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Annelie Buntenbach , 14.03.2001 :

Änderung des Art. 16

Annelie Buntenbach, MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin

An die
Bundesministerin für Justiz
Frau Prof. Herta Däubler-Gmelin
Jerusalemer Str. 24-28
11015 Berlin

Sehr geehrte Frau Däubler-Gmelin,

durch die Änderung des Art. 16 Abs. 2 Grundgesetz soll ermöglicht werden, auch deutsche Staatsangehörige an Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof auszuliefern, sofern rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind. Damit könnte auch die bisherige Praxis, die Auslieferung von deutschen NS-Tätern grundsätzlich abzulehnen, ein Ende finden.

Bei meiner parlamentarischen Arbeit war ich mit derartigen Fällen häufiger befasst. Aktuell ist aus meinem Wahlkreis der Fall des Karl Friedrich Titho an mich herangetragen worden, dem noch ungesühnte Verbrechen in Italien vorgeworfen werden. Nach Angaben der "Arbeitsgemeinschaft Fossoli", die sich mit dem Fall befasst und auch Kontakte nach Italien unterhält, wird nach der Verurteilung des damaligen Untergebenen von Titho, Michael Seifert, am 24.11.2000 durch das Militärgericht in Verona – und angekündigten Folgeprozessen – die beschleunigte Wiederaufnahme der Ermittlungen mit dem Ziel einer Anklageerhebung auch gegen Titho erwogen.

Durch die Verfassungsänderung ist nach meinen Informationen eine Auslieferung deutscher Staatsangehöriger nun zwar grundsätzlich, nicht jedoch faktisch möglich geworden. Daher möchte ich mich mit der Frage an Sie wenden, welche Schritte in Ihrem Hause erwogen werden, um die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Auslieferung nach Italien und andere Staaten der Europäischen Union zu schaffen und wann mit einer Regelung zu rechen ist. Meines Erachtens ist für den Fall Titho und ähnlich gelagerte Fälle, schon aufgrund des hohen Alters der mutmaßlichen Täter, vor allem aber der von den NS-Verbrechen betroffenen Opfer, besondere Eile geboten. Eine rechtliche Klarheit ist an dieser Stelle auch darum notwendig, weil ausländische Ermittlungsbehörden und Gerichte erfahrungsgemäß nur dann tätig werden können, wenn die Möglichkeit gegeben ist, der Täter habhaft zu werden, d.h. wenn die Möglichkeit der Auslieferung gegeben ist.

Mit freundlichen Grüßen


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