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Bielefelder Bündnis gegen Rassismus und Faschismus , 14.01.2002 :

Kasten dicht halten! / Aufruf zu antifaschistischen Aktionen anlässlich der Nazi-Aufmärsche am 2. Februar und am 2. März in Bielefeld

Ab dem 27. Januar 2002 wird die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" in Bielefeld gezeigt. Ebenso wie in anderen Städten wollen auch diesmal junge und alte (Neo-) Nazis gegen die Ausstellung protestieren, die für sie das Bild der "sauberen Wehrmacht" besudelt. Die Proteste der Nazis gegen die Ausstellung waren zum Teil erfolgreich. Das lag vor allem daran, dass bis weit in die bürgerliche Mitte ein Geschichtsbild vorherrscht, welches unterscheidet zwischen einer bösen SS, die alleine für Völkermord und Kriegsverbrechen verantwortlich gewesen sei, und einer guten Wehrmacht, der Armee "unserer Väter und Großväter".

Die Ausstellung belegt die aktive wie passive Beteiligung der Wehrmacht an den Kriegsverbrechen: dazu gehören die Deportationen und Vernichtung von JüdInnen, Sinti und Roma und Homosexuellen und der Mord an Kriegsgefangenen, Behinderten, Andersdenkenden und politischen GegnerInnen. Der Vernichtungskrieg war nicht nur ein Projekt der nationalsozialistischen Eliten. Die Ausstellung weist nach, dass die Verantwortung für die Verbrechen bis in die untersten Dienstgrade reicht. Ein Großteil, der am Krieg beteiligten Deutschen hat dieses Vorhaben mitgetragen und umgesetzt. Das aufzuzeigen, ist das Verdienst der Ausstellung.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der im Zusammenhang mit der Ausstellung steht: Seit 1989 gibt es die gesellschaftliche Tendenz, das Kapitel des Nationalsozialismus als abgeschlossen, aufgearbeitet und bewältigt zu behandeln. Dies zeigt sich z.B. darin, dass die Forderungen der ZwangsarbeiterInnen nach Entschädigung endgültig abgewickelt werden, und auch dass Auslandseinsätze der Bundeswehr wieder möglich sind. Wurden früher Kriege von "Deutschem Boden" aus wegen Auschwitz für unmöglich erklärt, so werden sie heute damit legitimiert, dass ein angeblich "weiteres Auschwitz" in anderen Ländern, wie z.B. im ehemaligen Jugoslawien, mit Waffengewalt verhindert werden müsse.

Indem die AusstellungsmacherInnen nur wenig nach der Vorgeschichte des Vernichtungskrieges fragen, oder die Kontinuitäten bis in die heutige Gesellschaft aufzeigen, stellen sie ihn als ein von anderen gesellschaftlichen Entwicklungen isoliertes Phänomen dar. Das Nicht-Infragestellen von Militär an sich wird erleichtert und die Abgrenzung von der Wehrmacht ermöglicht. Damit wird ein weiterer Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen. Diese Historisierung als eine Säuberung der deutschen Geschichte spielt den nationalkonservativen und rechtsradikalen Kräften in die Hand.

Das Ziel der Nazis bzw. ihrer legalen Plattform, der NPD, ist es, mittels eines weit verbreiteten revisionistischen Geschichtsbildes den Schulterschluss mit dem Rest der Gesellschaft zu üben, um dadurch ihre rassistischen und antisemitischen Parolen an die Frau und den Mann zu bringen.

Auch in Bielefeld treten die Schnittstellen zwischen Mitte/Rechts und Rechtsaußen offen zu Tage. So weigern sich CDU, FDP und BfB (Bürgergemeinschaft für Bielefeld) der "Wehrmachtsausstellung" jedwede finanzielle und ideelle Unterstützung zuzusagen oder eine Empfehlung an SchülerInnen zu geben, die Ausstellung zu besuchen. Mit der CDU und der "Oetker-Partei" BfB taten dies nun gerade die Ratsfraktionen, die für eine Ehrung der Familie Kaselowsky eintraten, indem sie erst vor kurzem eine Straße nach ihr benannten. (Kaselowsky war Leiter der Firma Oetker während des Nationalsozialismus. Er unterstützte die NSDAP schon frühzeitig und war Mitglied im handverlesenen Industriellenclub "Freundeskreis des Reichsführers SS Himmler".)

