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Schaumburger Zeitung , 17.09.2002 :

"Wenn‘s keiner sieht, drück‘ ich mir noch eine Träne raus"

Von Marita Scheffler

Springe. "Gern lassen wir den nicht gehen", sagt Uwe Müller und nickt, als könne ihn sonst vielleicht jemand falsch verstehen. "Der Roger ist ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch, immer locker, immer gut gelaunt." Während der Oberkommissar überlegt, wie man eine "außergewöhnliche Leitungspersönlichkeit" (Müller) treffend beschreiben kann, sitzt Polizeihauptkommissar Jörg-Roger Hische von drei Kollegen umringt auf der Wache in Barsinghausen. Er kaut an einem Apfel und klopft Sprüche. Zwischen jedem Bissen mindestens einen.

Arbeitskollege Michael Waßmann ("Roger hat hier gut hingepasst") erzählt die Geschichte, wie Hische Anfang des Jahres auf einer NPD-Demo von einem fliegenden Stein getroffen wurde. Wie von der Tarantel gestochen sei er hinter dem Jungen hergerannt, habe sich sein Gesicht gemerkt und später so lange auf dem Bahnhof gewartet, bis er ihn standesgemäß abführen konnte. Noch zwei Wochen, dann betritt der 44-jährige Bennigser Neuland. "Hier bin ich etabliert, weiß, was ich zu tun und zu lassen habe. Aber dann?" Bis Freitag dieser Woche ist Hische Schutzmann, ab dem 1. Oktober Verwaltungs-Chef. Keine gewöhnliche Karriere, "aber man kann es nicht planen", sagt Hische trocken. Er habe klein angefangen und sich dann hochgedient, habe sein politisches Engagement kontinuierlich gesteigert. "Ich bin mit Herz und Seele CDU-Mann."

Am 1. September 1977 begann Hische die Ausbildung. Eigentlich hatte er ja Jura studieren wollen, aber sein Vater stimmte gegen das teure Studium. Da ließ sich Hische von seinem Großvater, dem Polizeibeamten Gustav Moeck, begeistern. Von 1983 bis ‘91 war er in Barsinghausen, ging dann nach Hildesheim, um im Januar 2000 als stellvertretender Dienststellenleiter nach Barsinghausen zurückzukommen. "Ich sag immer, das ist ein geldwerter Vorteil, wenn man in Barsinghausen arbeiten kann. So gutes Betriegsklima gibt‘s selten." Und, mit Blick auf den Abschied: "Wenn‘s keiner sieht, drück‘ ich mir noch eine Träne raus." Seine schönsten Einsätze? Wenn die Fußball-Nationalmannschaft in Barsinghausen beschützt werden wollte. Der schlimmste Arbeitstag? Als vor zwei Jahren ein Aral-Tankwart erschossen wurde und Hische den Angehörigen die Todesnachricht überbringen musste. Wem er die Pest an den Hals wünscht? Jedem, der Kinder missbraucht. Zugegeben, sein Dienstzimmer werde er nicht vermissen: 12 Quadratmeter im 60er-Jahre-Funierholz-Charme, mit erdfarbenen Vorhängen vor den Fenstern und einem Computer, der höchstens vor zehn Jahren mal die Bezeichnung "zeitgemäß" verdiente.

Welche Erfahrung er mitnimmt? Als Polizeibeamter habe er gelernt, dass ihm nicht jeder auf die Schulter klopfe ("Wer freut sich schon, wenn ich ihm eine Blutprobe entnehme?"). "Auch in der Springer Politik, Verwaltung und Bevölkerung gibt es Personen, die mich nicht mögen." Die Erwartungshaltung sei groß, meint er nachdenklich, "aber ich kann keine Wunder vollbringen". Und dann kommt wieder einer dieser Sprüche, für die er sich manchmal gerne selbst das Wort verbieten würde: "Wissen Sie, wenn nach neun Jahren Schluss sein sollte als Bürgermeister, dann gehe ich eben zu meinem Bruder und sortiere Kartoffeln."


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