespräch

Herford (va). "Der Inhaber ist ausreisepflichtig", heißt es in den Papieren, die das Ausländeramt jungen Roma ausstellt. Was dieser Satz für Folgen im Leben der Roma hat, erfuhren Herforder Politiker während des Projektes "TOTT politisch - Nur gemeinsam machen wir Demokratie!" im Jugendzentrum TOTT des CVJM Herford Stadt.

Von Ralf Bittner

"Ziel des seit Mai stattfindenden Projektes ist es, Politiker und Behördenvertreter über die Lage der Roma, ihre Ängste und Probleme zu informieren", erklärt Projektleiterin Andrea Uemann. "Für die Roma ist es wichtig zu erfahren, wer wofür zuständig ist."

Nicht zu unterschätzen sei auch die Erfahrung, dass sich jemand für ihre Probleme interessiere. "Ich habe einiges nicht gewusst, was die Lage der Roma in Herford betrifft", sagte Kurt Räker, der ebenso wie Bärbel Müller (CDU) und Bürgermeister Bruno Wollbrink (SPD), zu den Politikern gehörte, die während der letzten Monate mit den Jugendlichen gesprochen hatten und der Einladung zum Jahresabschlusstreffen ins TOTT gefolgt waren.

"Wo soll ich dann hin?"

Rund 35 meist männliche Roma waren gekommen, ihren Sorgen und Nöten Gehör zu verschaffen. Selver Kajtazi hatte sie sogar aufgeschrieben. Er ist 23 Jahre alt und lebt seit 1992 in Deutschland. Er besuchte hier die Schule und hätte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker machen können, wenn ihm das der Status der Duldung nicht verbieten würde. So lebt er von Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, die noch unter denen des Arbeitslosengeldes II liegen. "Wenn ich abgeschoben werden soll, wo soll ich dann hin?" heißt es in dem Brief. "Ich weiß nicht, was im Kosovo los ist, ich kenne das Land nicht."

Real ist die Angst. "Serben und Albaner werden uns umbringen", ist er überzeugt. Geschichten von Abschiebungen im Morgengrauen machen die Runde, denn auch in Herford werde abgeschoben. Jedes Schreiben vom Ausländeramt löst Angst aus.

Arben Korteshi gehört zu den wenigen, die etwas von abgeschobenen Verwandten gehört haben. Seine Tante gehöre nach der Abschiebung vor drei Jahren zu den wenigen Roma, die noch dort lebe. Den Lebensunterhalt bestreite sie mit dem Verkauf von Abfällen, die sie auf den Müllkippen sammele. Viele der Abgeschobenen seien entweder ermordet oder erneut geflohen. "Einige versuchen mit Booten nach Italien zu kommen", erzählt Korteshi. Andere seien nach Makedonien geflohen. Dort gehe es ihnen auch schlecht, aber immerhin seien sie sich ihres Lebens sicher. Im Kosovo bringen die Einheimischen zur Begrüßung Fleisch und Kartoffeln für eine Woche.

Fleisch und Kartoffeln als Todesurteil

Wer diese Aufforderung, innerhalb einer Woche verschwunden zu sein, als Begrüßung missverstehe, sei in Lebensgefahr.

Fitnet Kraka ist die einzige Frau in der Runde. Die alleinerziehende Mutter lebt seit 1988 "geduldet" in Deutschland. Ihr Sohn geht hier zur Schule. Die für die Rückführung zuständige UN-Behörde UNMIK behauptet, es gebe ein Haus, in das sie zurückkehren könne. Kraka glaubt nicht daran. In Kürze läuft ihre Duldung ab, und die Angst, aus der Wohnung verschleppt zu werden, kehrt zurück. Bärbel Müller verspricht, den Fall mit dem Ausländeramt zu besprechen. Viel Hoffnung machen kann sie den Krakas nicht.


lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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