Das Verhalten der bürgerlichen Bielefelder Ratsmehrheit bestärkt die Nazis nur in ihrer Sicht, als selbsternannte militante Elite die Einstellungen des Großteils der Bevölkerung auf die Straße zu tragen.

Seit Jahren ist es die Strategie der NPD und der Freien Kameradschaften über den Kampf um die Straße eine terroristische und gewalttätige Vorherrschaft zu errichten, die sie als "national befreite Zone" bezeichnen. Ein erfolgreicher, sprich ungestört ablaufender, Aufmarsch steigert das Selbstbewusstsein der Nazis und führt zumeist zu weiteren Aufmärschen, sowie offenerem und vor allem auch gewalttätigerem Auftreten.

Auch in Ostwestfalen-Lippe existieren Ansätze zu einem Phänomen, das als "brauner Gürtel" um größere Städte beschrieben werden kann. Das bedeutet, dass es auch in Ostwestfalen-Lippe bereits einige ländliche Regionen gibt, in denen Nazis zu einem wesentlichen (jugend)politischen und (jugend)kulturellen Faktor geworden sind.

Attacken gegen vermeintliche AusländerInnen und Andersdenkende gibt es aber auch in den Städten. So jagten beispielsweise im letzten September mehrere rassistische Jugendliche einen aufgrund seiner dunklen Hautfarbe durch die Bielefelder Innenstadt. Oftmals sind derlei Überfälle keine spontanen Aktionen von desintegrierten jungen Menschen, sondern geplante Aktionen organisierter Nazis.

Die Nazis bedienen sich in den letzten Jahren eine Doppelstrategie: Die NPD dient den Neonazis als legale Plattform (bislang jedenfalls: am 5. Februar beginnt das Verbotsverfahren gegen die NPD), sie übernimmt die offizielle Seite. So z.B. meldet sie auch am 2. Februar in Bielefeld einen Aufmarsch an. Die "Freien Kameradschaften" sind das Sammelbecken militanter FaschistInnen, die größtenteils aus Anfang der 90er Jahre verbotenen Organisationen wie der FAP oder der NF stammen. NPD und "Freie Kameradschaften" arbeiten in Ostwestfalen-Lippe eng zusammen. Drahtzieher der "Freien Kameradschaften" in Ostwestfalen-Lippe ist Bernd Stehmann. Er erhielt seine Schulung in mittlerweile verbotenen Organisationen und leitet als regionaler "Führer" die Neonazigruppen an.

Diese Kameradschaftsstrukturen stellen die treibende Kraft für Aktionen und Aufmärsche der Nazis in Deutschland dar. Auch im Vorfeld der Bielefelder Demonstrationen meldeten sie etwa einen Aufmarsch am ehemaligen KZ und der SS-Kultstätte Wewelsburg (bei Paderborn) unter dem vielsagenden Motto "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" an. Aus dem Spektrum der "Freien Kameradschaften" wurde auch der Naziaufmarsch am 2. März 2002 in Bielefeld angemeldet.

Mittlerweile ist bekannt, dass die NPD bundesweit zu dem Aufmarsch in Bielefeld aufruft und sich auch das militante Nazi-Spektrum an diesem beteiligen wird. Ein Auftreten der Nazis in dieser Größenordnung hat es in Bielefeld seit 1945 nicht gegeben.

Wir rufen dazu auf, sich den Nazis aktiv in den Weg zu stellen und sich an den antifaschistischen Aktionen zu beteiligen.
Kein Fußbreit den FaschistInnen! Nicht hier und nicht anderswo!!!

Ort und Zeit der Gegenveranstaltungen sind bislang noch nicht bekannt.















bielefelder-buendnis@gmx.de

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