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Lippische Landes-Zeitung , 13.05.2003 :

Erinnern in neuer Form / Pfarrer will Diskussion über NS-Opfer anstoßen

Von Ulrich Pfaff

Horn-Bad Meinberg. Jeder Ort hat seine Opfer. Nicht jeder Ort zeigt, dass er sich an sie erinnert. Das Gedenken an jene, die im Nationalsozialismus verfolgt, gefoltert, verschleppt, getötet wurden, ist häufig etwas sehr Formelles. Dem will Maik Flek etwas Neues entgegensetzen - eine andere Form des Gedenkens. Die Namen sollen in das Blickfeld des Einzelnen und der Gesamtheit gerückt werden. Der Hornsche Pfarrer will eine Diskussion anstoßen - und hat dazu ein Kreuz in seinem Garten aufgestellt, das die Namen von Nazi-Opfern in Horn darstellt.

Ein Kreuz mit blauen Schildern, auf denen weiße Schrift die Namen zeigt: Namen von Menschen, die zwischen 1933 und 1945 unter dem Terror der Nazis zu leiden hatten, die nicht alle das Kriegsende erlebten. Namen, die für Fleck in Horn durchaus einen Klang haben, über die aber - wenn überhaupt - höchstens noch im privaten Kreise der aussterbenden Zeitzeugen gesprochen wird.

Die angesehene jüdische Familie Blank hatte in Horn einen Laden: Noch heute nennt der Volksmund die Einmündung Mittelstraße / Leopoldstaler Straße "Blanks Eck". Bis auf den damals 17jährigen Fritz, der 1933 in die Schweiz und dann in die USA fliehen konnte, kamen die Blanks in den Vernichtungslagern um. Katarina Molochenko war Zwangsarbeiterin in der Minitionsfabrik Tönshoff. Sie verblutete 1942, nachdem ihr während der Nachtschicht bei einem Unfall der Arm von einer Drehbank abgerissen wurde - niemand von der Belegschaft kam ihr zu Hilfe. Der Bad Meinberger Kommunist Erich Jäger kam 1933 in Schutzhaft. Seine Frau versuchte mit einem Hungerstreik, seine Freilassung dutchzusetzen und wurde ebenfalls verhaftet. Das weitere Schicksal des Ehepaares ist unbekannt.

August Tölle, Sozialdemokrat, Mitglied des Lippischen Landtags: Im März 1933 verhaftet, misshandelt, in Schutzhaft verwahrt. Er wurde nach 1945 kommissarischer Bürgermeister in Horn - eine Lokalgröße, wenn auch eine umstrittene: "Er hat Mitläufer und frühere Gegner bei der Entnazifizierung ziemlich zappeln lassen", weiß Fleck aus den Erzählungen von Zeitzeugen.

Und dann ist da noch der Name Silberstein. Kein Hornscher Name, jedenfalls nicht direkt: Die Familie wurde aus dem italienischen SS-Lager Fossoli in die Vernichtungslager deportiert und ermordet. Der Kommandant des Lagers war der vor wenigen Jahren verstorbene Karl Friedrich Titho aus Horn. Fleck: "Es ist für mich ein Beispiel für die Zufälligkeit der damaligen Zeit. Etwa dass jemand aus kleinen Verhältnissen zu so einer Funktion kommen konnte."

Die Namen auf dem Kreuz sind fünf exemplarische, mit denen Fleck das Nachdenken über das Gedenken anregen will. "Ich will niemandem am Zeug flicken, aber ich will sehen, wie gehen wir damit um" - das Gedenken an die NS-Opfer hat für den Geistlichen etwas von "Feiertagsrhetorik", "vieles davon ist einfach nur politisch korrekt". Neue Formen des Gedenkens sieht der Pfarrer als überfällig an: "Die Menschen, die mit den Namen etwas anfangen können, sterben weg. Wir müssen sehen, dass die Geschichte nicht mit den Opfern endet." Das könnte zum Beispiel geschehen, indem - wie Fleck mit seiner Kreuzinstallation anregt - in einem ersten Schritt Straßen oder Plätze nach örtlich bekannten und dokumentierten NS-Opfern benannt werden. Weitere Schritte müssten dann folgen: Etwa durch die Schulen, die in den Klassen Arbeiten zu den Hintergründen dieser Straßennamen ansetzen.

Was wäre für Maik Fleck ein Erfolg? "Wenn wir eine Gesprächskultur finden darüber, wie wir mit den Erinnerungen umgehen und ob wir das Gedenken an das Gewesene weitergeben sollen oder nicht."


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