www.hiergeblieben.de

Internationales Beratungszentrum, Flüchtlingshilfe Detmold , 16.12.1997 :

Anliegen nach § 24 GO NW: In Detmold lebende Kosovo-Flüchtlinge werden bis zum 01.09.1999 nicht zur Abschiebung angemeldet

An den
Rat der Stadt Detmold z.Hd.
Herrn Bürgermeister Brakemeier
Postfach
32756 Detmold

Anliegen nach § 24 GO NW

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit möchten wir Sie bitten, in der nächsten Ratssitzung folgenden Beschluss zu fassen:

In Detmold lebende Kosovo-Flüchtlinge werden bis zum 01.09.1999 nicht zur Abschiebung angemeldet.

Begründung:

Aufgrund der derzeitigen Lage im Kosovo sind Abschiebungen nicht zu vertreten. Die Abgeschobenen wären einer erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt (Duldungsgründe nach § 53,6 Ausländergesetz ).

Wir bitten deshalb den Rat der Stadt Detmold, den im Ratsbeschluss vom September 1997 vorgesehenen Zeitpunkt 01.03.1998 der Anmeldung zur Abschiebung zu verlängern und die Verwaltung aufzufordern, keine weiteren Schritte in Richtung auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu unternehmen.

Nach unserer Auffassung gibt es schwerwiegende individuelle Abschiebehindernisse für alle Kosovo-Flüchtlinge, die Abschiebungen in den Kosovo verbieten.

Die Lage im Kosovo hat sich seit dem einstimmigen Ratsbeschluss vom Januar 1994, der einen Abschiebestopp für Kosovo-Flüchtlinge vorsah, nicht verbessert.

Seit Aufhebung der Autonomie des Kosovo sind in der Region, in der 90 Prozent Albanerinnen leben, Polizei, Verwaltung, Justiz etc. fast ausschließlich serbisch besetzt. Albanische Institutionen gibt es nur illegal im Untergrund.

In den anliegenden Berichten werden massive und systematische Menschenrechtsverletzungen, auch an freiwillig rückkehrenden Flüchtlingen, dokumentiert.

Auf einer Tagung im Jugendhof Vlotho am 08.09.1997 berichtete eine Vertreterin der Menschenrechtsgruppe "Balkan-Peace-Team" aus Minden von folgenden Vorkommnissen allein in diesem Jahr in Kosovo:

- 2.950 Menschen wurden von den Behörden misshandelt.
- 4.921 Fälle von körperlicher und psychischer Bedrohung durch die Behörden wurden registriert.
- 12 Menschen wurden durch die Behörden getötet.
- 3-Menschen wurden im Gefängnis ermordet.
- Immer wieder werden Rückkehrerinnen direkt am Flughafen verhaftet.

Dieses sind jedoch nur die Fälle, die von dieser Organisation registriert wurden! Auf der Tagung bestätigten andere Organisationen, so ein Vertreter der sich im bundesdeutschen Exil befindlichen Kosovo-Partei LDK, diese Situation.

Ebenso bestätigt werden diese eklatanten Fälle von Menschenrechtsverletzungen, von denen praktisch auch jeder abgeschobene Flüchtling betroffen sein kann, von Jamal Karsli, MDL Bündnis 90/Die Grünen, der im März 1997 zu einer Informationsreise im Kosovo war.

Jeder abgeschobene Flüchtling muss in dieser Situation um Leib, Leben oder Freiheit fürchten. Zudem ist zu erwarten, dass durch eine größere Zahl abgeschobener Flüchtlinge sich die gespannte Lage im Kosovo noch weiter verschärft.

Im Mai 1995 hat der Rat der Stadt Detmold auf Grund eines Antrages von SPD und Bündnis 90/Die Grünen u.a. folgendes beschlossen:

- Abschiebungen in Länder, in denen Bürgerkrieg herrscht bzw. eine kollektive Gefahrensituation besteht, sollen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nicht erfolgen.

- Bei der Prüfung und Einschätzung von Gefährdungssituationen in den Heimatländern sind auch aktuelle Informationen von Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingshilfeorganisationen zu berücksichtigen.

Wir haben damals diesen Beschluss begrüßt. Wir hoffen, dass gerade auch im Fall der Kosovo-Flüchtlinge der Rat der Stadt Detmold diesen Beschluss ernst nimmt. Die rechtlichen Möglichkeiten zum weiteren Verbleib der Flüchtlinge im Exil in Detmold sind gegeben!

Kosovo-Flüchtlinge müssen in Detmold aus humanitären Gründen ein Bleiberecht haben!

Mit freundlichen Grüßen

Für das Internationale Beratungszentrum - ibz -:
- Volker Wiemann -

Für die Flüchtlingshilfe Detmold:
- Fritz Bornemeyer -

und weitere Einzelpersonen:
- Vera Brakemeier -

Anlagen:

- Auszüge aus der Broschüre "Kosovo/Kosova - Fluchtursachen, Asylpraxis, Materialien zur Rückkehrgefährdung", Hrsg. Förderverein Pro Asyl e.V. Die Broschüre ist zu beziehen bei: Förderverein Pro Asyl e.V., Postfach 101843, 60018 Frankfurt/Main


zurück