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Lippische Rundschau , 06.02.1981 :

Einzigartige Architektur zerstört

Die plötzliche Räumung der besetzten Klingenberg-Fabrik und der überstürzte Abbruch sind meines Erachtens Anzeichen dafür, dass der Regierungspräsident dieses Problem schnellstens "vom Tisch" haben wollte. Der RP sah sich einem ständig wachsenden Widerstand von seiten der Bevölkerung, aber auch von vielen Fachleuten und Denkmalschützern gegenüber. So scheute er sich nicht, die Argumente von anerkannten Experten zu ignorieren und alle ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel gegen diesen Widerstand einzusetzen, was in weiten Kreisen der Bürger Empörung und Entsetzen hervorrief.

So wurden über Nacht Gebäude zerstört, die in ihrer Architektur und den Möglichkeiten, die sie boten, für Detmold von einzigartiger Bedeutung waren. In städtebaulich exponierter Lage bildete das Klingenberg-Ensemble mit seiner großen Fabrikhalle eine geradezu torartige Eingangssituation zur Kernstadt. Dieser Teil der Hornschen Straße besaß eine geschlossene Randbebauung des 19. Jahrhunderts, in der die Backsteinfassade der alten Fabrikhalle einen Höhepunkt bildete. Diese Fabrikhalle war ein eindrucksvolles Beispiel für die hochstehende Industriebaukunst der Zeit um die Jahrhundertwende, die Backsteinfassade dieses Gebäudes kann von mir nicht anders als eine architektonische Meisterleistung gewertet werden: Die straffe Fassadengliederung durch senkrechte Pfeiler und großflächige, maßvoll aufgeteilte Fenster verlieh diesem Bauwerk außergewöhnliche Strenge und Sachlichkeit, die sich mit den fein durchgebildeten Details, dem kunstvoll gemauerten Zierkreis unter dem Dachansatz und dem warmen orange- bis ziegelroten Farbton zu einer ausdrucksvollen Harmonie verband, die heutige Architektur so oft vermisssen lässt. Mit seinen vier großzügigen, weitläufigen und hellen Hallengeschossen im Inneren, deren Stahlkonstruktion die Solidität dieses Baues sichtbar werden ließ, bot dieses Gebäude optimale Voraussetzungen für die von den Besetzern angestrebte (und durchgeführte!) kulturelle Nutzung. Manche größere Stadt wäre sicherlich glücklich, wenn sie ein industrielles Baudenkmal dieser Art besäße und würde große Summen aufwenden, um es zu erhalten. Hier in Detmold - das für seine Denkmalschutz-Bemühungen immerhin eine Goldmedaille erhielt - wurde dieses Baudenkmal jedoch eiligst dem Boden gleichgemacht, ähnlich, wie man bereits 1973 im Falle des klassizistischenPetri-Palais verfahren hatte.

Heinrich Stiewe
Istruper Straße 31
Blomberg-Wellentrup


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